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24 Di® Erfindung. wie Deutschland damals keinen größeren kannte, brauchte er Geld und immer wieder Geld, um seine kostspieligen Neigungen befriedigen zu können, die bald in der Anlage großer, prächtiger Bauten, bald in der Abhaltung prunkender Festlich keiten, kurz, in allen jenen Dingen bestanden, die damals der tonangebende Hof von Versailles unter dem Könige Ludwig XIV. über ganz Europa verbreitet hatte. Zugleich war damals die Zeit des schwedischen Erbfolgekrieges, der König mehr denn je großer Summen benötigt, zumal nach jenen enormen Ver lusten, die ihm die unglücklichen Schlachten von Clissow und Putolsk zugefügt hatten. Schien da ihm nicht jener Wundermann, der alles, was ihm damals fehlte, in unbegrenzter Fülle zu verschaffen versprach, wie ein Geschenk des Himmels, wie ein Kleinodium, das man auf alle Weise halten und auszunutzen trachten müsse ? Leichtgläubig und optimistisch, wie er war, trug er auch nicht die geringsten Bedenken, an die Wunderkraft dieses Mannes zu glauben, ja, ganz beträchtliche Summen herzugeben, in dem festen Glauben, sie einst mit unermeßlichen Zinsen wieder zurückerstattet zu bekommen, und er legte hierbei, als dieser Fall niemals recht eintreffen wollte, eine Geduld an den Tag, die wirklich in Erstaunen setzt. Denn Böttgers große Kunst versagte in Dresden völlig, wie sie naturgemäß versagen mußte. Zwar werden uns auch hier wieder mehrere scheinbar geglückte Tingierungsversuche berichtet 81 ): von einem derselben, der freilich erst bedeutend später erfolgte, haben sich sogar die gewonnenen Edelmetalle nebst dem Proto kolle, das ihr Entstehen aus unedlen beglaubigt, bis auf den heutigen Tag er halten 62 ). Im übrigen jedoch wollte Böttger gar nichts gelingen, angeblich weil ihm die rote Tinktur abhanden gekommen wäre, die er nun, wie er vorgab, von neuem zu finden versuchen müsse, eine geschickte Ausrede, um ebenso leicht gläubige, wie ungeduldige Gemüter beruhigen zu können. Fest steht, daß Böttger, trotz alles mystischen Gebahrens, das er wohl in erster Linie anwandte, um in der ihm aufgezwungenen Bolle als königlicher Goldmacher immer wieder neue Entschuldigungen für das gänzliche Mißlingen seiner vermeintlichen Kunst zu haben, daneben mit allem Ernste und voller Wissenschaftlichkeit sich an die Lösung des Problems machte, indem er auf Grundlage der alchimistisch-chemischen Anschauungen seiner Zeit von den gemeinsamen Grundstoffen aller Dinge hinter das Wesen, d. h. die Zusammensetzung der einzelnen Stoffe, zu gelangen suchte. Denn Böttger, der sich ja nicht freiwillig in den Dienst des Königs begeben hatte, vielmehr mit allen Kräften damals aus demselben wieder herauszugelangen trach tete, gehörte — das wissen wir heute ganz genau 63 ) — nicht zu jenen Goldmachern, die als Schmarotzer damals, wie vor und nachher, sich an den Höfen Europas einnisteten, um hier von der Leichtgläubigkeit und der Geldgier ihrer Herren zu leben —wofür ihrer freilich oftmals ein plötzliches trauriges Ende harrte —, mag er auch die Rolle, die ihm so ganz wider Willen aufgezwungen ward, mit noch so großem Geschick und oft erstaunlicher Beherrschung der Situation durchgeführt haben. Wir wissen es heute ganz genau, daß er in keiner Weise eine unbedeutende Persön lichkeit gewesen ist, die nur durch eine seltsame Laune des Schicksals ganz wider