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wurden. War die gesetzgeberischen Aufgaben der ersten Session de» neugewähllcn Landtage« anbelangt, so kann man von ihnen nicht behaupten, daß sie in dem einen oder dem anderen Punkte von außerordentlicher Wichtigkeit seien. Bielleicht ist aber trotzdem gerade diese Tagung dazu berufen, von besonderer politischer Bedeutung zu werden. Die Action der sozialdemo kratischen Fraktion in Betreff de» allgemeinen und gleichen Wahlrecht» für die Landtagswahlen hat ja die Wahlresorm- frage mit einem Male aus » Tapet gebracht, freilich dürste sie aber einen AuSgang nehmen, der zu den Wünschen der Herren „Volksbeglücker" durchaus im Gegensatz stehen würde, wenigsten» ist aller Grund zu der Annahme vorhanden, daß da» conscrvativerscit» angeregte Classenwahlsystem schließlich eine bedeutende Mehrheit findet. Auch eine Reichstags-Ersatzwahl zeitigte da» Jahr 1805 für Sachsen. Sie war durch die Mandaisniedcrlegung de» zur deutsch-sozialen Partei gehörigen Abgeordneten Häni chen, de» Vertreter« sür Dre»den-Land, nothwendig ge worden. Leider hatte die Ersatzwahl den Verlust diese« wich tigen industriellen Wahlkreise« an die Sozialdemokratie zur Folge, aber die» nur, weil die Conservativen u. die »Reformer" getrennt vorgegangen waren. «Schluß solgt.) Tagesgeschichte. — Deutschland. DieBevölkerungSzahlDeutsch lands nach der letzten Zählung am 14. Juni (also der Be rufszählung) beträgt 5i,7o8,364, darunter 25,405,035 männliche und 26,352,430 weibliche. Die BevölkcrungSzu- nahme seit dem I. Dezember 1860 hat also betragen 2,320,804 Köpfe oder durchschnittlich jährlich >0,n ausS Tausend. Für das Königreich Preußen allein ergiebt sich eine Bevölkerungs zunahme von 10,m aufs Tausend, für Bayern von 6,-», Sach sen >5,», Württemberg 3,7«, Baden 7,-i, Hessen 8,n>, Meck lenburg-Schwerin I0,->,'Sachsen - Weimar 8,«-, Mcck- lenburg-Slrelitz 11,«», Oldenburg 8,»s, Braunschweig l6,->, Meiningen 8,«n, Altenburg 0,»o, Koburg Gotha 11,5», Anhalt 15,ss, Sondershausen 5,.>», Rudolstadt 0,i>, Waldeck 14,«,, Reuß ä. L. 13,s!, Reuß j. L. 16,««, Schaumburg 10,««, Lübeck 17,«s, Bremen I3,n, Hamburg 13,:», Elsaß-Lothringcn 2,«». Eine Abnahme zeigt nur das Fürstcnthum Lippe mit 8,:» auf» Tausend. Die Abnahme aber hängt offenbar mit der Ab wesenheit der Ziegelbrenner im Sommer zusammen. — Bremen. Der Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd „Spree" ist Sonntag "Nachmittag gegen 2 Uhr wieder flott geworden und setzte die Reise nach Southampton mit eigenen Maschinen fort. Das Aufläufen wurde ausschließlich durch ein Versehen des Lootsen verursacht, nicht, wie von eng lischer Seite gemeldet wurde, durch die irrthümliche Ausführ ung seine« Kommandos. Ein weitere« Telegramm meldet, daß die „Spree" unter eigenem Dampf und unter Hilfe von Bugstrdampfcrn am 23. in Southampton einlief. Die Offi ziere der „Spree" glauben, daß das Schiff unbeschädigt ist. — Uebcr den Unfall, der den nun glücklich wieder flott ge wordenen Schnelldampfer „Spree" betroffen hat, werden jetzt noch einige interessante Einzelheiten gemeldet: Als der Dampfer im Solcnt bei Needlc« strandete, herrschte nur wenig Nebel. Der Dampfer segelte in der Mitte de« Kanals in etwa« öst licher Richtung, al« da» Schiss plötzlich au« seinen, Kurs kau,. Der Bug rannte gegen einen im Wasser verborgenen Felsen. Ein furchtbarer Krach entstand, als ob der Kiel geborsten sei. Die Ebbe hatte schon zur Zeit de« Unfälle« begonnen und nahm wegen de» herrschenden Ostwindes rasch zu. Der Kapi tän befand sich zur Zeit auf Deck und versuchte sein Beste», sein Schiff flott zu bekommen. Es wurde Gegendampf ge geben. Die Schraube arbeitete mit voller Kraft, aber ver geben«. Al« die