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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 08.10.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189510089
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18951008
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18951008
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-10
- Tag 1895-10-08
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Monat
1895-10
-
Jahr
1895
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vernommenen Automat, weder geisteskrank ist, noch aucb >var. Die Einzelheiten dieses Falles, der wiederum auf die Zu stände in unserem Jrrcnwesen ein schauerliches Licht ivirft — auch hier spielt wieder die schmutzige Station und gewalt same Jnternirung mit — sind so ungeheuerlicher Art, daß man, wenn nicht die Beweisstücke und das Zeugniß zahlreicher achtbarer Personen dafür beigebracht würden, cs nicht für möglich halten möchte, daß wenige Monate nach dem auf Mariaberg niebcrgefahrencn reinigenden Gewitter solche Un- rcchtsertigkciten haben geschehen können. Es ist nicht möglich, den ganzen Zusammenhang der Dinge in allen seinen Vcr knüpsungcn hier kurz darzulcgen. In der Hauptsache handelt es sich um eine häßliche Familienintrigue, die von einem inzwischen verstorbenen harten Vater und von nicht minder herzlose» Lerwandtc» gegen den jungen, in den ersten Zwan zigern stehenden Mann angezettelt worden ist, um ihn un schädlich zu machen. Acrzte und Anslallbeaintc haben diesen Zweck unterstützt — ob wissentlich, ob au« Leichtfertigkeit oder Ium» ticke wird wohl die zu gewärtigende Untersuchung er geben — und cS hätte sich wahrscheinlich ewige Nacht auf den Unglücklichen hcruiedcrgcsenkt, der in seinem Kerker bereit« nahe an 5 Jahre schmachtete, wenn nicht die rühmliche Energie und daS nicht ruhende Rcchtsgefühl eine« Vetters ihm die Erlösung gebracht hätte. Die „Boss. Z.", an die sich jener gewendet hatte, verdient die Anerkennung, durch die Veröffent lichung de« schlagende Beweise enthaltenden urkundlichen Materials zu diesem Falle, da« ganze Gewebe zerrissen zu haben. — Rußland. Zukünftig sollen ausländische Han delsreisende in Rußland nur unter der Bedingung Ge schäfte treiben dürfen, daß sic eine formelle Beipflichtung der von ihnen vertretenen Firma bei sich führen, wonach diese für alle von ihren Reisenden abgeschlossenen Geschäfte zivil rechtlich aufkommt. Außerdem sollet! Handelsreisende zukünftig auch eine besondere Steuer zu entrichten haben. Locale und sächsischc Rachrichtcn — Eibenstock. In aller Stille feierte am I. d. Mts' unser hiesiger, allgemein beliebter u. unter den Beamten hochge schätzter HanptzollamtS-Kontrolcur Herr Gustav Schulze sein LöjährigeS Dienstjubiläum als Königlicher Zollbeamter. Möge dem biederen Beamten noch ein langes LebcnSglück beschic ken sein. — Iohanngeorgenstadt, ü. Oktober. Der Stadt- gcmcinerath hiersclbst nahm in seiner letzten Sitzung Kcnntniß von dem Beschlüsse des Schulvorstande« wegen des Baue« einer neuen Schule, behielt sich aber die Abgabe einer Erklärung noch vor. Die Kosten für die Schule, die auch Turnhalle, Zimmer für die Koch- und die Nähschulc enthalten soll, sind mit 200,000 Pf. bcrcchnct. Die hiesige Fortbild ungsschule soll aus 5 Klassen erweitert u. die Zahl der Unterrichts stunden auf 3 für jede Klasse erhöht werben; außerdem ge denkt man den Zeichenunterricht