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V orliegende Arbeit ward lediglich in dem Wunsche unternommen, einmal die keramischen Taten und Verdienste Böttgers, des Erfinders des europäischen Porzellans festzustellen, wie sie uns heute auf Grund aller erhaltenen Dokumente seiner Zeit sich darstellen. Sie ward begonnen, weil sich die Tatsache ergeben hatte, daß uns heute für eine solche Arbeit ein reiches Material vorliegt, das diejenigen, die bisher einen gleichen oder ähnlichen Versuch gemacht, teils nicht gekannt, teils nicht genügend benutzt hatten. Es war zu hoffen, daß dadurch das zu ent werfende Bild ein reicheres und lebendigeres werden durfte. Doch bald und mitten in der Arbeit stellte sich die Veranlassung zu einer solchen als immer dringlicher heraus, ja, sie schien schließlich geradezu ein Gebot der Gerechtigkeit, der Wahr heitsliebe zu werden, die immer die Grundlage einer echten Geschichtschreibung bleiben müssen. Es ergab sich bei eingehendem Versenken in die Dokumente der Zeit, bei der sorgfältigsten Prüfung und Nachprüfung aller Quellen, die jetzt oder früher zu Gebote standen, mit immer größerer Gewißheit die wohl von niemandem früher in ihrem ganzen Umfange geahnte Tatsache, daß das Bild, das wir jetzt schon so lange Zeit von Böttger und seiner Tätigkeit besessen, und an das wir alle bisher mit so felsenfester Überzeugung geglaubt haben, ein gänzlich falsches, verzerrtes gewesen, das auch nicht entfernt hat ahnen lassen, um was für eine Persönlichkeit es sich hier einst gehandelt hat, was für eine Persönlichkeit die deutsche Technik und Wissenschaft in ihm besessen. Es war bald nur zu klar: es war gegenüber ihm ein Geschichtsirrtum begangen worden, wie er selten be gangen sein mag, ein Geschichtsirrtum, der, obwohl noch gar nicht so alt, dennoch sich über die ganze Welt verbreitet hat und heute so ziemlich von allen geglaubt wird, ein Geschichtsirrtum schließlich, der Deutschland für lange Zeit um einen bedeutenden und verdienstvollen Mann ärmer gemacht und ihm selber das schreiendste Unrecht zugefügt hat. Dieser merkwürdige Irrtum muß in der Hauptsache als die Folge eines ein zigen Werkes betrachtet werden, auf das sich seit etwa siebenzig Jahren die ganze Erkenntnis des Erfinders des Meißner Porzellans stützt, da vor dem Erscheinen desselben so gut wie alle, die über ihn berichtet haben, ihn als eine völlig andere Persönlichkeit darstellten, jakaumden mindesten Anlaß gegeben haben, daß man etwas anderes hinter ihm vermuten konnte, mit alleiniger Ausnahme des Dresdener