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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 17.10.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189510170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18951017
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18951017
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-10
- Tag 1895-10-17
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Monat
1895-10
-
Jahr
1895
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'n Radcbcrg verübt wurtk. Der Thäter wurde damals er langt und rerbüßt ;. Z. noch eine fünfjährige Zuchthausstrafe. Die von ihm gestohlenen Uhren :c. konnten damals jedoch nur z. Theil erlangt werden und sind nur erst dnrch Zufall wieder zum Borschcin gekommen. Sie dürsten freilich durch das lagern i» jener Schleuse nahezu werlhloS geworden fein. — Zwickau, Il>. Oktober. Vorgestern Abend '/,ll Uhr wurde auf der Eiscnbahnslrecke Wilkau-Culitzsch ein schwerer Vahnsrcvcl verübt. Der Zug mußte an 5 Stellen halten, damit die gefahrbringenden Hindernisse, Steinblöckc und ein Baumstamm, beseitigt werden konnten. — Zwickau. Um das Jahr 1700 hielt man aus unseren Jahrmärkten noch ernstlich auf die Schuh- Schau und behielt mangelhaftes Schuhwcrk, das zum Ver kaufe ausgestellt wurde, zurück. So war cS auf dem Glauchauer Hcrbstmarklc 1600 den Zwickauer Schuhmachern gegangen und letztere verklagten deshalb die Innungen zu Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein und Hohenstein. Die Sache ging nach Dresden und da« AppellationSgericht entschied dahin: ..cS sei allerdings die im Schönburgischen cingeführte Schau fremder Schuhe beizubehalten, doch sollten die Herren von Schönburg die Schuhmacher dahin anhalten, daß sie die mangelhafte Arbeit nicht nach eignem Ermessen schlechthin wegnähmen, sondern vorerst der Obrigkeit zur Bestrafung anzeigten und für diesmal den Zwickauischcn noch ihre Schuhe zurückgeben." — Auerbach. In der Nacht zum Sonntag ist hier ein höchst rassinirtcr Diebstahl verübt worden. Aus der ouf dem sogen. Hainberge gelegenen Scheune de« Hrn. Fleischer meister Heim. Pilz hier ist nach vorherigem gewallsamen Aus sprengen derselben au« einer Heerde ein lebendes Schaf ge stohlen worden. Dasselbe ist sodann aus einem ungefähr LOO Schritte abseits von der Scheune gelegenen Wiesengrundnück des Bestohlenen geschlachtet und ausgeweidet worden. Hierbei scheint das Thier arg gequält worden zu sein; denn der Kopf, welchen die Diebe mit dem Fell am AbschlachtungSorte hatten liegen lassen, war erheblich verstümmelt. Möge eS doch ge lingen, die Diebe zu ermitteln. — Zschopau. Durch die Unachtsamkeit eines Gcschirrführcrs hätte am Sonnabend Abend ein recht schwere» Unglück entstehen können. Zwei Geschirre der hiesigen Winklcr'schen Lehnmühle fuhren gegen 10 Uhr am Wilisch- thale entlang ihrem Heim zu. Beide Geschirre waren am genannten Tage frühzeitig von hier abgefahren und auf dem Heimwege benutzten die Geschirrführer, wie wohl fast alle ihrer Berufsgenossen, die „Schoßkelle" al» Ruheplatz. Wäh rend nun das erstere mit drei Pferden bespannte Geschirr den Straßcnübcrgang hinter dem hiesigen Bahnhose passirt und ruhig seinen Weg nach den, Marktplätze anstatt in die Mühle nimmt, fährt das letztere mit zwei Pferden bespannte Geschirr auf dem Bahnglcise dem Bahnhosc zu. Nach kaum k>0 m glücklicher Fahrt stürzten jedoch beide Pferde mit sannnt dem Wagen in ein zum Reinigen der Lokomotive