GEORG AGRICOLA UND DAS HÜTTENWESEN SEINER ZEIT Von ALFRED LANGE, Freiberg Mit dem Namen GEORG AGRICOLA verbindet sich nicht nur für den Berg- und Hüttenmann — fast zwangsläufig — die Erinnerung an seine „12 Bücher vom Berg- und Hütten wese n", an die „De re metallic a", in welchem Werk er weiterlebt als Begründer einer exakt wissenschaftlichen Darstellung des zu seiner Zeit schon hochentwickelten Montanwesens. Es soll und kann hier nicht untersucht werden, ob mit der Herausstellung gerade dieses Spätlingswerkes des außerordentlich vielseitigen Menschen und Gelehrten Agricola man etwa seine Bedeutung auf irgendeinem anderen Gebiet, etwa der Mineralogie oder Geologie oder der Medizin, oder sein Wirken in der Gesellschaft seines Jahrhunderts unter schätze. Die Tatsache allein, daß praktisch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts seine „De re m e t a 11 i c a" das maßgebliche Fachbuch für den Berg- und Hüttenmann blieb, auf dem auch spätere, in ihrer Eigenheit vielleicht gelegentlich überschätzte Schriften eines LAZARUS ERCKER („23c|‘d)reibuiig SUlerfürnemiften TZineralifdjen Crty- unt> 23ergwerctearten", Erstdruck 1574 in Prag) und G. E. LÖH NEY SS („23erid)t vom 23-ergivcrd", 1617 in Clausthal erschienen) mit nicht annähernd gleicher Voll ständigkeit fußen, dokumentiert nicht allein den Wert des Buches von Agricola, sondern beweist auch die schon weit vorangetriebene Entwicklung gerade des Hüttenwesens in verfahrensmäßiger und apparativer Hinsicht zu seinen Lebzeiten. In der Tat hat es grundlegender Impulse von außen her, wie etwa der Begrün dung einer neuartigen chemischen Anschauung durch die Schule BERZEL1US', der Einführung des metallurgischen Kokses für die Metallerzeugung und später der Verwendung der elektrischen Energie für die Zwecke der Metallurgie (Wärme erzeugung, Reduktion und Raffination) bedurft, um über die gesteigerte Erzeugung von Stahl und die Verbesserung seiner Güte die Industrialisierung des vorigen Jahrhunderts zu ermöglichen und damit erst die Voraussetzungen für die Metallur gie unserer Tage zu schaffen. Heute müssen wir die Metallgewinnung als ein wohl sehr bedeutendes, aber doch eben nur als ein Teilgebiet der anorganisch-chemischen Technologie, also der angewandten Chemie sehen, die ihre Grundlagen wiederum auf den Gesetzmäßigkeiten dfer Physik aufbaut. Bis in die frühe Neuzeit bedeutete Metallgewinnung aber Chemie schlechthin, und dies wird uns auch bei der Lektüre der „De re m e t a 11 i c a" deutlich. In der frühen Menschheitsgeschichte sind chemische Grunderkenntnis.se und die darauf aufbauende Metallherstellung nicht Allgemeingut menschlichen Wissens, sondern vielmehr ängstlich gehütetes Geheimnis der geistigen Führungsschicht, der Priesterkaste, gewesen. Der Mystizismus, der solchen Vorgängen also zwangs läufig von vornherein anhaften mußte, fand besondere Nahrung gerade im geheim- 8 Agricola