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Die Begründung der Bergbaugeschichte durch Georgius Agricola 183 anzusehen. Sein ad)tparteit ließ fid) Vergnügen, den Vorsitz der Schulkommission zu übernehmen, über dieses „dienstliche” Verhältnis hinaus läßt sich nicht viel sagen; Briefe sind nicht erhalten, Akten geben keine Hinweise. Agricola nennt den 1521 verstorbenen Gelehrten zwar einige Male, gibt aber keine Einzelheiten an. Es steht dagegen nach Ermittlungen von JACOBI fest * 2 , daß er die Schriften seines Patrons stellenweise stark benutzt hat, das naturwissenschaftliche Werk „über Edel steine" intensiver als die historischen Schriften über Preußen und Sachsen. Dr. ERASMUS STELLA zeigt also die für zahlreiche Humanisten typische Ver einigung von naturwissenschaftlichen und historischen Inter essen, auf die GUNDOLF 3 aufmerksam gemacht hat, nachdem bereits KORFF 4 die besondere Entwicklungslinie herausgearbeitet hatte, die den Humanismus von der historisch forschenden Naturwissenschaft zum Materialismus führte. Neuerdings hat es HERLITZ1US 5 übernommen, für Agricola diese Entwicklungslinie zu unter suchen. Da Georgius Agricola als Historiker bislang noch niemals gewürdigt worden ist 6 , bedürfte der Überblick auf diesem Sondergebiet seiner Studien einer kurzen Analyse des Standes, den die Geschichtsschreibung und die G e - Schichtsforschung in der Agricolazeit erreicht hatten. Auf eine andere Weise ist eine volle Würdigung nicht erzielbar, da die humanistischen Prinzipien sowohl bei der Darstellung wie bei der Forschung im geschichtlichen Bereich von den heutigen wesentlich verschieden sind. In der gebotenen Kürze soll wenigstens angedeutet werden, wie sich der Humanist zum geschichtlichen Stoff verhielt und wie er die geschichtliche Darstellung gestaltete 7 . Dabei kann der Bereich des Problems nur umrissen werden, soweit er unmittelbar Agricola und seinen Lehr meister betrifft. Der Name des ERASMUS STELLA wird von der Geschichte der Geschichts schreibung bekanntlich nicht mit Ehren genannt. STELLA ist vielmehr ein Geschichts- f ä 1 s c h e r erschreckenden Ausmaßes gewesen, der Inschriften erfand, Urkunden fälschte, den Namen seines früheren Lehrers in Bologna mißbrauchte, um ein Mach- s H. G. JACOBI: Der Mineralog Georg Agricola und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit. (diss. phil. Leipzig) — Werdau 1889 [besonders S. 51—54], ’ F. GUNDOLF: Anfänge deutscher Geschichtsschreibung — Amsterdam 1938. 4 H. A. KORFF: Humanismus und Romantik — Leipzig (1924) [besonders S. 22, 24], 5 E. HERLITZIUS: Georg Agricola (1494—1555) — ein großer deutscher Naturforscher und Humanist in: „Bergakademie“ 7 (1955), S. 73—82. • AGRICOLAs Biographen — seit ALBINUS — haben lediglich vermerkt, daß er historische Schriften verfaßte; was er aber als Historiker geleistet hat, ist dagegen noch nicht untersucht worden und kann auch hier nicht untersucht werden. Der Beitrag müßte sonst den Umfang einer Dissertation annehmen, da uns AGRICOLA nicht nur zahlreiche historische Exkurse in den meisten seiner Werke hinterlassen hat, sondern auch ein in deutscher Sprache verfaßtes Manuskript noch ungedruckt in Dresden liegt (Sign. R 99 Landesbibliothek, Dresden). Schließ lich sind auch ein paar Zeilen vorhanden, aus denen hervorgeht, daß AGRICOLA als Gut achter die historischen Arbeiten des Verwalters der Fürstenschule Schulpforta, C. BROTUFF, vorgelegt wurden. 7 Die geschichtliche Darstellung lehnt sich natürlich an die Antike an, aber man streift das lateinische Gewand ab um der patriotischen Breitenwirkung willen. Der Historiker stellt sich in den Dienst der bewußten Hebung des Nationalgefühls und wendet sich auch an Kreise, die außerhalb der gelehrten klassischen Bildung stehen. Die Geschichtsschreibung ist also die erste Wissenschaft, die sich der Volkssprache bedient, während alle anderen noch lange beim Latein blieben. Bezeichnend ist, daß AGRICOLA nur in historischen Werken deutsch geschrieben hat!