bestimmtes, etwa 6 in langes und 1in tiefes Loch, sogenannte Aschen grube. Bahnbeamte, auch ter sofort benachrichtigte Besitzer der Pferde und Arbeiter desselben eilten herbei, nm die ver unglückten Thiere, die aus dem Rücken lagen, aus ihrer ge fährlichen Lage zu befreien. Seile und anderes Material wurden herbcigcschasft und nach nahezu zweistündiger ange strengtester Arbeit befanden sich beide Pferde wieder aus ebener Erde. Leider war da» eine, zuunterst gelegene Thier nicht im Stande zu laufen, eS mußte auf einem Wagen nach seinem Stalle gebracht werden. Leicht hätte durch diesen immerhin noch günstig abzelaufencn Unfall größere« Unglück entstehen können, da gerade um diese Zeit ein Güter- und zwei Pcr- sonenzüge hier ein- bczw. ausfahren. — Die Bürstenindustric des Erzgebirges ist schon seit einem Jahre immer sehr gut beschäftigt, da sowohl da« Inland als auch die Exportländer sehr guten Bedarf an Bürsten und Pinseln haben. Die Fabrikate, die hier gefertigt werden, gehen nach allen Weltthcilen. So sind z. B. in den ersten 8 Monaten dieses Jahres bereit« 12,002 Doppelcentner Bürstcnwaarcn aus Deutschland nach dem Auslände gegangen, während im gleichen Zeiträume de« vorigen Jahres nur 10,806 Doppelcentner ausgesührt wurden, sonach jetzt mehr 1286 Doppelcentner oder 12 Procent. Da« Hauptabsatzgebiet ist England, da» fast die Hälfte der in« Ausland gehenden Artikel ausnimmt. Die Erhöhung der Borstenprcisc hat die Industrie nachtheilig beeinflußt, weil die Preise für die ver schiedenen Artikel nicht in gleichem Maße in die Höhe gesetzt werden konnten. Die Concurrcnz, die von der Hausindustrie ausgeht, ist für die Fabriken sehr fühlbar, weil die im Hausir- wegc vertriebenen Bürsten und Pinsel sehr billig verkauft werden und dadurch auf die besseren Maaren drücken. — Mit Ablauf diese» Jahre« werden nach 8 >04 de» Invalidität«- und AlterSversicherungS-Gesctze« alle diejenigen OuittungSkartcn ungültig, die im Jahre 1802 ausgestellt und bis zum Schluß dieses Jahre« noch nicht zum Umtausch eingereicht worden sind. Aus diese noch nicht wenig bekannte Bestimmung seien hiermit alle Bethciligtcn aufmerksam ge macht. Es empfiehlt sich, den Umtausch rechtzeitig zu bewerk stelligen, da bei einer Unterlassung desselben unter Umständen das Anrecht aus Gewährung einer Rente überhaupt verloren gehen kann. Bei den Versicherungsanstalten liegen bereit« sehr viele, im Jahre 1801 ausgestellte OuittungSkartcn vor, die nicht ausgerechnet worden sind und daher ihre Giltigkeit verloren haben. Aus vergangener Zeit — für unser« Zett. Vor 25 Jahren. (Nachdruck verboten). Von den Küsten, 17. Oktober 1870. Das französische Kriegs schiff „Hamelin" hat die deutschen Schooner „Lucia" und „Concordia" gekapert. Bei Helgoland befinden sich jetzt 10 französische Kriegsschiffe. London, 17. Oktober 1870. Von dem belagerten Paris entwirft der Berichterstatter der „Morning Post" ein charakteristisches Bild. Er schrieb von dort unterm 5. d. M. Folgendes: „Ich fange an zu glauben, daß die Vertheidigung von Paris in der Geschichte eher als eine absurde Karrikatur, als die ernstliche Anstrengung ernster Männer fiauriren wird. Angesichts der sie bedrohenden Gefahr waren die Pariser bis jetzt so trivial, daß man müde wird, ihre Worte an die Seite ihrer Thaten zu stellen. Sic wollen auf den Schanzen sterben, sich unter den Ruinen von Paris begraben lassen. Sie wollen die Welt in Erstaunen setzen, und dennoch sitzen 500,000 