fakultativ cinzuführcn. — Dresden. Se. Majestät der König hat den Mini ster des königlichen Hauses, StaatSministcr a. D. von Nostiz- Wallwitz auf sein Ansuchen von der Leitung des Ministc riumS des königlichen Hause« entbunden und den Staats minister des Kultus und öffentlichen Unterrichts v. Sei de Witz zugleich zum Minister de« königlichen Hauses ernannt. — Leipzig. Eine z. Z. kranke Frau, die in der Hohen Straße wohnt, ist am 2. d. auf eigenthümliche Weise uni M Ui. gekommen. An ihrer Thür klingelte cs, und die Frau, die zu Bett lag, schickte ihr 7jährigeS Töchterchen hinaus, um zu öffnen. In der Annahme, der Hauswirth komme, um die fällige Micthc zu holen, übergab die Frau dem Kinde das Zinsbuch mit 00 M. zur Aushändigung an den Wirth. Bor der Thür stand indessen ein Unbekannter, der dem Kinde bas ZinSbuch mit den oOM. abnahm und verschwand. Später erst stellte cs sich heraus, daß der Unbekannte ein versprechender Bettler gewesen war. — Leipzig. Unbetheiligten Zuschauern bot, wie der „Konfekt." schreibt, der am Sonntag um 6 Uhr Nachmittags von Leipzig abgclassene O-Zug ein cigenthümliches Schauspiel. Wer den Zug durchschritt, konnte die Wahrnehmung machen, daß, wenn auch nicht in allen, so doch in den meisten Wagcn- abthcilungcn, Karten gespielt wurde. EL soll, wie das ge nannte Blatt behauptet, sehr hoch Ecartn gespielt worden sein, am meisten sei aber getippelt worden. „Tippeln" ist eine Umschreibung für das „Tempeln". Es werden 4 Streich hölzer aus den Tisch gelegt, also eine ganz harmlose Sache; dem Eingeweihten aber ist bekannt, daß die unteren Enden der Streichhölzer gleichbedeutend sind mit den Karten 7, 8, !) und IO, während die oberen Enden die Karten Bube, Dame, König, As bedeuten. Wie hoch gespielt wurde, gehe au« dem Umstand hervor, daß die Umsätze während der Fahrt von Leipzig nach Berlin über 40,000 Mk. betragen haben sollen. Die Insassen des Zuges seien zum großen Thcil sogenannte „Buchmacher", zum anderen Theile Sportsmcn gewesen, welche zum Rennen nach Leipzig gefahren waren und diesen O-Zug zur Rückfahrt benutzten. — Ein vcrwaltnngsrechtlich sehr interessanter Rekurs liegt gegenwärtig der königlichen Amtehauptmannschaft Leipzig zur Bcrathung vor und wird demnächst vom Bezirksausschuß entschieden. Die Gemeinde Leutzsch hat, da zwei Linien der preußischen Bahn den Ort passiren und aus Gemeindeland ein Sammclbahnhof errichtet ist, den königl. preußischen Eiscn- bahnfisku» zu den Geincindesteucrn herangezogen. Hiergegen aber hatte der FiSkuS Berufung eingelegt, da er nicht gewillt ist, die Besteuerung als geltend anzunehmen. Die Amts hauptmannschaft ivird sich demnächst zu entscheiden haben. Die Sache ist von so wichtiger, grundsätzlicher Bedeutung, daß sie voraussichtlich alle Instanzen durchlaufen wird. — Ehemnitz. Bor Kurzem konnte man in einer hie sigen Zeitung unter der Rubrik „Familien-Nachrichten" folgende Todesanzeige lesen: „Gestern verschied nach langem, schwerem Leiden unser geliebter Molly im Alter von l3 Jahren. Nm stille Theilnahme bitten" und nun folgt der "Name der be treffenden Familie. Als theilnchmcndc Freunde mit Blumen spenden ihrer Antheilnahmc Ausdruck geben wollten, stellte sich heraus, daß der „geliebte Mollh" ein — Hund war. Dem Vernehmen nach soll es sich bei dem Erlaß der be treffenden Anzeige um einen von dritter Hand auSgesührtcn Schabernack handeln. — Die