Ebbe eingetretcn war, saß die „Spree" ganz fest, aber nur mit dem vierten Theil der Schiffslänge. Jetzt, nachdem dieser Unfall, der einige Tage hindurch die Kcmüther mit ängstlicher Besorgniß erfüllte, einen glücklichen Verlauf genommen hat, darf man sich nicht verhehlen, daß die Si tuation immerhin eine kritische war. Ein plötzlicher Sturm oder irgend welche auf See stet« unberechenbare Zufälle haben schon, wie die Statistik der Schiffskatastrophen genugsam lehrt, eine anfänglich durchaus ungefährliche Situation in ein folgenschweres Unglück umgewandelt. Ein solcher Fall ist glücklicherweise hier nicht cingctreten. Nicht das kleinste Ver dienst hierbei hat der wackere Kapitän und die trefflich dis- ziplinirte Mannschaft der „Spree". — Rußland. Sämmtlichc berittenen russischen Grenzsoldaten sind für Beginn de« Winter« mit La ternen ausgerüstet, welche zum Patrouillcnrilt in der Nacht unter dem Steigbügel geschnallt, da« Gelände vor und unter dem Pferd auf einige Quadratmeter vollständig beleuchten, so daß die Fußspuren etwaiger Schmuggler im Schnee sofort zu erkennen sind und schleunigst verfolgt werden können. ES ist die« die gefährlichste Zeit sür die Schmuggler, da dann die Grenzsoldaten auch trotz der größten Geschenke keinen von ihnen durchlassen, weil die Fußspuren den Vorgesetzten alle« verrathen. Verschiedentlich haben Schmuggler für die Schnee zeit sich verkehrtes Schuhwerk, mit den Absätzen unter den Zehen, zu ihren Gängen machen lassen, um die Wache täuschen zu können. Locale und sächsische Nachrichten. — Stützengrün. In der hiesigen Brauerei hatte eine au« Baiern gebürtige, dort bedienstete Magd am heiligen Abende vor Weihnachten heimlich geboren. Dieselbe hatte da« hilflose Wesen in einen gefüllten Wassereimer fallen lassen, wodurch der Tod cintrat. Darauf hat sie dasselbe in der Kesselfeuerung verborgen, wahrscheinlich um e« später zu ver brennen. Nach der That ist dieselbe, ohne sich da« Geringste merken zu lassen, ihrer Arbeit im Kuhstall nachgcgangcn, ist aber dort ohnmächtig zusammengebrochen. Vorläufig mußte die Magd in Pflege gegeben werden. — Dre« den, 23. Dczbr. Die beiden Weihnachtsstollen, welche die Dresdner Bäckerinnung am 2. Feiertage Ihren Majestäten dem König und der Königin im Residenzschloß zu Dresden durch eine Meister- und Gesellen-Deputation überreichen ließ, halten je eine Länge von ca. 1'/, Meter und eine Breite von Meter. Gebacken wurden.diese Stollen bei dem königl. Hofbäcker Joseph HauSwald, welcher auch die Ansprache an da» KönigSpaar zu halten hatte. — Dresden. Der steckbrieflich verfolgte Mörder de« Oberpostsecretär'S Kretschmar, Maiwald, ist in Bock witz bei Liegnitz festgenonimen worden. Alle anderen Gerüchte, daß er im Lößnitzgrunde, in Plauen, Laubegast usw. verhaftet worden sei, sind in das Gebiet der Fabel zu verweisen. Da er nach seiner Flucht au- Moritzburg offenbar ohne Geld mittel war, so stand zu erwarten, daß er bald neue Verbrechen verüben würde, glücklicher Weise scheint bisher etwa« derartige« nicht vorgekommen zu sein. E« war nicht unwahrscheinlich, daß er die hiesige Gegend wieder verlassen und sich nach Schlesien, seiner Heimath, wenden würde. Ferner ist da« Gerücht falsch, der in Moritzburg von Maiwald angefallene und gestochene DistriktSgendarm sei gestorben. Dieser Be amte sieht vielmehr seiner vollständigen Genesung entgegen. — Riesa. Eine« empörenden Angriffe« auf sei- ncn Vater, in dessen Geschäft er thätig war, hat sich ein hiesiger junger, etwa 20jähriger Kaufmann vor einigen Tagen zu Schulden kommen lassen. Au« ganz nichtiger Ursache, bei der noch dazu da« volle Recht auf Seiten de« Vater« war, ist der letztere von dem hoffnungsvollen Burschen gepackt und