bewaffnete Männer mit übereinander geschlagenen Armen da und wagen nicht loszuschlagen. Selbst ihre Ver- theidigungswerke sind lächerlich. Sie graben Löcher und füllen sie mit Spitzen; sie besäen die Schanzen mit Nägeln, die Spitzen nach oben, und sie wollen sie sogar mit zerbrochenem Glase bedecken, als ob die Preußen Katzen wären. Aber selbst die Zahl derer, die sich damit be schäftigen, ist klein — die übrigen essen und trinken wie gewöhnlich und zeigen den Ernst der Lage nur durch kindliche Prozessionen nach der Straßburgstatue und um in verschiedenen Tonarten die amtlichen und journalistischen Erklärungen zu wiederholen, daß sie „sich unter den Ruinen der Stadt begraben lassen wollen." Im Augenblick bietet Paris, da- sich einbildet, e- sei heldenmüthig, nur ein lächerliches und peinliches Schauspiel kindischer Anstrengung und Lärmmacherei dar. Es herrscht Mangel an Kanonen und Geschossen, und dennoch müssen die Gießereien ihre Arbeiten sistiren, um eine Broncestatue von Straßburg zu gießen. Nichts kennzeichnet den Charakter eines Volkes besser als das." Victor Hugo ist mit einem neuen Manisest gegen die deutschen Truppen in- Feld gerückt. Hören wir einige seiner Phrasen: „Wir sind nur noch ein einziger Franzose, ein einziger Pariser, ein einziges Herz, eS giebt nur noch einen einzigen Bürger, der seid Ihr, der bin ich, der sind wir alle. Wo die Bresche sein wird, da werden unsere sämmtlichen Brüste sein. Widerstand heute, Befreiung morgen; darin liegt alles. Wir sind nicht mehr von Fleisch, sondern von Stein. — Ich kenne meinen Namen nicht mehr, ich heiße Vaterland! Front gegen den Feind! Wir heißen Alle Frankreich, Paris, Mauer!" Vor Paris, 18. Oktober 1870. Seit dem 30. Septbr. hat die Besatzung von Paris keinen Ausfall versucht, was bei der außerordent lichen Anzahl von Bewaffneten, deren die augenblickliche Regierung in Paris in ihren Luftballon-Depeschen sich rühmt, zu bewundern ist. Zu sammenstöße der Vorposten haben wohl fast täglich stattgefunden, auch an starker Beschießung einzelner vorgeschobener Punkte hat es nicht ge fehlt. Deutscherseits ist noch kein Kanonenschuß zu wirklichem Angriff deS Feindes und seiner Werke gefallen, trotz mannigfacher herausfordern der Anreizung der Artilleristen in den Fort-, welche ihre Munition in unglaublicher Weise verschwenden, obwohl ihnen jeder Wurf mit den riesenhaften, zuckerhutförmigen Granatprojektilen nahe an 300 Franks kostet. Die unruhige fast springende und unstete Bewegung der Besatz ung kontrastirt seltsam mit der eisernen Ruhe deS ganzen Einschließungs gürtels, der sich aus keine Weise zu einer Aktion drängen läßt, die nicht eine nachhaltige zu werden Aussicht gewährt. Tours, 18. Oktober 1870. Der hier erscheinende heutige „Moni teur" schreibt: Die unabweisbare Nothwendigkeit legt Gambetta die Pflicht auf, sich sofort nach den Vogesen zu begeben, woselbst die Preußen vom Vormarsch auf Lyon abgehalten werden müssen. — General Bour baki ist am 14. hier eingetroffen und hat einen feierlichen Empfang er halten. 