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42 Die Erfindung. stein-Industrie entnommene Technik des Schleifens anwenden wollte, mißlang dies vollkommen. Es stellte sich naturgemäß heraus, daß die verschiedenfarbigen, nun zusammengemischten Erden nach dem Brande, je nachdem sie im Feuer flüssig geworden waren, auch die durch das Schleifen bewirkte Politur ganz verschieden annahmen, in der Weise, daß die strengflüssigeren, die nach dem Brande weniger zusammengesintert und darum poröser ausfielen, sich weniger gut schleifen ließen als die leichtflüssigeren, aber nach dem Brande in ihrer Struktur geschlosse neren. Die Oberfläche eines solchen Stückes gab sich nach dem Schleifen gänzlich verschieden, ihre Einheitlichkeit ging verloren, sie ward nicht gleichmäßig glatt. Mit diesem Besultate war noch nicht allzuviel anzufangen. Doch gerade dieser Mißerfolg, so bedrückend er auch für den Augenblick gewirkt haben mag, und so leicht er diese ganzen keramischen Bestrebungen damals zum völligen Stillstand hätte bringen können, er ward der eigentliche Anlaß zu einem ganz bedeutenden technischen Fortschritt, zu jenem, der dann am Ende dieser ganzen Entwicklung wirklich zur Erfindung des so heiß ersehnten Por zellans geführt hat. Not macht erfinderisch, und so betrat man nun hier, um aus diesem unerwarteten Dilemma herauszukommen, einen Weg, der für die Keramik gänzlich neu war, der aber schließlich, wenn konsequent befolgt, zur Erkenntnis jenes Prinzips, das das des Porzellans darstellt, führen mußte: man kam auf die Idee des Mischens, des Zusammenmengens verschiedener Massen, die sich im Feuer hinsichtlich des Fließens durchaus verschieden verhielten, man ver mengte mit den strengflüssigeren Erden leichtflüssigere, sogenannte Flüsse, die für sich allein in der Hitze zu schmelzen und dann nach der Erkaltung eine geschlossene Masse zu bilden pflegten, nun aber in Verbindung mit den streng flüssigeren, nach dem Brande porösen Stoffen in deren Poren drangen und sie ausfüllten, so daß ihr Gemenge gleichfalls kompakt und geschlossen ausfiel. Und so kam man schließlich dahin — jedenfalls aber erst nach vielem Probieren —, für die verschieden gefärbten, aber zu einem Stücke vereinigten Erden, die gleiche Leichtigkeit des Flüssigwerdens im Brande wie denselben Grad des Geschlossenseins nach demselben zu erreichen. Und hierauf ließ sich dann auch die Politur mittels Schleifens an allen Teilen in gleicherweise anbringen. Damit aber war das Ziel, das bei diesen Versuchen zunächst vorgeschwebt hatte, völlig erreicht: man hatte die Möglichkeit gewonnen, ein mehrfarbiges keramisches Produkt zu erzielen mit glänzender Oberfläche, ein Produkt, das, wenn wirklich gut ausgeführt, für die Keramik eine ebenso neue, wie glänzende Bereicherung bedeutete. Doch war damit nun nicht auch wirklich zugleich der Weg zur Erkenntnis des Prinzips des Porzellans gefunden ? Was war bisher geschehen ? Man hatte — soweit wir es heute noch feststellen können — zum erstenmal in der Keramik eine Masse aus verschieden fließenden Materien, aus leicht- und strengflüssigen, zusammen gestellt, man hatte letztere in ihrer Gegensätzlichkeit in diesem Punkte einander gegenübergestellt. Jetzt brauchte man nur in dieser Weise noch weiter zu gehen,