derart schwer verletzt worden, daß sofort ärztliche Hilfe herbci- gezogen werden mußte und der bedauernSwerthc allgemein geachtete Herr schwer darnieder liegt. Der junge Wütherich wurde von au« dem Hause und der Nachbarschaft herbeigeeilten Herren überwältigt und gebunden und darauf verhaftet. — Wilkau. Am vergangenen Sonntag hätte eine Hochzeitsgesellschaft sehr leicht zu Schaden kommen können. Al« der Bräutigam sowie der Kutscher den Hoch zeitswagen verlassen hatten, gingen die Pferde durch. Der Kutscher sprang sofort nach und holte in einer Entfernung von 100 Metern die Pferde wieder ein, drehte da« Geschirr um, wobei die Pferde wieder durchgingen. Herr Gorlverlcger Schmidt, der die« sah, sprang au« dem Fenster seiner Wohnung, warf sich den Pferden entgegen und brachte sie zum Stehen, Die drei Insassen, die Braut und zwei Personen, kamen mit dem Schrecken davon. — Beim Herannahen de« Jahreswechsel« wird daraus aufmerksam gemacht, daß e« sich dringend empfiehlt, den Einkauf von Freimarken zur Frankirung der Neujahr«bricfe nicht bi« zum 3 l. Dezember zu verschie ben, sondern schon einige Tage vorher zu bewirken, damit zur Zeit de« NeujahrSverkehr« Erschwernisse an den Postschaltern möglichst vermieden werden. Ebenso liegk e« im eigenen Interesse der Absender, daß mit der Auslieferung der NeujahrSbriefc, insbesondere der nach entfernten Orten bestimmten, frühzeitig begonnen und damit nicht bis zum letzten Dezember gewartet wird. Damit bei dem zum Jahreswechsel beträchtlich gesteigerten Briefverkehr die Briesbestellung in den größeren Städten ordnungsmäßig durchgesührt werden kann, ist e« in noch höherem Grade al« zu gewöhnlichen Zeiten erforderlich, daß in den Aufschriften der Briese die Angabe der Wohnung de« Em pfänger« recht genau erfolge, unter Bezeichnung von Straße, Hausnummer und Stockwerk zc. Wird diesem Erforderniß nicht genügt, so haben die Absender die daraus entstehenden Verzögerungen in der Bestellung der Sendungen sich lediglich selbst zuzuschreiben. A«S vergangener Zeit — für unsere Zeit. 133. Depesche vom Kriegsschauplatz. Versailles, den 28. Dezember. Vom Mont Avron wurde das Feuer unserer Belagerungs-Artillerie heute nicht erwidert. Es feuerten nur die Forts. — Am 26. erreichte die erste Armee in Verfolgung des Feindes die Gegend von Bapaume. Die Zahl der Gefangenen hat sich noch vermehrt, v. Podbielski. 134. Depesche. Versailles, den 29. Dezember. Der Königin Augusta in Berlin Unsere Beschießung des befestigten Mont Avron am 27. aus 76 Geschützen hat die feindlichen Geschütze für gestern und heute zum Schweigen gebracht. Wilhelm. Versailles, den 29. Dezember. Am 27. hatte Oberstlieutenant von Boltenstern mit 6 Compagnien, 1 Escadron und 2 Geschützen ein lebhaftes Gefecht zwischen Montoire und La Chartre. Der Feind um faßte schließlich das Detachement. Oberstlieutenant von Boltenstern schlug sich jedoch durch, brachte, bei einem eigenen Verlust von etwa 100 Mann, noch 10 Offiziere und 230 Mann des Feindes als Gefangene zurück. — Am 23. gelang es der Belagerungs-Artillerie auf der Ost front von Paris, nachdem der Mont Avron am 2?. zum Schweigen ge bracht war, den Bahnhof von Noissy le sec wirksam zu beschießen und die in Bondy cantonircnde feindliche Artillerie zu vertreiben. Diesseits 3 Mann Verlust. — Am 29. wurde durch Abteilungen des 12. (Sächsi schen) Armee-Corps der Mont Avron besetzt; viele Lasteten, Gewehre, Munition und Todte des Feindes wurden daselbst vorgefunden; feind liche Abtheilungen, welche sich noch außerhalb der Forts befanden, zogen sich nach Paris zurück. Diesseits kein Verlust. Von der Nord-Armee wird gemeldet, daß am 27. die Festung Pöronne nach mehreren Gefech ten cernirt worden sei. Die Verfolgung der Nord-Armee wird weiter fortgesetzt, v. Podbielski. 