67. Depesche vom Kriegsschauplatz. Versailles, den 17. Oktober. (Verspätet durch Störung der Telegraphen-Linie.) General Senfft v. Pilsach vertrieb am 12. Oktober 3000 Mobilgarden aus Breteuil. Vor Paris am 14. ein Ausfall mehrerer französischer Bataillone ; durch die Feldwachen und einige Geschütze des zwölften Corps abgewiesen. Am 15. arbeitete der Feind an Verschanz ungen bei Villejuif, die Feld-Artillerie des sechsten Corps vertrieb ihn. Kein Verlust. v. Podbielski. Versailles, ^den 18. Oktober. Vor Paris nichts Neues. Ge- näherung der diesseitigen Truppen fluchtartig auf Belfort und per Bahn auf Dijon zurück. Die Eisenbahn Vesoul-Belfort ist diesseits unter brochen. Die Einwohner, vom Terrorismus befreit, zeigen sich sehr entgegenkommend. — Circa 500 gefangenen Mobilgardcn gelang es, m Im ^atrizierhause. Novelle von v. Borg siede. <ö. Fortsetzung.) „Felicitas," fuhr sie erregt fort, „für Alwin trotze ich der ganzen Welt!" Und sich an die Brust der Schwägerin schmiegend, erzählte ihr Elisabeth von ihrer ersten Begegnung, ihrem so lange unterbrochenen Licbestraum, erröthend, stockend, da« lieblichste Bild mädchenhafter Verschämtheit. — Während dieser Vorgänge hatte Joseph eine ernste Unterredung mit seinem Vater. Der junge Mann hatte das Konzert Menotti« besucht, und beide Brüder erkannten sich sogleich. „Und es ist keine Täuschung, mein Sohn?" fragte der Buchhalter bewegt, „Du hast Alwin in der That erkannt?" „Nicht allein erkannt, bester Papa, sondern auch begrüßt und gesprochen," erwiderte der junge Mann lächelnd; „und nun bitte ich Dich um Erlaubniß, Alwin morgen besuchen und Euch bringen zu dürfen." „Nein, Joseph, sein eigene« Herz mag ihn in die Arme seiner Eltern zurückführen," sagte Herr Mohn fest; „er hat uns, Deiner Mutter und mir so bitter weh gethan, daß es seine geringste Sirasc ist, wenn er reuig vor nn« hintritt, nm gleich dem verlorenen Sohn zu sprechen: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir. Gieb mir einen Kuß, mein Junge, Du hast Deinem guten Herzen wieder Ehre ge macht. Bist Du schon bei Frau Wölwung gewesen, Joseph? Dafür segn» sie Gott, daß sic meinem guten, braven Sohn seinen LieblingSwunsch erfüllt," und der Buchhalter blickte dankend nach oben, „vergiß es nicht, bald hinzugehen." Alwin Mouelti betrat heftig erregt das Haus am Löwen brunnen. Sein kluges Gesicht war sehr bleich, als er zu Felicitas' Wohnung hinaufstieg, und zögernd blieb er einen Augenblick stehen; die Stimme, mit welcher er die junge Frau ansprach, bebte vor innerer Bewegung. Felicitas deu tete lächelnd aus das Nebenzimmer und zog selbst die Vor hänge hinter dem Eintrctenden zusammen; was sollte sie bei den beiden da drinnen, die sich so lange entbehrt hatten? Den Arm auf den Marmorsim« de« Kamins gestützt, stand sic sinnend da, in Träume versunken. Eine solche Stunde mußte schön sein, wo die Hossnung auf Mcnschentrcue und Schwur Erfüllung findet, wo Herz zum Herzen spricht, und Alles Niedere und Häßliche versinkt. Plötzlich hörte sie einen lauten Schrei und Alwins bittende Stimme: „Elisabeth, ich beschwöre dich, Elisabeth!" und im näch sten Augenblick eilte Elisabeth mit dem Ruf: „Rette mich, Felicitas!" in da« Zimmer und umschlang sie mit beiden Armen. Zwischen den steifen Falten der Brokatportiere aber stand Alwin Monetti mit gesenktem Haupt, kalte Tropfen aus der Stirn, dem Mädchen die Hand cntgegenslrcckend, noch einmal bittend: „Elisabeth, höre mich!" „Geh', geh'," schluchzte da« Mädchen, ihn abwehrend. „Felicitas, sage ihm, daß er geht." Felicitas richtete sich stolz empor, drückte die zarte Ge stalt Elisabeth« in einen Sessel und fragte ernst, Alwin gc- genübertretcnd: „WaS bedeutet diese Szene, Herr Monetti? Wie soll ich e« mir erklären, daß Elisabeth, die Sie so jubelnd begrüßt, Sie jetzt entsetzt von sich weist?" „Gnädige Frau, ich " „O nein, sage c« nicht noch einmal," ries