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nisvollen Wirken mittelalterlicher Alchimisten mit ihrem Suchen nach dem Stein der Weisen, mit ihrer den Fortschritt menschlicher Erkenntnis hemmenden Verknüpfung wissenschaftlicher Forschung und Experimentiertätigkeit mit dem Aberglauben der Zeit, der aus der mißverstandenen und oft mißbrauchten Über sinnlichkeit der Religion schöpfte. Anderseits finden wir unter den Alchimisten aller Jahrhunderte klar denkende, schöpferisch arbeitende Wissenschaftler, echte Chemiker ihrer Zeit. Diesen Unterschied klar zu ziehen, erscheint uns notwen dig. Es ist deshalb sicher unrichtig, den Begriff „Alchimie" summarisch mit „Gold- macherkunst" zu erklären und sie „als Vorläuferin der Chemie, die schon bei den alten Ägyptern (3. Jahrhundert nach Christi Geburt) und den Arabern in hoher Blüte stand", zu bezeichnen. Ebenso sicher verdienen gerade ALBERTUS MAGNUS, PARACELSUS und unser GEORG AGRICOLA nicht, „u. a. als bekannte Alchi misten", wenn man darunter Goldmacher verstehen will, genannt zu werden 1 . Gewiß ist auch AGRICOLA vom Glauben und Aberglauben seiner Zeit nicht unbeeinflußt gewesen, gewiß übernimmt er — aber eigentlich recht selten — gelegentlich kritiklos heute unverständliche mystische und abergläubische Vor stellungen von Vorfahren und Zeitgenossen. Die alte Vierteilung der Materie in die „Elemente" Wasser, Feuer, Luft und Erde hat er nicht absolut und klar überwunden. Aber schon die Vorrede zu seinem Bergwerksbuch läßt klar erkennen, wie skeptisch er den „goldmachenden" Alchimisten gegenübersteht. Er scheut sich wohl noch, sie eindeutig als Betrogene oder sich selbst und andere bewußt oder unbewußt Betrü gende hinzustellen, weil er den Unterschied zwischen dem ernst um die Erkenntnis Ringenden und dem Scharlatan zu ziehen noch nicht in der Lage ist. Bedauerlicher weise hat ihn aber dieser sein Skeptizismus vom eigenen chemischen Experiment augenscheinlich abgehalten, durch das sicher bei seiner sonstigen Methodik und Klarheit seine Schriften nur gewonnen hätten. Trotz dieses Mangels hebt ihn seine Grundeinstellung weit über die große Mehr zahl seiner Zeitgenossen hinaus. Fraglos fand er während seines für seine berg baulichen, mineralogischen, geologischen, metallurgischen und chemischen Inter essen besonders wichtigen Aufenthalts in Joachimsthal nicht nur fortschrittliche und klar, weil natürlich denkende Freunde, wie den Lehrer PETRUS PLATEANUS oder den Hüttenschreiber LORENZ BERMANN. Auch hier gingen verworrene, im negativen Sinne alchimistische Auffassungen um. Ist uns doch die Schrift des Joachimsthaler „dichtenden Bergmanns" HANS RUDHART aus dem Jahre 1523 über liefert, der jeder „Geburt" eines metallischen Erzes einen „Wirker" zuerkennt, als deren maßgeblichen und bestimmenden er den „Himmel mit seinem Lauf, Schein und Einfluß", als deren speziellen für jedes der damals bekannten Metalle er den diesem beigeordneten Planeten (dem Gold die Sonne, dem Silber den Mond, dem Eisen den Mars, dem Kupfer die Venus usw.) ansieht. Als Grundstoffe für alle ande ren Elemente betrachtet RUDHART das Quecksilber und den Schwefel, die „sich zueinander wie männlicher und weiblicher Samen in der Empfängnis und Gebärung eines Kindes verhalten" 2 . 1 Dr. habil. GUSTAV HÄGELE, Das kleine Lexikon der Chemie, Union Deutsche Verlagsgesell schaft, Stuttgart 1952, S. 19. ä ARTHUR BINZ, Edelmetalle, ihr Fluch und Segen; Wilhelm-Limpert-Verlag, Berlin 1939. S. 122. S. auch HELMUT WILSDORF, Das Joachimsthaler Bergbüchlein des Hans Rudhart 1523, in: Präludien zu Agricola, Freiberger Forschungshefte D 5, Akademie-Verlag, Berlin 1954.