135. Depesche. Albert, den 30. Dezember. Am 28. hat Oberstlieutenant Pestel von den Ulanen mit einer fliegenden Colonne von 3 Compagnien und 3 Escadrons bei Longpre 3 Bataillone Mobilgarden geschlagen und ihnen 3 Fahnen, 10 Offiziere und 230 Mann abgenommen. Diesseits 6 Mann verwundet, v. Sperling. Versailles, den 30. Dezember. Vor Paris wurden am 30. auf dem eroberten Mont Avron große Masten Artillerie-Munition vor gefunden und 2 Vierundzwanzigpfünder vernagelt. 2 Compagnien drangen bis Dorf Rosny vor. Diesseits 1 Mann verwundet. v. Podbielski. Aus dem Aeldzuge 187V 71. Novelle von Alfred Steffen». (Schluß.) 10. Der Landrath saß in einem Soraenstuhl und blickte nach denklich in das Licht einer herrlichen Krystall-Lampc, die ihren Schein durch da« ganze Zimmer sandte. Unweit von ihm hatte seine Gattin an einem Tische Platz gefunden und beschäftigte sich mit einer leichten Hand arbeit. Plötzlich blickte sic aus. „Väterchen," begann sie schmeichelnd, „willst Du Dir nicht eine Pfeife anrauchen?" Ich denke immer, Du seiest krank, wenn Du so still dasitzcst und nicht einmal rauchst." „Ich bin auch krank! Krank an Körper und Geist," brummte der alte Herr. Die Pfeife schmeckt mir nicht, mit jedem Zuge alhme ich gleichsam Gift ein. Nein, lasse mich nur sitzen, Mutter, und härme Dich nicht um mich; da ist noch da« einzige, wa« ich wünsche, mir wird nicht mehr wohl." Die alte Dame erhob sich, ging zu ihrem Gatten, um schlang und liebkoste ihn. Der Baron brachte ein paar unverständliche Töne hervor, er wurde weich und wollte die« verbergen. „Lasse mich, Mutter!" rief er halb rauh, um die Gattin zu täuschen. „Wozu quälst Du mich noch mehr?" Sie seufzte: „Ach, guter Mann, ich traurc ja, wie Du!" Da trat leist ein Diener ein. „Sin Telegramm, Herr Baron," meldete er. „Ein Telegramm?" wiederholte der alte Herr. „Von wo?" Der Diener überreichte statt aller Antwort die Depesche. Der Postbote wartete draußen. Jetzt ging der Landrath zum Lichte, öffnete da« Kouvert und begann zu lesen. Aber nur wenige Sekunden blieb der Landrath ruhig; dann entfiel da« Papier seinen Händen. „Mutter!" rief er. Und in diesem einen Wort drückte sich eine Welt voll Schmer zen und Freuden au«. Zitternd blickte seine Gattin zu ihm hinüber. „Er ist nicht todt, er lebt! Ich glaube, er ist in Berlin!" fuhr der Landralh fort. „Wer? Um Golterwillen, sprich! Wer lebt?" fragte die Baronin. „Nun, wer anders als Erich! Da lies doch!" Und er reichte der Gattin da« Papier, da» der Diener schnell wieder aufgehoben hatte. Aber ein Beben hatte die Glieder de« alten Manne- ergriffen, daß er sich, völlig erschöpft, in den nächsten Sessel niederlassen mußte. Die Baronin verschlang die wenigen Worte der Depesche, dann entfuhr auch ihrem Munde ein Schrei. Sie fiel in die Arme ihre« Manne». Dieser brummte ganz ungereimte Worte vor sich hin. Eine geraume Zeit verging, bevor die alten Leute auch nur ein wenig wieder zu sich kamen. Dann sagte der Land rath: „Mir ist, al« träumte ich. Was werden die nächsten Stunden bringen?" „Lasse un« nach Berlin fahren!" bat seine Gattin, „da mit wir Gewißheit erhalten, was da« Telegramm zu bedeuten hat. O Gott, wenn er nur ein Scherz wäre?" „Scherz wäre?" knurrte der Landrath. „Der Teßler scherzt nicht! Aber ich wollte e« ihm auch nicht rathen. — Wilhelm! — Schnell die vier Rappen vor den alten Kutsch wagen spannen lassen, der ist am bequemsten. In spätesten» zehn Minuten wollen wir cinsteigen." Der Diener verschwand. „O, wie ist mir doch zu Muthe!" seufzte jetzt die Ba ronin. „Mann, hältst Du c« für möglich, daß Erich lebt und zur Zeit in Berlin verweilt?" „Warum nicht?" erwiderte der Landrath. „Im