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126 Das Böttgersteinzeug. ninfiguren der oben genannten Sammlung abgeformt (Abb. 36), der heilige Laot-se von einer im königlichen Schloß zu Moritzburg befindlichen Porzellan figur, die mit Molchen besetzte Kanne von einem jetzt im Britischen Museum befindlichen, nachweislich aber früher dem alten Bestände der Dresdner Porzellansammlung zugehörigen Stücke, während die übrigen fast alle hier ihre Vor bilder im chinesischen roten Steinzeug haben. Unzweifelhaft haben wir es hier mit Verlegenheitsarbeiten zu tun, mit Versuchen Böttgers, seinem neuen Material bald nach seiner Erfindung eine künstlerische Form zu geben, zu einer Zeit, da ihm noch kein Künstler, noch kein Irminger zur Seite stand, der selbständige Erfindungen machen konnte. Diese Notlage wiederholte sich dann wohl für ihn, da Irminger kein Plastiker war, als er in seinem Material auch rein plastische Sachen ausführen lassen wollte, eine Vermutung, die schon dadurch ihre Bestätigung finden dürfte, daß auch fast alle figürlichen Erzeugnisse, die rein europäischen Charakter zeigen, Abformungen irgendwelcher Vorbilder sind. Man darf daher wohl mit Recht in dem größten Teil jener auf diese Weise abgeformten Gefäße die frühesten künstlerischen Erzeugnisse in der neu erfundenen Masse erblicken, ja vielleicht in der oben beschriebenen kugeligen Flasche mit langem Hals, da sie sich in der Dresdner Porzellansammlung noch heute in zahllosen und gänzlich verschieden ausgefallenen, ja zum Teil ziemlich mißglückten Exemplaren befindet, das eigentliche Versuchsstück von noch einfacher und darum bequemer Form, mit dem Böttger seine ersten Experimente ausgeführt hat (Abb. 31 u. 34). Im übrigen jedoch sind Böttger wie Irminger bewußt der chinesischen Formen- gebung aus dem Wege gegangen. Selbst die Gegenstände, die mit den chinesischen Gebräuchen selber von China herübergekommen sind, erscheinen im Böttgerstein zeug selten in der reinen ursprünglichen Form. Die Teetasse entlehnt vielfach ihre Gestalt demjenigen Trinkgefäß, das vor der Einführung der Tasse das in Europa gebräuchlichste gewesen ist: dem Becher (Abb. 37), und der Teetopf erscheint zwar in der Regel in der gedrückt kugeligen Gestalt, die ihm in China allmählich die Praxis verliehen hat, aber er wird fast immer mit plastischen Ornamenten in rein europäischem Stil so sehr belebt, daß seine chinesische Grundform stark verschleiert erscheint (Abb. 40). Und auch das beweist zur Genüge, daß Böttger bei den genannten Abformungen und den freieren Nachbildungen chinesischer Ori ginale durchaus gar nichts an der spezifisch chinesischen Formensprache gelegen war, daß die Formen seiner Kaffeekannen wieder türkischen Vorbildern nachge bildet sind, von denen namentlich die eine, die als Deckel eine Art Turban mit einem Halbmond in schwachem Relief zeigt, wieder als eine mechanische Ab formung einer orientalischen Metallarbeit erscheint (Abb. 38). Böttger hat eben die Geschirre, die ursprünglich fremdländischen Gebräuchen dienen sollten, zu nächst jenen nachgebildet, die in jenen fremden Ländern diesen Gebräuchen gewidmet und darum mit diesen zusammen nach Europa gelangt waren. Alle diese unmittelbaren Nachbildungen fremder Vorbilder konnten jedoch auch deshalb nur als Vorläufer betrachtet werden, da sie in der Regel zu unbe-