Rüpelei dürste noch ein gericht liche« Nachspiel haben. — Oederan. Zu dem Eisenbahn-Unglück wird dem Saydaer Anzeiger geschrieben: „In den Kreisen aller Bahnbcamten sah man dem Fortgänge der Untersuchung gegen den verhafteten Blockwärter auf Bahnhof Oederan, dem die Schuld an dem jüngsten großen Eisenbahnunglück zugemcsscn wurde, mit der allerhöchsten Spannung entgegen. Konnte man sich doch nicht gut die Schuld eines Menschen verstellen, da das auf den Hauptstrecken der sächsischen Staatsbahnen cingesührte Blocksystem die Bedienung de« Apparates nicht in eine Hand allein legt. Hat nämlich ein Zug eine Blockstation passirk, so wird da« Zeichen durch einen Knopf druck gegeben, eine rothe Scheibe steigt nicht allein an dem einen Block aus, sondern auch auf dem nächsten in der Zug richtung. Hat nun der Zug die nächste Blockstation passirt, so fällt die rothe Scheibe hier, zum Zeichen, daß die Strecke zwischen hier und der zurückliegenden Station frei ist, e« wird da« EntblocknngSsignal gegeben; der vorliegenden Station kommt aber selbstthäiig da« BlockirungSsignal zu, zum Zeichen, daß sich ein Zug auf der Strecke befindet. Bei dieser Sach lage mußte man natürlich auf das IlntersuchungSergebniß ge spannt sein. Dasselbe ist nun derartig, baß die Verwaltung unserer StaatSbahucn vollkommen gerechtfertigt dasteht. Wie verlautet, haben die vorläufigen Feststellungen ergeben, daß der betressende Blockwärter in hohem Grade unzuverlässig seinen Dienst verwaltet hat. So hatte der Mann, als an dem Unglücksabcudc der Güterzug die Blockstation verlassen hatte, die weiße Scheibe aufgezogen, also da« Zeichen „freie Strecke" gegeben, obwohl der Zug in Wirklichkeit die Strecke noch gar nicht verlassen und von der vorliegenden Station das Entblockungssignal noch gar nicht gegeben worden war. Wie aber hatte der Mann es fertig gebracht, selbstthätig das Entblockungssignal zu geben? Durch ein rasfinirtc« Mittel. Er hatte an der Signalstangc draußen so lange hcrumgerüttelt nnd hcrumgepocht, bis die rothe Scheibe fiel und die Weiße an die Stelle herunterrutschte; der Mann ersparte dadurch einen zweiten Gang hinan« vor die Thür; er konnte ruhig drinnen bleiben, wenn das wirkliche EntblockungSsigual kam, und brauchte bloS den AuSschaltcknops zu drücken. An jenem Abende hatte nun das fahrlässige Verhalten des Mannes die bekannten furchtbaren Folgen. Der Gütcrzug war noch auf der Strecke, weil der Schnellzug uoch nicht vorüber war; der Führer des Militärzuges sah das fahrlässig herbei geführte Signal „frei" und fuhr sorglos auf der Strecke hin. — Falkenstcin. Eine empfindliche aber gerechte Strafe traf in der Schösfcngerichtssitzung am Mittwoch den FortbildungSschülcr K. von hier. Derselbe hatte im Streite mit einem andern einen faustgroßen scharskantigen Stein ergriffen und denselben unter einen Hausen Kinder geschleudert. Dabei verletzte er einen kleinen fünfjährigen Knaben so heftig an der Stirne, daß der Arzt einen 5 em langen Knochensplitter zu entfernen hatte. Die Verwundung hätte nach der Aus sage vor Gericht eine sehr gefährliche werden und den Tod die Kindes hcrbeiführen können. Das Schöffengericht vcr- urthcilte den Thäter zu 2 Monaten Gefängniß. Der Herr AmtSanwalt legt in seinen Ausführungen dar, daß dieser Fall eine ganz besondere Rohheit bekunde, da doch ein Mensch in solchem Alter die uöthige Ncbcrlegung besitzen müsse. Das Werfen