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GEORGIUS AGRICOLA UND DAS GLASHUTTENWESEN Von PAUL BEYERSDORFER, Weißwasser AGRICOLA ist, wie sein deutscher Zeitgenosse PARACELSUS (1493—1541), ein Repräsentant der iatrochemischen Zeit, einer Epoche, die dadurch ihr eigen tümliches Gepräge erhalten hat, daß die Beschäftigung mit der Chemie (Alchemie) von ungebildeten Laborierern überging auf Männer des gelehrten Standes mit ge diegener wissenschaftlicher Bildung und daß die Chemie selbst in den Dienst der Heilkunde gestellt wurde. Agricola hat offenbar erst im sechsten, dem letzten Jahrzehnt seines Lebens sich mit chemischen Fragen beschäftigt. Wenn er auch als junger philologischer Medizi ner und Mitarbeiter der Druckerfamilie MANUTIUS in Venedig an der 1525 er schienenen GALEN-Ausgabe mitgewirkt hat, so ist ihm doch die pharmazeutische Chemie merkwürdigerweise recht fremd geblieben. Der Grund hierfür dürfte in seiner Abneigung gegen die Alchemisten, die „Goldmacher", zu suchen sein und in dem Widerwillen, den er, der redliche Humanist, gegen den Mißbrauch großer Namen wie der eines ARISTOTELES und eines PLATON durch manche Alchemisten hatte. Er zeigte jedoch großes Interesse für chemisch-technische Verfahren, die mit dem Berg- und Hüttenwesen im Zusammenhang stehen, so z. B. für die Probier- k u n s t, die Gewinnung und Trennung der Metalle sowie die Her stellung des Glases. Die Bedeutung, die Agricola dem für die Technik so wichtigen Messen im weitesten Sinne beigelegt hat, findet ihren Ausdruck in der ausführlichen Be handlung von Waage, Gewicht und Maß, ein Gebiet, dem er eine eigene Schrift „Libri quinque de mensuris et p o n d e r i b u s", Basel 1533, gewidmet hat (vgl. hier Aufsatz HERL1TZ1US). Uber all diese Dinge berichtet er in den 12 Büchern von Berg- und Hüttenwesen. Damit ist Agricola über die Chemie seiner Zeit, die latrochemie hinausgewach sen. Er, der sich wohl kaum als Chemiker gefühlt hat, vielmehr als Arzt, der er tatsächlich war, mit großen philologischen, mineralogischen und allgemein natur wissenschaftlichen Interessen und Kenntnissen, hat doch als erster den Bergbau und die verwandten technischen und chemisch-technischen Gebiete in großartiger Weise zusammenfassend dargestellt, so daß man ihn, den man den „Vater der Mineralogie" genannt hat, wohl auch als den Vater der anorganisch chemischen Technologie bezeichnen darf, der, obwohl kein schöpfe rischer Chemiker, doch befruchtend auf Zeitgenossen und Nachwelt gewirkt hat. So beruft sich LIBAV1US (1550—1616) in seinem Werk Alchemia (Frank furt 1597) auf Agricola, den er unter Namensnennung wiederholt wörtlich zitiert. Auch ein Glasofen aus Agricolas Werk wird von LIBAVIUS abgebildet und be schrieben. Auf Agricola nehmen auch Bezug JOH. B. DELLA PORTA (1538—1615) in seiner Natürlichen Magie, Magdeburg 1612, im 6. Buch, und CHR. MER-