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Zeit wurde der Kalk nur als Bestandteil der verschiedenen Aschen oder als akzes sorischer Bestandteil anderer Rohstoffe ins Glas eingebracht. Anschließend wollen wir aus Agricolas Werk durch das aufschlußreiche Bild (S. 507), das den Betrieb in einer zweifellos deutschen Glashütte veranschaulicht, noch illustrieren lassen, daß Agricola den Stand der deutschen, nicht aber der italie nischen Glastechnik seiner Zeit dargestellt hat. Die Werkzeuge (A bis E) sind in der Unterschrift zum Bild angegeben. Links hin ter dem Ofen sieht man die Hüttenschänke. (Die Glasmacher hatten vor 400 Jahren die gleichen durstigen Kehlen wie später und noch heute. In einer böhmischen Hütte, die jährlich 150 Zentner Pottasche verarbeitet hat, flössen 1757 120 Faß Bier und 720 Seidel Branntwein durch die Gurgeln 12 .) Rechts hinten geht ein Glaswaren händler mit der Ware auf dem Rücken von dannen. Die Mitte des Bildes zeigt 5 Glasmacher bei den verschiedenen Operationen der Formgebung des Glases. (Das Schwenken des Glaspostens im Kreise über dem Kopf wird auf dem Bild nicht gezeigt. Sollte es sich dabei um eine Arbeitsgepflogenheit des temperamentvolleren Südländers gehandelt haben?) Im Vordergrund links sitzt mit Armesündermiene ein Glasmacher auf der Bank und zeigt seiner Frau, die von rechts mit dem Kind auf dem Arm energischen Schrit tes kommt, den kärglichen Lohn, der ihm geblieben, weil er soviel Bruch gemacht und vielleicht in der Hüttenschänke sich zu ausgiebig über sein Pech getröstet hat. Mit dieser kritischen Studie über den Glastechnologen Agricola haben wir auf gezeigt, daß das meiste — und zugleich Wertvollste —, das er auf den letzten Seiten seines 12. Buches vom Berg- und Hüttenwesen bringt, durchaus sein eigenes Ge danken- und Erfahrungsgut ist und daß er anscheinend nur wenig — wie Glas schmelze und Formgebung des Glases — von BIRINGUCCIO übernommen hat. Der Verfasser will nicht verhehlen, daß er sich bei der Übernahme der Aufgabe, über G e o r g i u s Agricola und das Glashüttenwesen zu berichten, nicht recht wohl gefühlt hat, weil aus dem Schrifttum bekannt war, daß Agricola viel von BIRINGUCCIO übernommen, ja sogar abgeschrieben habe. Der eingehende Vergleich der Schriften AGRICOLAs und BIRINGUCCIOs, soweit sie das Glas be treffen, hat aber gelehrt — und damit das anfängliche Mißbehagen schließlich in gerechte Genugtuung verwandelt —, daß dem nicht so ist, daß man Agricola, was das Glasgebiet betrifft, keinesfalls das Odium eines Plagiators anheften darf. Wenn OTTO JOHANNSEN' 3 schreibt: „BIRINGUCCIOs Schilderung der Glas fabrikation war bis zur ,Ars v i t r a r i a‘ KUNCKELs die beste", dann hat ihn offenbar seine große Liebe zu BIRINGUCCIO — den er einen „Faust“ nennt — blind gemacht und eine Behauptung aufstellen lassen, für die ein Beweis nicht zu er bringen ist. L1BAV1US, PORTA, MERRET, KUNCKEL zitieren wohl AGRICOLA. aber niemals BIRINGUCCIO. Wir können also getrost mit der Feststellung schließen: AGRICOLA war der Schöpfer der ersten, von wissenschaftlichem Geist erfüllten deutschen Glastechno logie, die 100 Jahre lang ernsthafte Beachtung der Fachwelt gefunden hat. '» J. R. VÄVRA a. a.O. S. 153 13 O. JOHANNSEN a. a. O. S. 80