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Anlage zu Ar. 39 des sächsischen Lrzählers. Bisch-f-wertza, de« 7. April LV04. Zum Stande der Reichsfinanzreform. Der Reichstag hat an die Hauptaufgabe seiner jetzigen Session, an die Beratung der» Vorlage über die Reform der Reichsfinanzen, bis jetzt nur flüchtig Herangehen können. Sie ist von ihm bekanntlich alsbald nach Beginn der Session im vorigen Spätherbst zusammen mit dem Reichshaushaltsetat der ersten Lesung unter worfen und dann an die Budgetkommission über wiesen worden. Letztere hat aber infolge ander weitiger dringlicher Arbeiten bis jetzt noch nicht mit der Erörterung des genannten Gesetzentwurfes beginnen können, so daß dies erst nach den parla mentarischen Osterferien geschehen wird. Einst weilen sind indessen die Aussichten der »kleinen Finanzreform" noch recht unsichere, schwankende; ein bestimmterer Ausblick auf das Schicksal der Finanzresormvorlage wird wohl erst möglich sein, wenn der Reichsschatzsekretär Freiherr von Stengel die vom Zentrum geforderten Auskünfte und Be rechnungen über dies Reformwerk gegeben haben wird, denn alsdann dürften die einzelnen Reichs tagsparteien wohl oder übel genötigt sein, endgiltig Stellung in dieser Frage zu nehmen. Vorerst ist noch aus keiner Seite eine ernsthafte Neigung zur ehrenvollen Verabschiedung der .Ivx Stengel" er kennbar; der einflußreiche Finanzpolitiker des Zentrums, Abg. Müller-Fulda, dürfte in der gegenwärtigen österlichen Ferienzeit ebensowenig zu tiefgründigen Unterhandlungen in der Finanz reformangelegenheit gesonnen sein, wie die ton angebenden Persönlichkeiten der übrigen Parteien und wie die finanztechnischen Kräfte des Reichs schatzamtes und dereinzelstaatlichcn Finanzministerien. Nach dem Wiederbeginne der Reichstagsarbeiten nach Ostern wird es dann allerdings an der Zeit sein, daß die Reichstagsparteien energisch an den Versuch herantreten, das schwebende finanzpolitische Problem im Reiche zu lösen. Vielfach hört man die Mutmaßung äußern, daß die ausschlaggebende Zentrumspartei noch am ehesten erbötig sei, der Regierung ihre hülsreiche Hand zum Zustande kommen der geplanten Reform zu bieten. Nun, dann könnte man immerhin von den übrigen Parteien, soweit sie überhaupt gesonnen sein sollten, ehrlich an einer Verständigung über die Finanzresorm mitzuarbeiten, mindestens erwarten, daß sie nicht etwa der Neigung des Zentrums entgegentreten, falls es sich wirklich auf den Boden der in der »lex Stengel" vorgesehenen Grund lagen stellen wollte. Sie würden sich im Gegen teil ein Verdienst erwerben, wenn sie diese Neigung tunlichst zu fördern sich bemühten. Ein Mittel zu diesem Zweck, das nichts weniger als jesuitisch wäre, würde in dem Bemühen ihrer Finanzpolitiker zu erkennen sein, das Material, welches von der Reichsfinanzverwaltung der Budgetkommission dar gereicht wird, nicht etwa als minderwertig zu be handeln, sondern es von vornherein gegen gewisse Bestrebungen sicher zu stellen; namentlich gegen solche, die darauf ausgehen, aus den mitgeteilten Zahlen Anhaltspunkte zu gewinnen, um gegen die Notwendigkeit zu eifern, daß das Reich zur Deckung der allgemeinen Bedürfnisse unbedingt zur Er schließung neuer Einnahmequellen zu schreiten hat. Und die Lösung dieser Aufgabe darf nicht hinaus geschoben, sie muß herbeigeführt werden, so lange es Tag ist. Wer etwas anderes für richtig hält, muß begründen, warum nach seiner Meinung ge wartet werden kann, bis dem Deutschen Reiche andere Nationen noch mehr zuvorkommen, vor allem mit ihrer Ausbildung der Wehrkraft zur See. Wenn wir den Abschluß möglichst günstiger Handelsverträge erzielen, durch die wir nicht nur unsere heimische Gütererzeugung vor ruinösen Preisen zu schützen vermögen, sonoern auch unseren Export befördern, benötigen wir auch zur Sicherung des letzteren für längere Jahre derjenigen Macht mittel zur See, die um so mehr zum Schutze unserer erweiterten nationalen Arbeit daheim dienen können, je mehr sie den Flotten anderer Nationen, wenn auch noch nicht entfernt ebenbürtig werden, so doch unter Umständen die Stange zu halten vermögen. Sachsen. Bischofswerda, S. April 1904. — Vom neuen Prrsonen-Tarls. Der am 1. April d. I. in Kraft getretene neue deutsche Personen- und Grpäcktarif bringt sür Sachsen insofern «ine frhr wichtige Neuerung, als es nun mehr nicht mehr gestattet ist, wie bisher aus Rückfahrkarten dir Reise innerhalb der 45tägigen Gültigkeit anzutreten; der Antritt der Reis« muß nach den neuen Bestimmungen nunmehr spätestens an dem Tage nach der er folgten Abstempelung der Karte erfolgen; andern falls erlischt dir Gültigkeit der Karte. Dir» gilt sowohl sür einfache als auch für Rückfahrkarten. Bet den bis zum 31. März d. I. gelösten Karten behält die frühere Bestimmung noch Kraft. Die Benützung ist bet Rückfahrkarten deshalb noch an späteren Tagen gestattet. Das bei uns jetzt neu eingrführte Verfahren bestand z. B. in Preußen schon bisher. — Ausgesetzte Belohnungen. Dir säch sische Staatsbahnverwaltung gibt ihren Dienst stellen bekannt, daß die ReichS-Telegraphen-Vec- waltung für die Ermittelung vorsätzlicher oder fahrlässiger Beschädigungen usw. der ReichS-Trle- graphenstangrn usw. Belohnungen bis zur Höhe von 1b Mark in jedem Etnzrlsalle dann gewährt, wenn es gelingt, die Täter zum Ersatz oder zur Strafe zu ziehen, oder wenn die Täter zwar ermittelt worden sind, aber wegen jugend lichen Alter-, mangelnder Zurechnungsfähigkeit oder sonstiger persönlicher Gründe gesetzlich nicht haben bestraft oder ersatzpflichtig gemacht werden können. Belohnungen werden auch dann bewilligt, wenn die Beschädigungen usw. noch nicht wirklich auSgrsührt, sondern durch rechtzeitiges Einschreiten der zu belohnenden Personen verhindert worden sind, der gegen die Telegraphen-Anlagen uf». verübte Unfug aber soweit feststeht, daß die Schuldigen bestraft werden können. — Zur Nachahmung empfohlen. Die Erste Kulmbacher Aktien-Exportbirr- Brauerei hat durch ihren Aussichtsrat beschlossen, zur Unterstützung der Bestrebungen des All gemeinen Deutschen SchulvereinS vom 1. April d. I. ab und zunächst jedenfalls auf 3 Jahre, einen Beitrag von jährlich 1000 Mk zu gewähren. Bet Festsetzung dieser Summe ist die Umsatzziffer des von der Firma versandten „Wonnebräut" zu gründe gelegt. Für den Fall, daß diese Ziffer sich erhöht, hat der AufstchtSrat ein Hundertteil des MehrertrageS ebenfalls für die Unterstützung der SchulverrinSarbeit bestimmt. — Da« Königreich Sachsen hatte im Jahre 1903 aus 11,000 feststehende Kessel nicht eine Kesselrxploston zu verzeichnen. Da« dürste einmal auf die gute und solide Konstruktion zurückzusühren sein, vor allem aber ist es ein Beweis dafür, daß daS dir Kessel bedienende Personal gut geschult und zuverläisig ist. f GetßmannSdorf. (Fortsetzung.) Wie sorgt man für die Zukunft?! Wie schon die ersten beiden Artikel bekunden, ist in dem Invaliden- und AlterSrentengesetze der Freiwilligkeit rin weiter Spielraum gewährt. Freiwillig kann sich der Arbeiter in einer höheren Klasse versichern; frei- willig kann sodann der, der im Dienste gestanden und 100 Wochenbelträge geleistet hat, seine Ver sicherung fortsetzen, wenn er inzwischen auS dem Dienstverhältnis ausgrschieden ist. 1. freiwillige Höhervrrsicherung, 2. freiwillige Welterverstcherung in jeder beliebigen Klaffe. Eine 3. Freiwilligkeit ist die freiwillige Selb st Versicherung. Auch der selbständige kleine Landwirt oder Handwerker kann Einzahlungen in die Versicherung machen, doch nur dann, wenn er nicht mehr als 2 Dienst boten oder Gehilfen beschäftigt und wenn er nicht über 40 Jahre alt ist. Freilich erlangt er den Anspruch auf Rente nicht schon mit 200, sondern erst mit 500 Wochenbeiträgrn; wird er eher invalid, so bekommt er keine Rente. Altersrente bekommt er auch erst, wenn er 1200 Wochen beiträge gesteuert hat und 70 Jahr alt ist. — Keine sonstige Versicherungsgesellschaft bietet sür «o geringe Beiträge so Hohr Rente als die Reichs- invaltdrnanstalt. — Wer sich selbst versichern will, der hat nicht die Marken auf gelbe, sondern auf graue Karten zu kleben und hat die Karte vom Gemrindrvorstande zu beanspruchen, nicht vom Kassierer der Jnvalidenkaffe. Dir Selbstversicherung kann in jeder beliebigen Klaffe vorgrnommen werden. Die Marken kann er von der Post kaufen. Walddors. Ein Herzschlag hat am Mitt woch nachmittag den Kottmarbergwirt Herrn Clemens Feurich dahingerafft. Er war im Be griff nach dem Berge zu gehen, um für die Feier tage Anordnungen zu treffen, wurde aber unter wegs von Unwohlsein befallen, was ihn veranlaßte, nach seiner Wohnung zurückzukehren, wo er als bald verschied. DaS Bergrrstaurant ist von ihm 1882 srlbsterbaut und wurde seitdem von ihm bewirtschaftet. Dresden. Der in der Angelegenheit der Prinzessin Luise vielgenannte Kriminal- kommtssar Schwarz hat am 31. März seine Dienststellung oufgegeben. Er ist wieder Gast wirt geworden, was er früher war. Schwarz war bekanntlich zur Beobachtung der Prinzessin nach Genf gesandt worden. — Tin größerer Brand wütete in vergangener Nacht in Prohlis in der Dampstischlerri von Hegewald. ES brannte der Dachstuhl des Fabrikgebäudes ab. Leipzig. Am 1. April sind die drei ärzt lichen BeratungSanstalten der Leipziger Orts krankenkasse ins Leben getreten; rS kamen zu nächst nur wenige Patienten, sich behandeln zu lassen. Diese BeratungSanstalten werden von früh 8 Uhr bis abends 9 Uhr ununterbrochen ge öffnet sein. Ebenfalls sind am Freitag sämtliche von der Ortskrankenkasse engagierte 75 auswärtige Aerzte in Tätigkeit getreten. Die gesamten Neu einrichtungen werden zunächst einen Monat funktionieren, um zu erkennen, ob sie genügen oder ob sie erweitert brzw. verbessert werden müssen. Die Kretshauptmannschaft hat neue Bergleichsvorschläge gemacht: neben den bereits angrstelltrn Distriktsärzten freie Zulassung der übrigen