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84 Die Steinzeugfabrik. von allen in solchen Fällen sonst üblichen Personallasten, in der Befreiung von den Zünften und in der Gewährung eigener Jurisdiktion 239 ), letzteres wohl zu dem Zwecke, daß keiner von dem Personal gezwungen werden konnte, vor fremden Gerichten auszusagen, wobei leicht irgendein Geheimnis hätte ausgeplaudert werden können. Dann aber vor allem durch ausreichende Bezahlung, die man sich be mühte, wenn es nur irgend die Umstände gestatteten, stets auch zur rechten Zeit erfolgen zu lassen 24 °). Ganz besonders aber sorgte man dafür, daß keiner, der in der Fabrik arbeitete, von der Fabrikation mehr erfuhr, als unbedingt nötig war. So hatten die Massenbereiter keine Ahnung vom Brennen, die Brenner keine von der Bereitung der Masse und alle zusammen wieder nicht von der Glasur. Trotz dem behandelte man die Massenbereiter wie auch die Brenner mit ganz besonderer Nachsicht. Sie schienen fürs Weglaufen noch immer zuviel zu wissen. Und so kam wirklich mit Aufbieten aller Kräfte und vieler Umsicht unter Böttgers eigentlicher, wenn auch nicht amtlicher Oberleitung das erste brauchbare Produkt der vielen Manufakturen, die Böttger gründete oder gründen sollte, zustande, und es galt nun dasselbe in die Welt hinauszutragen und ihr anzubieten, um nun endlich neben den vielen bisherigen Ausgaben auch Einnahmen zu haben und seine ganzen Unternehmungen auch als wirklich nutzbringend zu erweisen. Böttger scheint in dieser Beziehung, wie immer, sehr optimistisch gedacht oder jedenfalls zur Beruhigung des Königs alle Gründe hervorgesucht zu haben, die einen glänzenden Absatz seines neuen Erzeugnisses mit voller Sicherheit zu prophe zeien schienen. Vor allem scheint er hierbei etwas allgemein seine Hoffnung darauf gestützt zu haben, daß dieses „Porzellan“, schon deshalb allen anderen künst lerischen Erzeugnissen der damaligen Zeit, wie Gold- und Silberarbeiten, Lack arbeit und Samt, hinsichtlich seines Absatzes weit überlegen wäre, weil es, von dem Chinas und Japans abgesehen, in Europa gänzlich konkurrenzlos dastände, den ostasiatischen Erzeugnissen aber dadurch weit überlegen wäre, daß man seins ganz nach Belieben bestellen und, wenn es z. B. zerbrochen, sofort wieder nachverlangen könnte. Auch wäre es ja an sich ein sehr schönes Erzeugnis, das, da es am Anfang auch noch den Reiz des Neuen haben würde, und es nun einmal in der Natur des Menschen läge, durch solche Neuheit gereizt zu werden, viele zum Kaufen ver leiten würde 241 ). Schon im November des Jahres 1709 hatte daher Böttger, als die zur Untersuchung seiner Erfindungen eingesetzte Kommission zum zweiten Male zusammentrat, einen ausführlichen Bericht, betitelt „Unvorgreifliche Ge danken über meine Joh. Friedr. Böttgers theils denen Ausländern nachgeahmten, theils durch mich selbst neuerfundenen Manufakturen“ vorgelegt, in dem er sich über den Absatz seiner Erzeugnisse ausführlich verbreitet und den sichersten Erfolg in Aussicht gestellt hatte 24 *). Man erwartete damals nichts weniger als jährlich für 40 000 Taler Ware abzusetzen und dadurch gleich im ersten Jahre der Fabrikation schon alle geleistetenVorschüsse zurückerstatten zu können 243 ). Ja, Böttger verstieg sich sogar so weit — kaum sollte man dies für möglich halten! —, seinen neuen Erfindungen eine gewisse politische Macht beizulegen, indem er die