mit Steinen sei in unserer Stadt zur wahren Landplage geworden, so daß man keinen Augenblick sicher sei, von einem solchen Geschosse getroffen zu werden. Möge dieser Fall Allen zur Warnung dienen. — Nach einer vom Oberlandsgericht bestätigten Ent scheidung des Landgerichts in Neuwied haben die Mitspieler eine« LotterielooseS kein Recht, einen säumigen Antheil- haber ohne Weiteres auszuschlicßen, vielmehr habe der Säumige trotz Ausschlußerklärung weiter Antheil am Loose und Anspruch auf seinen Gcwinnantheil. Er sei und bleibe Miteigenthümcr des Looses, der durch eine eiuseiiige Erklärung seines Eigen- thumsrechtes nicht verlustig gehen könne. Aus veraaustsncr Zeit — für unsere Zeit. Berlin, 8. Oktober 1870. Ein Rückblick auf die Festungen Ost- Frankreichs zeigt jetzt als genommen: Straßburg, Toul, Marsal, Vitry, Sedan, Laon, Lützelstein, Lichtenberg, Weißenburg; als belagert: Pfalz burg, Bitsch, SoissonS; als beobachtet oder cernirt: Paris, Metz, Thion- rille, Mezüres, Mvntnu-dy, Berdun, Longwy, Schlettstadt, Neubreisach. Karlsruhe, 8. Oktober 1870. Ein Telegramm der Karlsruher Zeitung aus Luneville vom 8. Oktbr., 10 Uhr Morgens, an den Groß herzog meldet: Etival, 7. Oktober. Gestern ein siegreiches Gefecht bei St. Remy und Nompateticie gegen französische Linie und Mobilgarde. Nach 4 Uhr war der Feind in voller Flucht auf Rambervilliers. Im Gefecht waren diesseits 6 Bataillone, 2 Eskadrons, 2 Batterien, der Feinds war 14,^0O^Mann stark. Der diesseitige^ VerOlst bettä^t 20 Offi^ Versailles, 8. Oktober 1870. Der Feind fährt fort, mit seinem Festungs-Geschütz auf einzelne deutsche Posten zu feuern. Vor Neu dreifach, 8. Oktober 1870. Festungs-Komman- Dresden, 9. Oktober 1870. Se. Maj. der König Johann hatte durch seinen General-Adjutanten, General Leutnant von Thielau dem Bundesfeldherrn in dessen Hauptguartier das Großkreuz des Militär- St.-Heinrichsordens, im Mittelschild mit einem Lorbeerkranze geschmückt, gesendet. Infolgedessen ist an den König folgendes Telegramm gelangt: „Versailles, 9. Oktober. Dem Könige von Sachsen in Dresden. So eben übergab mir der General v. Thielau in Deinem Namen den mili tärischen St. Heinrichsorden mit einer besonderen ehrenvollen Ausschmück ung. Empfange hiermit meinen aufrichtigsten Dank für die mir wider fahrene Auszeichnung, die Mir eine für Mich ebenso ehrende wie be glückende Erinnerung an unsere großen Erfolge und an die glückliche Theilnahme der sächsischen Truppen und deren fürstlichen Führer. Wilhelm." Vor Paris, 9. Oktober 1870. Der gesammte Belagerungspark ist am 7. vor Pari- eingetroffen. Die Cernirung tritt hiermit in ein neues Stadium. Wenn das „Journal de Lwge" in einem Schreiben aus Givet gut unterrichtet ist, dann sind die FortS von Meziires und Rvcroy ausge- gingen noch 20 Waggons mit Pulver und Kugeln von Givet nach Me- ziöres ab, denen 9 Waggons mit 55,000 Kilo Speck von Lille voraus gegangen waren. In Givet beenden sich an die hundert (?) Lokomotiven, rund 800 Waggons und an ^die 20 Lokomotiven an ^die Preußen ver loren, aber ihr rollendes Material besteh» aus 1000 Lokomotiven, 4000 Passagier- und 20,000 Gepäckwagen. Ist diese Angabe des genannten Blattes richtig, so verspricht die Einnahme der kleinen Festungen im Bereiche der Ostbahn noch eine gute Ausbeute. — Am t. Oktober ist es gelegentlich eines Ausfalles der Franzosen aus Pfalzburg einer An zahl Franktireurs gelungen, aus der Festung zu entkommen und die Wälder zu gewinnen. 