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114 Das Böttgersteinzeug. Hierbei kann es kein Zweifel sein, daß für diese glänzende und reiche Aus gestaltung dieses Produktes in erster Linie der eigentliche Urheber, der Erfinder desselben, der Begründer aller der damaligen keramischen Unternehmungen in Betracht kommt. Tschirnhausen, der Mitarbeiter und Berater Böttgers, war schon im Jahre 1708 gestorben, wahrscheinlich ja unmittelbar, nachdem dasselbe erfunden war 332 ); im übrigen sind alle Ausgangspunkte dieser Ausgestaltung so rein technische gewesen und war die durch die Gefangenschaft Böttgers beträchtlich eingeengte Umgebung so arm an wirklich bedeutenden oder auch nur sachver ständigen Persönlichkeiten, Böttger selber dagegen eine so bedeutende und er finderische Kraft, daß man, wenn man absieht von den rein künstlerischen Formungen, der Erfindung der Modelle und dergleichen von diesem großen Ver dienste auch nicht das Geringste ihm abzuziehen Veranlassung hat. Es ist dies auch niemals versucht worden, weder in neuerer Zeit noch in den Berichten seiner Zeitgenossen, die Böttger überall in dem Mittelpunkt des ganzen Betriebes wirkend sehen lassen, ohne den man überhaupt bei allen diesen Angelegenheiten kaum das Geringste zu tun vermochte. Dies schnelle Hineinfinden aber in ein für ihn doch gänzlich unbekanntes Gebiet, dieser, man möchte sagen, eingeborene künstlerische Instinkt, der, ohne eigentlich künstlerisch produktiv zu sein, doch überall und namentlich in technischer Beziehung die richtige Grundlage zur künstlerischen Ausgestaltung des neuen Produktes herauszufinden verstand, die völlig souveräne Selbständigkeit, mit der er diesem ganzen Stoffgebiet gegenübertrat, sind ein neuer Beweis für die bedeutende Persönlichkeit dieses Mannes, für die Rührigkeit und Gewandtheit seines Geistes wie vor allem für sein spezifisches Erfindungs vermögen, das ihm eine besondere Stellung in der Geschichte des menschlichen Geistes verschaffen muß. Sie bestätigen völlig, was Steinbrück, der ihn so genau kannte, über ihn damals gesagt hat, daß sein Verstand von „ungemeiner Pene tration“ sei, daß er sich „in alles finden könnte“, daß er immer etwas Neues will, „inventieux“ wäre und auf Dinge gedenke, „die anderen Leuten nicht in den Sinn kommen“ 333 ). Und so reden noch heute diese Taten deutlich genug von seinem wirklichen Können und lassen erkennen, wie stark der Eindruck seiner Persön lichkeit gewesen sein muß, als sie noch in voller Kraft das vollbrachte, was heute als etwas Vergangenes, aber Fertiges vor uns liegt. Erhalten hat sich sein erstes Erzeugnis noch an vielen Stellen und in großer Anzahl, am meisten jedoch trotz des alles durcheinander werfenden Kunsthandels in Deutschland. Hier befindet sich der weitaus größte Bestand in der Kgl. Porzellan sammlung zu Dresden, der mit wenigen Ausnahmen sicherlich jene Erzeugnisse darstellt, die schon zu Böttgers Lebzeiten in den Besitz des Königs gelangten und dann dauernd dort geblieben sind. Dieser Bestand, der fast 800 Stücke um faßt, ist so reich und mannigfaltig, daß man mittelst seiner schon fast die ganze Ausbildung, die dieses erste keramische Erzeugnis Böttgers gewonnen hat, erkennen kann. Den zweitgrößten, doch schon bedeutend kleineren Bestand, der aber immerhin noch etwa 300 Stück umfaßt, besitzt das Herzogliche Museum zu Gotha,