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50 Die Erfindung. denen Produktes geblieben. Und so ist schließlich auch die Begründung der Steinbäckerei, die Böttger zuerst diesen Ton in die Hand gab, nicht ganz bedeutungslos für die Porzellanerfindung gewesen. Nur freilich konnte Böttger dessen Bedeutung für das Porzellan in keiner Weise erkennen, bevor eben nicht das Prinzip des Porzellans völlig feststand, bevor er nicht völlig sicher begriff, in welcher Weise dieser Stoff zur Porzellangewinnung verwandt werden müßte. Jetzt aber war der Moment gekommen, wo man infolge der Herstellung der marmorierten Fliesen wie auch des Steinzeugs dies Prinzip wenigstens ahnen, wo man vermuten konnte, wie man, wenn man das Porzellan gewinnen wollte, einen solchen Stoff zu verwenden hätte. Und nun bedurfte es tatsächlich nur noch zweier Überlegungen, um zum Ziele zu gelangen, d. h. zunächst wenigstens zur Erfindung der Porzellanmasse. Man mußte auf der einen Seite, wie bereits erwähnt, das neu entdeckte keramische Prinzip bis an sein Extrem führen, indem man an die Stelle des strengflüssigen Bestandteiles einen ganz oder fast unschmelzbaren setzte, auf der anderen aber als Fluß eine Materie nehmen, die nicht bloß leicht ins Fließen geriet, sondern hierbei auch schließlich durchsichtig oder durchscheinend ausfiel, und dann, wenn es gelang, diese beiden Materien in der richtigen Weise zu sammenzumischen und zusammenzubrennen, dann war es sicher, daß sich eine Masse ergab, die schon als Porzellanmasse aufgefaßt werden konnte, als solche sich auch erkenntlich geben mußte. Damit aber war dann der größte Teil der Er findung des Porzellans getan. Es ist leicht möglich, daß zur Bevorzugung ganz oder fast unschmelzbarer weißer Erden nun in der Tat jene von Tschirnhausen bei früherer Gelegenheit scheinbar gemachte Beobachtung trieb, daß weiße Erden, die auch im Feuer weiß bleiben, schwer schmelzbar wären. In diesem Punkte hätte dann die Natur selber das Finden erleichtert. Das Suchen nach einem Fluß aber, der nach dem Brande mehr oder weniger durchsichtig ausfiel, erschien in Anbetracht der Durchscheinbar- keit des Porzellans, welche Eigenschaft doch von mindestens einem seiner Be standteile geteilt werden mußte, wie völlig selbstverständlich, und als man nun auf der einen Seite einige der leichtflüssigeren „Erden“, wie Kreide, auch „Steine“, wie Alabaster, Marmor und „Spat“, kurz, kieselsäurehaltige Mineralien und Flüsse, von denen ja mehrere, wie namentlich Kreide und Alabaster, allem Anscheine nach schon seit längerer Zeit zur Untersuchung herangezogen worden waren, auf der anderen Seite schwer schmelzbare Erden, in erster Linie aber den Ton von Colditz, nachdem man sie alle durch Kalzinieren, Schlemmen u. dergl. vorher gehörig vorbereitet hatte, miteinander zu einer „Masse“ vereinigte und diese dann in kräftigem Feuer in Fluß trieb, da war man in der Tat an dem so langersehnten Ziele angekommen, da ergab sich eine halbdurchsichtige, milch weiße Masse, die dem Porzellane sehr nahe zu kommen schien und es auch wirklich tat. Und in der Freude seines Herzens ward man poetisch und gab diesem neuen Produkt in der phantastisch-mystischen Weise, in der sich die Alchi-