59. Depesche vom Kriegsschauplatz. Hauptquartier Cornv vor Metz, den 8. Oktober. Feind griff (gestern) Nachmittag 2 Uhr über Woippy Division Kummer an. Heftiger Kampf bis in die Nacht. Der Feind überall mit großem Verluste und Nachtkamvf zurückaeschlagen. Die 9. Infanterie-Brigade und Theile deS 10. Corps griffen kräftig ein. Vom Feinde fochten auch Garde- Truppen. Gleichzeitig entwickelte der Feind auf rechtem Moselufer mehrere Divisionen gegen I. und 10. Corps. Es war dort lebhafte Kanonade. Verluste, namentlich der Division Kummer und de- 10. Eorps, sind auf 500 Mann, die deS 3. CorpS auf 130 Mann zu schätzen. v. Stiehle. 60. Depesche. Versailles, 8. Oktober. DaS Telegramm enthält zunächst die Mittheilung über den Ausfall Bazaine's aus Metz am 7., und fährt fort: Am 6. siegreiches Gefecht der badischen Brigade Degenfeld zwischen Raon l'Etape und St. Diö gegen größere Massen Franktireurs und Abtheilungen französischer Truppen unter General Duprö. Letzterer verwundet, Feind auseinander gesprengt. Vor Paris nichts Neues. v. Podbielski. Im ^atrizieryause. Novelle von v. Borgstede. <2. Fortsetzung.) Seine kühle, ruhige Stimme übte einen wunderbar nieder drückenden Einfluß aus die junge Frau aus, sie winkle ihm mit völlig unbewegtem Antlitz näher zu treten, und erwiederte: „Nehmen Sie Platz, Arwed, wenn ich bitten darf." Er folgte ihrer Aufforderung, sagte dann aber hastig: „Ich nehme natürlich an, daß ich Ihnen nicht ungelegen komme; sollte es indessen der Fall sein, werde ich mich sogleich wieder entfernen." Felicitas richtete ihr Haupt empor, ihre Wangen färbten sich höher, ihre Brust athmcte schwer, sie kämpfte mit ihrer großen inneren Bewegung, welche sie zu ihm hinlrieb, welche die Bitte auf ihre Lippen legte: Habe mich ein wenig lieb! Aber seine blauen Augen, die so spöttisch aus ihr ruhten, hielten sie zurück, sie begegnete diesen kalten Augen voll und stolz und entgegnete ruhig: „Sie sind willkommen, Arwed!" „Sie sind nicht empfangen worden," begann der junge Mann endlich, die Spitzen seiner wohlgcpflcgtcn Finger lässig aneinander legend — „wie e« sich geziemt hätte; aber ich hatte vergessen, darauf bezügliche Befehle zu geben, Felicitas. Von nun an jedoch soll Ihnen mit aller Achtung, welche meine Frau fordern darf, begegnet werden." Da er keine Antwort erhielt, blickte er zu ihr hinüber. Sie sah ungemein jugendlich und lieblich au», wie sie so dasaß mit tief gerötheten Wangen und glänzenden Augen und dein seltsamen Lächeln um den kleinen Mund, ihn groß und gleich sam zürnend ansehend. „'Nicht die Achtung habe ich vermißt," sagte dann ihre angenehme, leicht bebende Stimme — „sondern die Liebe, Arwed. Ich muß mich erst daran gewöhnen, daß sie mir in diesem Hause fehlen wird." Der junge Mann erhob sich unangenehm berührt und machte einen Gang durch das Zimmer, dann blieb er Feli citas gegenüber stehen und begann: „Haben wir Vertrauen zu einander, La wir uns nun einmal nicht lieben, Felicitas; was wollen wir uns da« Leben unnöthig schwer machen!" Felicitas Herz zog sich krampfhaft, schmerzvoll zusammen, sie hätte laut ausschreien mögen vor Weh und Qual! Doch sie raffte sich auf und richtete sich empor, ihre Züge verriethen nichts von dem Sturm ihre« Innern, ihre Stimme klang unbewegt. „Sie sind wenigsten» ehrlich, Arwed; eS ist jetzt da« dritte