Elisabeth, die Hände ringend, „da« erste Mal that loch genug! Schweig', um Gottes willen, schweig'!" Aber Alwin hörte nicht; festen Schrittes vortretend, fuhr er mit tonloser Stimme fort: „Elisabeth verurtheilt mich ; denn — ich bin vcrheirathet!" „Vcrheirathet!" wiederholte Felicitas entsetzt. „Ber- heirathct! Und darum sechs Jahre der Treue, de» geduldigen Harren«? Und da» konntest du zugeben, Gott der Gnade?" Und ihre großen dunklen Augen anklagcnd auf Monetti richtend, fuhr die junge Frau fort: „Und trotzdem führen Sie ein Wiedersehen herbei? Fühlen Sie denn gar nicht, wie unrecht Sie thaten, Herr Monetti, indem Sie ein ver trauende» Mädchen hintcrgingen?" „Ich fühle e», gnädige Frau; aber meine Ehe mit Julie war eine Pflicht der Dankbarkeit. Ich habe vergeblich versucht, Elisabeth zu erklären " „Glauben Sic wirklich, eine Auseinandersetzung könne Sühne sein für die Todesqualen, welche Sie Elisabeth bereiten ?" fragte Felicitas ernst und zürnend. „Durch ein paar Worte wollen Sie die blutenden Wunden ihre» Herzens heilen? Nein, mein Herr, da sind Sie im Jrrthum. Aber Ihre Handlungsweise wird nicht unvergoltcn bleiben, da- weiß ich; denn dort oben lebt ein Gott, der da« Gute belohnt und da« Böse richtet." Die Augen mit der Hand verhüllend, lehnte Alwin an der Wand, unbeschreibliche Seclenqual malte sich auf seinen zuckenden Zügen, dann raffte er sich auf, und in die Worte auSbrcchend: „Lebe wohl, Elisabeth — vergieb mir!" stürzte er hinaus. Ja, Alwin Mohn, genannt Monetti, war vcrheirathet. Er hatte die Flucht ergriffen, um seine Seele zu retten, und opferte seiner Kunst dann seine Liebe, seine Freiheit! Der Jüngling hatte nicht an die realen Schwierigkeiten und Hin dernisse gedacht, welche sich seiner Kllnstlerlaufbahn entgegen stellten, und erkannte sie zu spät. Am Rande de« Verderben» bot ihm ein Musikenthusiast seine Unterstützung an, und Al win dankte ihm mit seinem Leben dafür, indem er Herrn WanderS Tochter Julie zu seiner Frau machte. Erst spät kehrte er heim und wäre in dem unbeleuchteten Flur fast über einen im Wege liegenden Gegenstand gefallen, welchen er beim Licht eines Zündhölzchens als einen Notcnstoß er kannte. Mit tief verfinstertem Gesicht trug Alwin die Hefte in da« Zimmer und legte sie aus den Tisch. „Alwin, bist du e«?" fragte eine Helle Stimme ari dem Nebenzimmer und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort: „Komm' nur gleich zu Bett, die Scheuerfrau kommt morgen schon um sechs Uhr und muß zuerst da» Schlafzim mer reinigen." Mit einem ZorneSlaut schleuderte Monetti den nächsten Stuhl beiseite und warf sich auf da» Sofa. Er sah abge spannt, müde und gealtert aus, als er so da saß, mit den blonden Locken auf der weißen Stirn, welche die Finger nervös und rastlos durchslrichen, und der gebeugten Haltung, anders, ganz ander«, al» der gefeierte Künstler, der dem Flügel so herrliche Töne entlockte. „Alwin," ertönte die Stimme von vorhin abermals, je doch bedeutend ungeduldiger, „so komm' doch, die Scheuer frau — —" Da sprang Monetti empor, er eilte durch da« ungemüth- lichc Zimmer, und au« dem Nebengemach ertönten gleich darauf sanfte, süße Klänge. Da» ries und lockte, da« klagte und weinte, da« stöhnte auf in Verzweiflung und Todespein! Und dazwischen wob sich ernst und feierlich die eigentliche Melodie — ein Grabgesang. Alwin hatte Alle» ringsum vergessen; die glänzenden Augen emporgcrichtet, da« Haupt zurückgeworsen, nahm er Abschied von