Kriege ist alles möglich." — Aber die Stimme de« alten Herrn klang unsicher bei diesen Worten; ihm erging e« nicht besser wie seiner Gattin, sein Herz war plötzlich zu neuer Hoffnung angeregt, und doch zitterte er vor unsäglicher Furcht, daß er in den nächsten Stunden schon auf« schrecklichste enttäuscht werden könne. Bald waren nun die Herrschaften unterwegs. ES war ein dunkler Abend, die achte Stunde konnte nicht mehr fern sein; aber die vier flüchtigen Rappen jagten die chaussirte Straße nach Berlin mit einer Eile entlang, als müßten sie in jeder Viertelstunde eine Meile zurücklegen. Eben verkündeten die Thurmuhren die Mitternacht, al« die wildschnaufendcn Rosse de« Barons vor dem Hause de« Restaurateurs Teßler hielten. Zwei Leute de« Restaurateurs eilten aus den Wagen zu und öffneten den Schlag. Herr Teßler folgte. Kaum hatte der Landrath diesem in da« freudestrahlende Antlitz geblickt, so rief er: „Aber bester Freund, so sagen Sie mir nur erst, wa« ist denn loS?" „Gleich, lieber Baron! Guten Abend, gnädige Frau! O wie freue ich mich, daß Sie gekommen sind, und wie glück lich machen Sie damit unsere Kinder!" „Unsere Kinder?" „Jawohl, wir haben jetzt deren wieder zwei. O kommen Sie doch nur, damit Sie sehen. Und seien Sie nicht böse, wenn die Wicdervereinten Sie nicht schon vor der Thür empfangen: sie ahnen nicht, daß Sic schon hier sind." Boll größter Erwartung, und doch wie im Traum, sich und den eigenen Sinnen nicht trauend, ließen sich die alten Leute zu den oberen Räumen de« Restaurateurs hinaufge leiten. Noch einige Sekunden, und sic standen in dem heller leuchteten Salon. ES erfolgten die Rufe der höchsten Ueber- raschung, und die Eltern lagen in den Armen ihre« Sohne«, wobei der Landrath zugleich die beiden Neffen verwundert musterte. O wie lange Zeit verstrich, bevor nur einigermaßen wieder Ruhe eintrat und die Wiedervereinlen sich für Augen blicke losließen. Und dann ging e« an ein Fragen und Er zählen. Erich berichtete getreu: wie er sich unfern von Bilette an einem Weiler hingelegt habe, um in aller Stille an BaleSka zu schreiben, aber eingeschlafen sei; wie er darauf überfallen und derart zugerichtet worden, daß ihn ein Starrkrampf ge fangen genommen, der ihn stundenlang einem Todten ähnlich gemacht. — Al« er erwacht, habe der alte Chirurg neben ihm gekniet und seine Schläfe cingerieben, ihm sodann aber den kräftigsten Beistand geleistet. So fuhr er fort, seine Begebnisse, die un« ja bereit bekannt sind, zu schildern, bi« zu seiner Ankunft in Berlin. „Aber warum hast Du keine Zeile an un« gerichtet?" fragte die Mutter vorwurfsvoll. „Welchen entsetzlichen Kummer hättest Du un« durch die kleinstE^iachricht erspart!" „O," erwiderte Erich, „ich schwebte lange am Rande de« Grabes, wochenlang war ich unfähig, logisch zu denken; jede Mittheilung wäre auch einer Todesnachricht gleich ge kommen. Und dann — — —, Ihr seht, wie leidend ich heute noch bin, selbst jetzt würde mir da» Schreiben noch große Mühe machen." „ES ist gut, mein theurer Sohn, daß Du den Wunden nicht erlegen bist; ich hätte Dir da« nie verziehen und war Dir sehr böse, seit ich die Todesnachricht erhielt. Der Hallach darf mir nicht wieder kommen: ich glaube sicher, er wollte nur die Valeska erobern." Der Hauptmann war gerührt von der unendlichen Liebe de« Vater«. Ueberzeugcnd erwiderte er: „Nein, Du irrst! Hallach ist ein edler Mensch, und wenn er BaleSka zu seiner Frau machen wollte, so hatte er dabei gewiß die besten Ab sichten." „Nun, meinetwegen. Doch e« ist gut, daß Du sie be kommst." — Wie viel Glück war jetzt mit einem Male in da« Hau« de» Restaurateur« gezogen. Während der ganzen Nacht dachte Niemand daran, die Ruhe zu suchen, da« innigste Band