Mal, daß Sie niir die Versicherung geben, mich nicht zu lieben," sagte sic lächelnd, und dieses Lächeln verhüllte die Pein ihrer Seele — „aber Offenheit soll ja auch eine Tugend sein, wie man mir gesagt hat." „Ah — so haben Sic schon etwas Gutes an mir ent deckt," scherzte Arwed — „fahren Sie fort, Felicitas, ich bitte Sie. Im Ernst gesprochen, c» kann in unserer Lage nicht allzu schwer sein, gut miteinander auszukommen, meinen Sie nicht auch?" Dabei blickte er auf ihre feine Rechte, welche unbarmherzig an der Quaste des Sessels riß, und fuhr fort: „Man muß nur den guten Willen dazu haben." „Und den haben Sie?" „Ja, den habe ich, Felicitas," nickte er amüsirt. „Das heißt," fuhr sie fort, „Sie meinen doch, daß Jeder seinen eigenen Weg geht, ohne sich an den andern zu kehren, nicht wahr?" Er crröthetc unter dem Blick ihrer groß aufgeschlagenen, dunklen Augen und fragte herabgestimmt: „Und Sie meinen daS nicht, Felicitas?" „Nein, ich nicht, Arwed! Denn ich will nicht beklagt, nicht belächelt sein; ich will nicht auf all' diesen schadenfrohen, höhnischen Gesichtern geschrieben lesen: Seht sie an, da« ist sie, die sich einen ungeliebten Mann erkauft hat, das ist sie, die junge Frau Wölwung, die das entbehrt, was das ärmste Weib besitzt, die Liebe de« Galten! Hier im Hause mögen Sic immerhin gleichgültig an mir vorllbergehen, wenn Sie es wollen; aber vor der Welt fordere ich Beachtung von Ihnen." „Sie sind in der Thal sehr kühn," — des Manne« Stirn röthete sich unwillig, — „also Sie fordern bereits? Und Sic meinen nun, daß ich Ihren Befehl befolgen werde?" „Meinen Befehl?" fragte Felicitas langsam und traurig. „Sic wollen mich also nicht verstehen, Arwed, und haben mich doch eben erst versichert, daß wir versuchen wollten, uns zu verständigen. E« wird mir nie in Len Sinn kommen, Ihnen befehlen zu wollen, davon können Sie überzeugt sein." Erstaunt blickte Arwed auf da« junge Weib, das zufällig seine Frau war und ihm so stolz und muthig Gesetze vor schrieb, statt seine Willensäußerungen schweigend hinzunehmen, und Alle« in ihm empörte sich. Noch nie war man ihm so cntgegengetreten, ihn,, dem verwöhnten Liebling der Gesellschaft, noch nie. Und da saß sie, dieses schlanke, sanftblickende junge Geschöpf, und setzte seinen Anordnungen ein „Ich will nicht!" entgegen. Und wenn sie sich noch wenigsten« erregt hätte, wenn sie leidenschaftlich aufgefahren wäre; aber nichts von alledem. 'Nur ihre Wangen glühten, ihre Augen blitzten, sonst saß sic anscheinend ruhig da, selbst ihre Hand hatte da« Spiel mit der Quaste ausgegcben. Die Zornader auf seiner Stirn schwoll, seine Stimme bebte vor Erregung, als er antwortete: „Ah, und Sie meinen nun, Felicitas, ich werde von heute an als schmachtender Scladon zu Ihren Füßen sitzen? Nein, nein. Sie täuschen sich! Liebe und Achtung lassen sich nicht erzwingen, sic " Da fuhr die eben noch so gefaßte junge Frau vom Sitze empor, ihre Lippen zuckten, au« dem erblaßten Gesicht flamm ten die dunklen Augen in Zorn und Empörung. „Nicht weiter, Arwed!" — Und er hielt inne, er schwieg, und sie fuhr leidenschaftlich fort: „Ihre Liebe will ich nicht, Ihrer Liebe bedarf ich nicht; aber wie können Sie es aussprechen, daß Sie mich nicht achten? Welche meiner Thaten berechtigt Sie dazu, welche, ich frage Sie? Nennen Sic mir dieselbe, und ich gehe, ich
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