seinem Jugendtraum und seinem Glück; aller Schmerz, alle Reue löste sich in Tönen aus, in Tönen, die eine begeisterte Menge aufs Höchste entzücken sollten. Sic wenigsten«, sie, die Musik, der Alwin unbedenklich Alle« geopfert: Elternsegen, Liebesglück, HerzcnSruhe, verließ ihn nicht, wenn er sie rief; sic kam und entrückte ihn der Erdcnwelt. Julie existirte nicht mehr für ihn, Elisabeth» süße« Bild verschwand wie im Nebel, nur seine Göttin schwebte vor seinem Geistesauge. Und welch' eine Göttin war es! Ewige Jugend auf den himmlischen Zügen, schwebte sie auf silbernen Schwingen hoch über Erdenqual und Erdentreiben, sich nur dem Jünger offenbarend. Al« Joseph andern Tage» kam, seinen Bruder zu besuchen, sand er die ganze Wohnung in Unordnung. Julie eilte mit Bürsten und Wedel geschäftig umher, — die Fußböden glichen einem See — und rief ihrem Mann nur kurz zu: „Ein Herr wünscht Dich zu sprechen." Wortlos umarmte Monetti den Bruder, der besorgt in sein bleiche« Gesicht schaute, und führte ihn zum Sofa, da«, von der Wand abgerückt, mitten im Zimmer stand. „Ich danke Dir, Joseph," begann er endlich, „daß Du gekommen bist. Ja, Du bist noch ganz der alte, gutherzige Bruder, der Niemand leiden sehen kann." „Und Du leidest!" fiel Joseph mehr bestimmt als fragend ein und faßte Alwin« Hand. Ein trübes Lächeln umspielte Monetti« Mund, dann sagte er ernst: „Sich' Dich um, Joseph! Kein trockenes Plätz chen ist in der ganzen Wohnung, keine Blume, kein Vogel wird geduldet und das ist meine Heimath, das ist die Stätte, welche ich betreten muß, wenn der Jubel de« Publikums kaum verhallt ist. Was gilt da« Julie! Sie ist glücklich, wenn sie reinigen kann und da« geschieht denn auch gründlich alle drei Tage. Ich habe versucht, dagegen anzukämpfcn, jedoch vergeblich, jetzt schweige ich." „Armer Alwin!" „Ja, arm, unsäglich arm bin ich, Joseph," stieß der Künstler bitter hervor, erregt aufspringend. „Wie ost habe ich schon unsere« traulichen Elternhause« gedacht, o, wie ganz ander« war e» da." „So kehre dahin zurück!" Joseph erhob sich und trat an Alwin« Seite, ihn bittend anschauend. „Kehre darin zurück, Alwin, Papa und Mama leiden schmerzlich um Dich und werden Dich freudig empfangen." „ES geht nicht, nein, ich kann nicht," ächzte Monetti, sein Gesicht in den Händen verbergend, „so, mit meinem Un glück kann ich den Eltern nicht nahen; wäre ich glücklich —" „Alwin, Alwin, gieb Deinen Trotz aus," mahnte Joseph ernst; „die Eltern sind nicht mehr jung, sic können sterben, ohne Dir verziehen zu haben." „Was kann Euch denn an dem verlorenen Sohn liegen?" fragte Monetti bitter und heftig. „Weshalb verachtet, ver stoßt Ihr ihn nicht?" „Alwin, wie sprichst Du," tadelte Joseph sanft; „kann man aufgcben und vergessen, was man wahrhaft liebt?" „Ja, ja, man kann c«," rief Alwin ungestüm. „Ich habe e« gekonnt! Ich habe mein Versprechen, meine Liebe vergessen und aufgcgcbcn um einer eingebildeten Pflicht willen, ich habe selbst die duftenden Blumen au« meinem RuhmeS- kranz gerissen, ick habe mein Leben düster und öde gemacht! Geh', Joseph, geh', Du könntest sonst von mir lernen, wie man e« anfängt, elend zu werden." „Fürchte nicht», ich möchte Dich vielmehr lehren, wie Du wieder glücklich wirst." „Gieb Dir keine Mühe, Joseph, die Flammen meiner Brust sind erloschen. O, ich war so begeistert für alle« Edle und Hohe, ich sah die Welt in einem so verklärten Lichte!
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