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46 Die Erfindung. fassen, erstere oft in merkwürdig phantastisch-naturalistischen Formen, da sie, fast ausschließlich plastisch verziert, durchaus jener eigenartigen Formensprache verfielen, die die chinesische dekorative Plastik von je ausgezeichnet hat (Abb. 9). Auch in Europa standen diese Erzeugnisse in ganz besonderem Ansehen, weil die keramische Unkenntnis der Zeit sie durchaus für Porzellan hielt. Denn der Begriff Porzellan war damals bei dem noch völligen Mangel einer keramischen Nomen klatur und Systematik ein ganz erstaunlich weiter. Fayencen wie Steinzeug ward dieser Name ganz ohne Bedenken beigelegt, ersteren wohl in der Regel, um durch möglichst klangvolle Bezeichnung ihren Wert zu erhöhen. Wollte man dann das wirkliche Porzellan im Gegensatz zu diesen wirklich klar als solches bezeichnen, dann blieb kaum etwas anderes übrig, als auf seine hervorstechendste, von keinem an deren keramischen Produkt geteilte Eigenschaft der Durchscheinbarkeit hinzuweisen und es kurzer Hand das durchscheinende Porzellan zu nennen 125 ). So kam es, daß sicherlich damals keiner eine Ahnung hatte, daß dieses chinesische Steinzeug viel eher den festen, steinharten Produkten verwandt war, die namentlich in Deutschland, am Rhein, in Franken und andern Orten schon seit Jahrhunderten hergestellt wurden und heute ganz allgemein als Steinzeug bezeichnet werden, als jenem delikaten Erzeugnis, das heute allein noch Porzellan heißt und ein so gänzlich andersgeartetes keramisches Erzeugnis ist. Auch von Böttger und seiner Umgebung ist dies chinesische Erzeugnis mit voller Überzeugung für Porzellan gehalten worden, es hieß dort „rotes Porzellan“. Darum erhielt auch seine Nachahmung diese Bezeichnung: stolz ward sie jetzt „Jaspispor zellan“ genannt, nach jenem schönen, in der Regel roten Edelgestein, das gerade in Sachsen, im Erzgebirge, sich an mehreren Stellen vorfand und wahrscheinlich der erste „Landedelstein“ gewesen ist, den Tschirnhausen künstlerisch hatte bearbeiten lassen 126 ). Gewiß spielte auch wieder bei dieser Benennung, wie bei der Herstellung der marmorierten Fliesen die damals so beliebte Nachahmung edleren Gesteins mit hinein, der ja dann auch die auch an diesem Stoffe bald angewandte Technik des Schleifens entsprach. Indessen, was Böttger jetzt erstrebte, dieAusnutzung dieser Masse zur Gewin nung von Gefäßen, gelang zunächst ebensowenig, wie dies bisher in der neugegrün deten Rundbäckerei mit der Fayence glücken wollte. Die Schuld lag freilich'in keiner Weise an dem Erfinder, vielmehr allein an der Schwierigkeit, so plötzlich in Dresden, das bisher in der Töpferkunst nicht die geringste Rolle gespielt hatte, einen höheren keramischen Betrieb einzurichten. Böttger selber war ja auf diesem Gebiet kein Fachmann. Auch die Bücher, die ihm für dies Gebiet zur Verfügung standen, konnten die fehlende Praxis ebensowenig ersetzen wie die Erkundigungen, die Dr. Bartelmei hierüber auf seinen Informierungsreisen eingezogen hatte. So war Böttger durchaus auf die simplen Praktiker dieses Gebiets, die Töpfer, ange wiesen. Aber gerade diese zu gewinnen, hielt damals schwer genug. Ganz Deutsch land war ja damals ein Land, in dem die Keramik, verglichen mit der anderer Länder, nicht allzu hoch stand; die Fayencefabriken, die jetzt, der Mode der Zeit