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124 Das Böttgersteinzeug. zu glänzendem Geschicke gelöst. Obwohl lediglich Goldschmied und, als solcher gewohnt, mit einem ganz anderen Materiale zu arbeiten, hat er, der ja auch den für die Manufaktur gewonnenen Töpfern erst das richtige Aufdrehen ihres eigenen Materials hat beibringen müssen 351 ), sich mit erstaunlichem Geschick in diesen neuen Stoff hineingearbeitet und ihn schließlich beherrscht, wie ein gelernter Ver treter dieses Faches. Trotzdem er sogar die Modelle, wie bereits berichtet 352 ), vorher in die Materialien seiner eigenen Kunst, in Kupfer und Silber, getrieben hat, finden sich doch verhältnismäßig nur wenige Formungen im Böttgersteinzeug, denen man ihren Ursprung aus der Kunst des Goldschmiedes heraus anzusehen vermag. Es sind dies z. B. die Modelle der dann für das Meißner Porzellan noch so lange typisch bleibenden Zuckerdose, wie auch mehrerer Leuchter, die durchaus die typischen, eckigen, scharfkantigen Formen damaliger im Barockstil gehaltener Silberarbeiten zeigen (Abb. 33. Vgl. auch Abb. 18 mit 19). Auch die bereits er wähnte Vorliebe für hochgezogene und reich profilierte Knöpfe und Spitzen findet ihre Analogien in der gleichzeitigen Goldschmiedekunst, doch kam ihr ja hier auch das Material in so überraschender Weise entgegen. Auch finden sich einige Formen, die stark an die wenigen noch erhaltenen Goldschmiedearbeiten Irmingers erinnern (vgl. Abb. 13 mit 42). Doch sind dies alles nur Ausnahmen gegenüber der großen Menge der den eigentlichen Typus dieses Steinzeugs darstellenden Modelle, in denen ein Zusammenhang mit der Goldschmiedekunst sich kaum wird nach weisen lassen. In diesen aber hat Irminger eine wirklich erstaunliche Selbständigkeit an den Tag gelegt, die ihn als einen durchaus schöpferischen Künstler kennzeichnet, mögen sie sich auch noch so sehr in der Formenwelt des damaligen Barocks be wegen, über die naturgemäß damals kein Künstler hinausgekommen ist. Soviel wie möglich aber hat sich Irminger ferngehalten von der Formensprache der Vorbilder dieses Steinzeugs, der des chinesischen roten Steinzeugs, ja auch von der des Porzellans. Denn warum auch ? Genau wie später das Porzellan Böttgers, sollte auch sein erstes keramisches Erzeugnis durchaus keine getreue Kopie des chinesischen sein. Es sollte dieses nicht bloß nachahmen, es sollte dasselbe auch verbessern, und Böttger hat sich ja von Anfang an und in gewisser Beziehung wohl mit Recht gerühmt, daß er es übertroffen hätte. So hatte man damals in der Tat nicht die geringste Veranlassung, am eigenen Erzeugnis die fremde Formen sprache des chinesischen zu imitieren, zumal dieses vielfach wie früher erwähnt, einen auch der chinesischen Keramik sonst ziemlich fremden, stark grotesken und naturalistischen Charakter zeigte, der damals sicherlich nicht jedermanns Ge schmack gewesen ist, vor allem aber auch nicht Böttgers selber. Denn Böttgers Ansicht über den ästhetischen Wert der damaligen chinesischen Porzellane hat sich noch völlig erhalten in jenem schon angeführten Memoriale, betitelt „un- vorgreifliche Gedanken“, das er im November des Jahres 1709 der ersten Kommission zur Empfehlung seiner neuen Erfindungen vorgelegt hatte. Hier hat er wörtlich gesagt: „Ob wohin die Indianer sich eine große Klugheit und be-