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\J7 EORGIUS AGRICOLA — sein eigentlicher Name ist GEORG BAUER — war Deutscher. Seine Lebenszeit (1494 bis 1555) fällt in eine der glänzendsten Epochen der Geschichte, in die Zeit der Renaissance, der Wiedergeburt des Menschen, der sich von der mittelalterlichen Scholastik abwendet. Es ist die Zeit der großen reli giösen, wissenschaftlichen und sozialen Umwälzungen. Vor allem sind es in Deutsch land religiöse Kämpfe, die zur Verinnerlichung des Menschen und zum Himmel drängen wie die gotischen Dome; in Italien sind es die Philosophen, die das natur wissenschaftliche Denken und Forschen betreiben und damit philosophisch die Richtung des modernen neuzeitlichen Denkens bestimmen: es sind Menschen, die um die Gewinnung eines neuen Weltbildes bemüht sind. Zu diesen Menschen ist auch der Deutsche Agricola zu rechnen. Eines Handwerkers Sohn, studiert er in Leipzig Humanistik, d. h. Lateinisch und Griechisch, wird als baccalaureus artium kurze Zeit Lehrer und Schulleiter (als solcher verfaßt er eine pädagogische Schrift), studiert dann wieder in Leipzig, hier aber sich zur Naturwissenschaft, d. h. zur Medizin hinwendend. Dieses Studium erweitert er durch eine mehrjährige Aus bildung in Bologna, der Perle der italienischen Renaissancehochschulen. Hier erfolgt die innere Reifung zum naturwissenschaftlichen, technischen und soziologischen Denken. Das erweist sich, als er, aus Italien zurückgekehrt, in Joachimsthal nicht nur als Stadtarzt und Fürsorger für seine Gemeinde tätig ist, sondern auch beginnt, erkenntnismäßig die Grundlagen des Bergbaues, der Hüttenkunde und der Gesteins kunde in eigenen Beobachtungen und Werken niederzulegen, ohne dabei die Rolle der Bergarbeiter und des Volkes, durch das die Arbeit geschieht, außer acht zu lassen. Sein ferneres Leben ist diesen Aufgaben geweiht, trotz aller soziologischen Verpflichtungen, die ihm als Bürgermeister von Chemnitz und als Arzt vor allem bei der Seuchenbekämpfung und -Verhütung von Zeit zu Zeit zufallen. Seine Werke bilden das Fundament der Bergbaukunde. Von ihm aus hat sich im Laufe der letzten vier Jahrhunderte methodisch die Bergbauwissenschait entwickelt. Agricola stellt in seinem Forschen, Wirken und Schaffen eine Idealfigur dar, die gewissermaßen in sich die Ziele verkörpert, die der Gründer der Kurfürstlich- Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften 200 Jahre später der Akademie als Aufgaben für das Volk und den Staat gestellt hat. Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, die in ihrer neuen Struktur diese LElBNIZschen Aufgaben zu übernehmen hat, sieht es daher als eine Ehren pflicht an, diesen hervorragenden Mann der Montanwissenschallen, der für sein Volk und die Welt so Großes geleistet hat, an seinem 400. Todestag gebührend zu ehren. Berlin, November 1955 (Prof. Dr. Dr. h. c. W. Friedrich) Präsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin