IX. DIE LANDESHERRSCHAFT DER HERREN VON SCHÖNBURG IM RAHMEN DER DEUTSCHEN VERFASSUNGSGESCHICHTE Nach dem bisher Dargelegten kann in keiner Weise be zweifelt werden, daß die Herren von Schönburg wirkliche Landesherrschaft ausgeübt haben, die sie freilich auf die Dauer nicht festzuhalten vermochten. Aber gerade die Vor gänge bei ihrem Verlust unterstreichen die Tatsache des Be sitzes. Andererseits ist völlig deutlich geworden, daß die Herrschaft Schönburg es niemals zum Staat im modernen Sinne gebracht hat, zum Staat, dessen verfassungsgeschicht liche Ausformung in Deutschland in einem langen und kom plizierten Prozeß bekanntlich nicht im Reiche, sondern in den Territorien sich vollzog. Die Entwicklung der Landes herrschaft zu voller Staatlichkeit, wie sie im mitteldeutschen Osten in erster Linie und am frühesten in den wettinischen Landen erkennbar ist, fand hier nicht statt. Ein älterer, oder wenn man will, ein veralteter Zustand der territorialen Ver fassung, dessen Blütezeit in relativ quellenarme Jahrhunderte fällt, wurde bis in eine Zeit hinein bewahrt, deren breite Hinterlassenschaft an Quellen es dem Historiker ermöglicht, in bezeichnende Einzelzüge und Verästelungen einer alter tümlichen Herrschaftsform einzudringen, die anderwärts mit Mühe rekonstruiert werden müssen. Denn diese Herrschafts form wurde zumeist frühzeitig von Bildungen umfassender Art aufgesogen und konnte sich daher nicht in der ihr eigen tümlichen Art entfalten; sie erfuhr vielmehr mannigfaltige Umgestaltung, wurde von komplizierten Neubildungen über deckt oder verschwand überhaupt. Auch sonst hat sie sich natürlich stellenweise erhalten, vor allem im deutschen Westen, vielleicht sogar öfter als man zunächst annimmt. Denn die Gebilde, an denen sie erkennbar wird, galten wegen ihrer Kleinheit den meisten als zu unwichtig für eindringende 11 Schlesinger, Landesherrschaft