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seltsame Ansicht aussprach, die ostindische Kolonie müsse sich künftig, um des Porzellanhandels nicht ganz verlustig zu gehen, Sachsens annehmen und es — wohl durch Geldbeiträge — gegen äußere Feinde schützen, eine Ansicht, mit der er wohl wiederum stark an die Leichtgläubigkeit des Königs, die ihn bisher durch alle Fährnisse so glücklich gerettet hatte, appellierte, die aber auch, wie so manches andere, was Böttger später getan und geraten hat, bewies, daß seine geniale, weitschauende Erfindernatur sich auch bisweilen etwas arg ins Gebiet des Phan tastischen zu verlieren drohte. Als dann der Verkauf der angefertigten Sachen wirklich seinen Anfang nahm, richtete man naturgemäß sein erstes Augenmerk auf jene großen, allgemeinen Kaufmärkte des Jahres, die Messen, die damals in der Tat die günstigsten Verkaufs gelegenheiten darstellten, zugleich auch die Hauptmöglichkeit, etwas Neues schnell und ganz allgemein bekannt zu machen. Die wichtigsten und berühmtesten Messen dieser Art fanden damals, wie bekannt, — zum nicht geringen Vorteil für diese ganz neue Produktion Böttgers,— in Sachsen selber statt, in Leipzig, und diese Leipziger Messen, die von alters her dreimal im Jahre abgehalten zu werden pflegten, zu Neujahr, Ostern und Michaelis, sind in der Tat jahrhundertelang die Konzentra tionspunkte des deutschen Handels gewesen, die selbst für das Ausland von der größten Bedeutung waren. Zu ihnen strömten aus ganz Deutschland und dem Auslande die Kaufleute zusammen, um ihre Abrechnungen zu halten und neue Ware anzubieten oder zu kaufen. Auf ihnen aber kam durch den Frohsinn und Feste liebenden König August den Starken jetzt auch alles zusammen, was Geld und Rang hatte, um sich hier zu vergnügen. Sie waren damals zum Rendezvous platz der vornehmen Welt geworden, zu dem sich selbst die Fürsten von nah und fern mit ihrem Gefolge einfanden 244 ). Mit fieberhafter Eile hatte daher Böttger, um ja nicht die erste günstige Gelegenheit zu verlieren, sein neues Produkt abzu setzen, sobald die Manufaktur begründet worden war, die künstlerische Ausbildung desselben in die Hand genommen, so daß er tatsächlich imstande war, schon auf die im Mai stattfindende Ostermesse des Jahres 1710 Waren hinzusenden, deren Wert er auf 3857 Taler 9 Groschen taxierte, denen er aber auch zugleich einige Proben des neuerfundenen Porzellans sowie eine Schachtel mit 10 Pfund des von ihm damals bereits gewonnenen künstlichen Borax mitgab. Auch wurden ihnen Abdrücke des Manufakturpatentes in holländischer, französischer und lateinischer Sprache beigelegt. Die Waren, die aber meist nur einzelne Stücke, noch keine kompletten Service oder Garnituren waren, unter denen sich jedoch schon Stücke von ganz ungewöhnlicher Schönheit befanden, wurden in Leipzig auf der Petersstraße zum Verkauf ausgeboten. Das Direktorium selber, das ganz besonders sich der „Verdebitirung“ der BöZZgerschen Erzeugnisse annehmen sollte, war vollzählig mit zwei Kaufdienern und einem Aufwärter erschienen. Auch hatte es einige Glasschleifer mitge nommen, die jedem, was er wünschte, z. B. sein Wappen oder seinen Namenszug, sofort in das Steinzeug einschneiden sollte. Man suchte eben dem Publikum