Volltext Seite (XML)
262 ' Das Böttgersche Erbe. es damals wohl in keiner Weise erwartet hatte und damals wohl auch kaum gleich in seiner vollen Bedeutung erkannt hat. Stöltzel, der ungetreue Arbeiter, der sich noch wenige Wochen vor Böttgers Tode aus Meißen fortgeschlichen und nach Wien gewandt hatte, hatte sich, als der erhoffte finanzielle Erfolg sich dort nicht gleich einstellen wollte, wieder nach Dresden begeben und dort reumütig um Wiedereinstellung in die Manufaktur gebeten, was ihm auch nach einigem Zögern unter gewissen Bedingungen wieder gestattet ward. Gleichzeitig hatte er, wohl um sich wieder einzuschmeicheln, und weil er wohl wußte, was damals der Fabrik besonders nötig tat, einen aus Jena gebürtigen Kunstmaler, Johann Gregorius Herold mit Namen, mitgebracht, der in Wien schon an der Manufaktur gearbeitet hatte. Dieser hatte als Proben seiner Kunst einige Schälchen mitgebracht, die eine ganz „besondere Geschicklichkeit“ in der Bemalung verrieten und zeigten, daß er namentlich mit blauen, roten, aber auch mit anderen Farben so umzugehen wußte, daß diese glatt aus dem Feuer herauskamen und auch die kunstmäßig gezeichneten Figuren ihre Zeichnung im Feuer beibehielten 691 ), wobei er sich freilich ihm von Stöltzel übergebener Farben bedient hatte, deren Rezepte dieser sicherlich wieder von Böttger empfangen hatte 692 ). Ihn nahm die Kommission, da auch der König inzwischen dringend die Anstellung eines guten Malers verlangt hatte, sofort auf, stellte ihm aber, da er der Nachfrage nach bemaltem Porzellan bald nicht mehr allein genügen konnte, noch zwei Hilfskräfte zur Seite, darunter einen Holländer, der bisher Delfter Gut bemalt hatte 693 ), und so war nun auch diese Lücke der Manufaktur glücklich ausgefüllt. Diese Anstellung Herolds aber hat dann bekanntlich für die Fabrik mehr als die Gewinnung eines tüchtigen Malers bedeutet, der das Meißner Porzellan mehr oder weniger geschickt bemalte. Sie erwies sich bald als der Hinzutritt einer wirk lich künstlerischen Persönlichkeit, die Geschmack mit keramischem Verständnis verband, wie dies die Manufaktur bisher noch nicht besessen hatte, einer künstleri schen Persönlichkeit, die nicht nur ihre ganze Kraft dieser Anstalt widmete, viel mehr ihr von nun an seinen eigenen Stempel aufdrückte. Sie bedeutete mit einem Worte den Einzug der Kunst in die Manufaktur schlechtweg. Und zugleich erwies sich Herold als ein erstaunlicher Techniker, der es nicht nur verstand, sich in die schon vorhandenen Techniken der Manufaktur mit Leichtigkeit einzuleben und sie seinem künstlerischen Willen dienstbar zu machen, vielmehr selber erfinderisch vorging, auf seinem eigenen Gebiete, dem der Farbe, die wichtigsten, seiner Kunst nützlichsten Erfindungen machte, darunter schon wenige Jahre nach seiner Ankunft in Meißen jene wundervollen, transparenten, völlig glatt aufsitzenden Farben voll leuchtender Kraft, die von da an der Ruhm und der Stolz der Meißner Manufaktur des 18. Jahr hunderts gewesen sind 694 ), ja damals ebensowenig von irgend einer Manufaktur des echten Porzellans übertroffen worden sind, wie sie heute die Meißner Manufaktur in ihrem ganzen früheren Umfange schon wieder erreicht hat, der es aber dann weiter verstand, bis zum Verwechseln die ostasiatischen Porzellane als Vorbilder zu kopieren und sein Porzellan mit den wunderbarsten Tönen glasur-