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30 Die Erfindung. gern „in anderer Leute Hände“ sah, weil sie ihm dadurch leicht „hinter einige Wissenschaft kommen könnten“ 7S ). Freilich über die wirklichen Wirkungen dieser Brenngläser waren Böttger und Tschirnhausen anscheinend durchaus nicht gleicher Ansicht. Tschirnhausen sah in ihrer Glut eine Kraft, die alle Körper in ihre Bestandteile aufzulösen vermochte, während Böttger dagegen behauptete, daß sie durch ihr Schmelzen eine Sache durchaus nicht in ihrem „esse“ ließen, vielmehr sie „destruierten und endlich ein neues Produktum hervorbrächten“’ 6 ), eine Anschauung, die, wie wir heute wissen, die allein richtige ist, die darum Böttger — wenigstens auf chemischem Gebiete — Tschirnhausen bei weitem überlegen erscheinen läßt. Vielleicht, daß damals Böttger schon etwas von der neuen Lehre vom Phlogiston, dem Vorläufer unseres Sauerstoffes, wußte. Dennoch bediente auch er sich fleißig dieser Brennspiegel”), wenn auch wohl unter ganz anderen Voraussetzungen als jener. ■ Nachdem man nun mittels dieses Hilfsmittels zunächst die Metalle — wie natürlich, völlig resultatlos — durchprobiert hatte und sich hierauf zur Untersuchung anderer Stoffe wandte, machte man sich zunächst an die sogenannten „farbigen Erden“, sicherlich in der Hoffnung, nun wenigstens in den Farben, die in den alchi mistischen Anschauungen immer eine so große Rolle gespielt haben 78 ), ein Leitseil zu haben, das zum erwünschten Ziele führen könnte. Doch nun trat bald infolge dieser neuen Untersuchungen eine Schwenkung in diesen ganzen Arbeiten ein, ein wenigstens für Böttger gänzlich neues Bestreben, das plötzlich diese von der Bahn der Alchimie hinweg auf gänzlich neue Wege führen sollten, die mit den bis herigen Bestrebungen Böttgers nicht das geringste mehr zu tun hatten, dann aber am Ende zu jenem Resultate, das allen diesen Arbeiten erst ihren vollen Wert gegeben hat. Wie w'ar diese Wendung vor sich gegangen ? Durch die Unruhen der Zeit, den häufigen Wechsel des Orts, sicherlich auch durch die zeitraubende Beschaffung aller der bisher zur Untersuchung heran gezogenen Materien waren Jahre vergangen: man stand jetzt im Jahre 1707. Der König hatte trotz der schlimmen Zeiten Unsummen vorgeschossen, um Böttger, wie er hoffte, in den Stand zu setzen, das Hundert-, ja das Tausendfache ihm dafür zurückzuerstatten. Er hatte sich, als dieser Moment immer noch nicht sich ein stellen wollte, von Jahr zu Jahr vertrösten lassen, sich aber wohl in der Aufregung über die so unerwartet mißlichen Ereignisse des nordischen Krieges, da es sich schließlich für ihn um nichts Geringeres als um den Verlust seines mit so großen Opfern erkauften polnischen Thrones handelte, nicht allzuviel um die Taten seines Goldmachers kümmern können. So hatte sich ihm Böttgers alchimistische Un fähigkeit wohl weniger offenbart, als es in friedlicheren Zeiten geschehen wäre, und Böttger war vor dem Lose bew’ahrt worden, das schon so vielen Goldmachern, wenn sie am Ende ihrer Weisheit angelangt waren, schließlich geblüht hatte. Die Vorsehung schien ihn sichtbar zu höheren Zwecken aufzusparen. Nun aber war im Jahre 1706 der Friede zu Altranstädt geschlossen, die Ruhe dem Lande wieder