Aerzte und Bezahlung nach der Minimaltoxe; keine weiteren Anwerbungen aus wärtiger Aerzte. Die ärztlichen BeztrkSvrrrine haben indessen abgelehnt, da sie aus unverzüglicher Aufhebung der BeratungSanstalten und Lösung der Kontrakte mit den DistriktSärzten bestehen. Der Bruch ist also endgültig und unheilbar. Leipzig, 1. April. (Krankenkassenkonflikt.) Mit dem heutigen Tage ist daS Distriktsarzt- fystem bet der Ortskrankenkasse in Funktion ge treten. Damit wird die Erwerbstätigkeit fast aller bisherigen Kassenärzte — eS waren deren 250 — in der empfindlichsten Weise eingeschränkt. Namentlich Aerzte, die in Bezirken mit vorwiegend der Ortskrankenkasse angrhörrndrn Bevölkerungs schichten praktizierten, liegen Io gut wie brach und sehen sich in ihrer wirtschaftlichen Existenz aus» rrnstlichste bedroht. In mancher ärztlichen Familie wird die Not etnkehren und Katastrophen dürften nichtauSbletben.—Der Kassenbezirk ist in39 Distrikte eingeteilt, in denen 50 DistriktSärzte tätig sind. Die drei BeratungSanstalten sind mit 12 Aerzten besetzt; außerdem sind noch einige Spezialärzte und eine größere Anzahl Kassenärzte engagiert. Vielfach wird bezweifelt, zumal die Königlichen Kliniken ihre Verträge mit der Kasse gekündigt haben, ob sämtliche Kassenpatienten hinreichend mit ärztlicher Hilfe versorgt werden können. Man weist unter anderem darauf hin, daß bet der außerordentlich großen Ktnderproxis in den Vor orten, auch Kinder besucht werden müssen, die nicht schwerkrank sind. Auf einen Besuch bei einem Kassknmitglied seien mindestens drei Besuche bet Angehörigen zu rechnen. Seien also 300 Kassenmitglieder bettlägerig, wa» bet einer Ge samtzahl von 350,000 Mitgliedern nicht zu hoch gegriffen ist, so seien nicht 300, sondern etwa 1200 Besuche täglich zu machen. Leipzig. In Sachen de» Streite» zwischen Aerzten und. Ortskrankenkasse ist zu melden, daß auch während der beiden Osterfetrrtage neu engagierte Aerzte der Ortskrankenkasse hier zugr- zogen sind, so daß deren Zahl beträchtlich wächst. Anderseits erhalten die Aerzte au» allen Teilen de» Reiche» von ihren Kollegen Zustimmungs erklärungen zu ihrem Vorgehen gegen die Orts krankenkasse. In den beiden amtlichen Organen der Regierung, dem „Dresdn. Journ." und der »Leipz. Ztg." sind dagegen Erklärungen erschienen, wonach die Königl. sächs. Regierung den von Herrn KrrtShauptmann vr. v. Ehren stein einge nommenen Standpunkt billigt. Jeder, der die Verhältnisse kennt und sich Unparteilichkeit gewahrt hat, weiß, daß Herr Kreishauptmann vr. v. Ehren stein in aller Interesse objektiv gehandelt hat. Unter einem Monat ist keine Entscheidung in dem schweren Kampfe zu erwarten. Leipzig. (Zum Streit der Aerzte mit den Kranken kaff en.) Der Kampf zwischen der Ortskrankenkasse und den Aerzten hat dadurch besonder« an Schärfe zugenommrn, daß nicht bloß die bisherigen Kassenärzte die Behandlung der Kassenmitgllrdrr, mit Ausnahme einmaliger Hilfe in dringenden Fällen, verweigern, daß sich vielmehr sämtliche Leipziger Aerzte, also auch diejenige», welche mit der Kasse in keinem Verhältnis gestände», ehrenwürtlich zu vergleichen Zurückhaltung ver pflichtet haben. Die einmalige Hilf« wird unent geltlich geleistet, «eiter ab» selbst gegen eigen« Bezahlung der Patienten abgrlrhnt. Der Zadrau»