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196 Die Porzellanfabrik. Nun aber, nachdem der König Böttger seit dem Beginn des Jahres 1715 so plötzlich und so unvermutet aller bisherigen Unterstützungen, auf die mit Sicherheit zu rechnen er wohl ein gewisses Recht gehabt hatte, beraubt hatte, als er neben den geringen Erträgnissen seiner Fabrik nichts anderes als Schulden und Wechsel besaß, die zu bestimmten Zeiten ausgelöst werden mußten: wie sollte da Böttger mit der Auslöhnung fortfahren, wie sollte er den Arbeitern auch nur dasjenige geben, was ihnen zum täglichen Unterhalt ganz unumgänglich nötig war ? Zwei Monate lang blieb nun der Lohn aus. Und so von allen Mitteln entblößt, durch den drohen den Hunger zur Verzweiflung gebracht, sahen sich die Arbeiter zur Selbsthilfe ge zwungen. Im April dieses Jahres sind sie auf den eigenen Rat Böttgers, der wohl selber nicht mehr aus noch ein wußte, nachdem er sie freilich anfangs als Pflicht vergessene und Rebellen zu behandeln versucht hatte, in hellem Haufen nach Dresden gezogen, um hier ihr gutes Recht zu fordern. Hier ist ihnen dann durch Dr. Bartelmei, dem die Sache doch wohl etwas zu bunt ward, ihr Lohn in der Höhe von mehreren 1000 Talern, die er sich dann von den Erträgnissen der .Michaelismesse dieses Jahres hat wieder zurückerstatten lassen, richtig ausgezahlt worden. Doch reizte dieser Erfolg dann freilich zu Wiederholungen, die auch nicht ausblieben. Inzwischen jedoch war diese Sache dem Könige hinterbracht worden. Energisch befahl er, wohl wissend, was hier auf dem Spiele stand, dem Kammerrat Neh mitz, die damals wieder fälligen Löhne sofort richtig auszahlen zu lassen. Dies geschah für die Monate Juli und August; dann freilich hielt Nehmitz wieder mit den Zahlungen ein, ein neues „Lauffen“ nach Dresden begann, und Nehmitz er stattete den Lohn wieder bis zum Februar des folgenden Jahres. Hierauf ließ der König die weiteren Löhnungen durch seinen geheimen Kämmerer Starke aus zahlen. Damit war diese fatale Angelegenheit, die eine ernste Gefahr für die Manufaktur und ihre Geheimnisse bedeutet hatte, erledigt, und die Arbeiter gingen wieder wie vorher fleißig und ohne Murren ihrer Arbeit nach 5M ). Der König aber hatte damit seinen Entschluß, die Manufaktur nicht mehr mit Geld zu unter stützen, doch, durch die Umstände gezwungen, wohl oder übel wieder aufgeben müssen. Der traurige Zustand aber, in den die Manufaktur durch den ewigen Geld mangel geraten war, war durch diese kleinen Abhilfen nicht aus der Welt zu schaffen. Die 3000 Taler, die der König auf der Michaelismesse für Porzellan Böttger hatte auszahlen lassen, von denen aber vorher noch die von Dr. Bartelmei vorgestreckten Arbeitslöhne abgingen, scheinen in dieser Zeit das einzige bare Gehl gewesen zu sein, das Böttger von Seiten des Königs empfing. So mußte die Lage der Fabrik, da die Hauptursache, die sie herbeigeführt hatte, in keiner Weise be seitigt war, nur immer schlimmer werden, nur immer drückender auf dem l rheber aller dieser Unternehmungen lasten, ohne daß dieser auch nur im entferntesten ahnte, wie er sich ohne anderer Leute Hilfe aus ihr befreien könne. Selbst Betrügereien scheinen jetzt, da Böttger mehr und mehr die Kontrolle über seine Lnternehmungen verlor, in seiner unmittelbaren Umgebung vorgekommen zu sein, die seine ganze