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Lehrer, bei denen er in Padua medizinische Vorlesungen gehört hat, nachdem er zuvor in Fer rara bei dem recht bedeutenden GIOVANNI MANARDI (1463—1536) die medizinische Doktor würde erwarb. Der von ihm genannte MATTEO DE CORTE ist durch einige Schriften hervor getreten, der zweite, FRANCESCO DA MEMORIA, tritt ganz zurück. Die geringe Bedeutung der damaligen medizinischen Fakultät in Padua geht auch daraus hervor, daß die zahlreichen Eng länder, die dort studierten, sich weniger mit der reinen Medizin beschäftigten; sie hielten sich viel stärker an die Naturwissenschaft, so weit sie LEONICO TOMMEO lehrte, der nicht der medizi nischen, sondern der philosophischen Fakultät angehörte. Erst kurze Zeit nach dem Weggang Agricolas aus Italien kam Padua zu neuem Aufschwung, als VESALIUS die Anatomie, BATTISTA MONTANO die Internistik übernahm. Dabei hatte gerade Padua eine altberühmte Tradition! Es hatte kurz nach 1200 — schon damals mit Bologna rivalisierend — das Erbe von Salerno, der ältesten Medizin-Hochschule des christlichen Abendlandes, angetreten. Wie ganz anders stand Padua etwa 200 Jahre früher da! Zwar lebten schon damals die großen Pioniere der medizinischen Scholastik nicht mehr; BRUNO DE LONGOBUCCO (in Kalabrien), der 1252 die „Cyrurgia magna“ als erstes scholastisches Werk der Anatomie und Chirurgie geschaffen hatte, war schon tot wie auch der bedeutendste aller Paduaner Mediziner des Mittelalters, PIETRO D’ABANO (um 1250—1316). Der von ihm geschaffene Conciliator differentiarum int er medicos hat weit über zwei Jahrhunderte das Ansehen Paduas lebendig erhalten: 1471 ist dies Werk als eine der ersten medizinischen Inkunabeln gedruckt worden, in späteren Ausgaben (Venedig 1496) ist es bebildert und zeigt, daß dieses Erbe nicht nur gepflegt, sondern weiter entwickelt wurde. Diese damals begründete Schule von Padua wurde durch die zahlreichen Schüler und Nach folger des PIETRO D'ABANO fortgeführt: Zwei Ärztefamilien, die Santa Sofia und die dei D o n i, haben die Heilquellenkunde gefördert, ein anderer Schüler, GENTILE DEI GENTILI DA FOLIGNO, war der bedeutendste Kommentator des AVICENNA. Auch die Pestliteratur hat von manchem Professor aus Padua wichtige Beiträge erfahren. Schließlich ist auch schon sehr früh Padua dem Vorbild von Bologna gefolgt und hat Leichensektionen dem medizinischen Unterricht eingefügt. Die ersten Nachweise für Padua fallen in das Jahr 1341, für Bologna sind Sektionen seit 1306 bezeugt. MICHELE SAVONAROLA (um 1400 bis 1462) hat die alte Tradition der schola stischen Schule von Padua zu einem letzten Gipfel geführt. Seine practica, ein umfassendes Handbuch für interne Krankheiten, ist seit 1478 immer wieder gedruckt worden. Die neue große Be wegung, der Humanismus, fand seinen ersten bedeutenden Vertreter in Padua an dem Anatomen ALESSANDRO BENEDETTI DE LEGNANO, der 1525 starb, nachdem er schon längere Zeit krank heitshalber nicht mehr gelesen hatte. Sein 1503 geschriebenes Lehrbuch Anatomice hat aber Agricola noch gedient. Der Humanismus griff nach Padua von Ferrara über; dort hatte der hoch geachtete NICCOLO LEONICENO durch seine Kritik am PLINIUS die entscheidende Reform herbeigeführt, zumal er die Notwendigkeit eigener Beobachtung betonte. Die damit einsetzende grundsätzliche Orientierung auf die „moderne“ Heilweise fand freilich gerade in Padua in den Jahren, die Agricola in Italien verbrachte, keinen besonders namhaften Vertreter. So erklärt sich, daß Agricola nicht unter dem Einfluß der medizinischen Fakultät in Padua gestanden hat. Er sagt ja in dem berühmten Sendschreiben an den Rat von Zwickau vom 1. Okto ber 1536 selbst, daß er sich seine Praxis in Venedig geholt habe. Seine Worte sind ganz unmißverständlich: Ich ging nach Venedig, um den Ärzten ans Krankenbett zu folgen (ut medicos sectarer). So ist es auch erklärlich, daß Agricola außer MATTEO DE CORTE keinen der Profes soren von Padua nennt, wohl aber solche aus Bologna, Pavia und Ferrara. Nachweislich tieferen Einfluß hat nur ein Professor von Padua auf ihn ausgeübt, und dieser (LEONICO TOMMEO) ge hörte nicht zu den Medizinern. In der Zeit, als sich Agricola in Venedig aufhielt, erlebte diese Stadt ihre Blütezeit, die am deutlichsten nicht nur durch die italienische Renaissancekunst der venetianischen Malerschule (BELLINI, GIORGIONE, TIZIAN, PALMA VECCHIO, TINTORETTO) zum Ausdruck kommt, sondern auch durch seinen Anteil an der Drucklegung griechischer Klassiker, die erstmalig 1490 von der Officina Aldina (aus Mitteln des Fürsten PIO zu Carpi) ausging, d. h. von der Buch händlerfamilie ALDUS MANUTIUS (MANUZZI), deren Presse griechisch und lateinisch druckte. Ihre Drucke — heute sind diese Aldina-Drucke Kostbarkeiten geworden — zeichnen sich durch Genauigkeit und geschmackvolle Ausstattung aus. Es waren viele Gelehrte, die die MANUZZIs zu diesen Herausgeberarbeiten heranzogen. Unter den medizinischen Aldina-Drucken stehen die Werke von HIPPOKRATES und GALEN an der Spitze, ferner die des THEOPHRASTUS