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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 05.10.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189510052
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18951005
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18951005
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-10
- Tag 1895-10-05
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Monat
1895-10
-
Jahr
1895
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die Gefahren zu beschweren. Im Grunde kann nur eine tiefe religiöse Umkehr, nur der Glaube an die Gnade GoitcS in Christo schützen und stützen. Wir bitten Gott, daß e« Curer Majestät gelingen möge, alle am wahren Wohle de« Baterlan be bauenden Kräfte zu pflegen, alle zerstörenden aber niederzn- halten und zu entwaffnen. Der edangelische Bund zur Wahr ung der deutsch-protestantischen Interessen." An Se. Majestät den König Albert wurde folgende« Telegramm gerichtet: „Eurer königliche» Majestät, dem milden und gerechten Herr scher, unter welchem die evangelische Kirche Sachsen« allezeit Schutz und Förderung gefunden hat, bringt der in Zwickau versammelte evangelische Bund seine ehrerbietige Huldigung dar. Wir kommen nicht, um in friedliche Zustände Zwie tracht hincinzustreucn, sondern, um an unserem Theile un veräußerliche geistige Erbgüter de« deutschen Bolle« zu wahren. Wir erbitten Gotte« Segen und Schutz für Eure Majestät, einen Fürsten, der an Deutschlands gegenwärtiger Einigung und Erhebung einen so hervorragenden Antheil hat. Der evangelische Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen." — Pirna. Allgemeinen Unwillen erregte da« nicht genllcmanlike Auftreten einer Grnppc Engländer oder Ameri kaner aus der Dresdner Fremdenkolonie in dem am Sonntag Abend 7 Uhr 37 Min. von Niedersedlitz nach Dresden fahren den Zuge. Die Herren Ausländer verboten einem Herrn im schroffsten Tone da« Rauchen, obgleich die Wagenabtheilung eine solche für Raucher war. Da der betreffende Herr sich gegen diese Art der Zurechtweisung verwahrte, gingen die Aus länder — ohne Rücksichtnahme der dazwischen sitzenden Un betheiligtcn - sofort zu den rohesten Schimpfworten über und eine mitfahrcnde „Lady" schlug sogar dem Derartiges nicht ahnenden Herrn mit der Faust in« Gesicht, daß die Nase blutete. Der unglaubliche Vorgang wurde sofort bei Einlaufen de« Zuge« der Polizei gemeldet und wird hoffent lich zu einer angemessenen Bestrafung der Rauhbcinc führen. Jedenfalls würden Deutschen im Auslande derartige Ausschreit ungen sehr schlecht bekommen. — Schellcnberg. Zu dem kürzlich aus Hainichen gemeldeten seltenen Konkurs, bei welchem nicht nur alle Gläubiger voll befriedigt wurden, sondern die Gemeinschuld nerin noch einen ansehnlichen Betrag auSgezahlt bekam, ist jetzt aus hiesiger Gegend ein Seitenstück zu berichten. Im Konkurse über das Vermögen des Gutsbesitzers Eduard Kluge im benachbarten vcubSdors ist nämlich der gleiche Fall eingetrcten. Nach Auszahlung sämmtlichcr Gläubiger hat der Konkursverwalter noch über 1000 Mk. für Kluge übrig. — Bockau. Freitag Abend nach 1l Uhr begann da« hiesige Emaillirwcrk de« Herrn GemeindevorstandcS Lorenz zu brennen. Comptoir, BorrathSraum, Zuschneidcsaal und Pferdcstall brannten vollständig au«. Hierbei sielen zwei Pferde im Wcrthc von 1800 M. dem Feuer zum Opfer. Auch die Emaillemühlc wurde theilwcise ein Raub der Flammen. — Aus dem Vogtlande. Zwischen der Königlich sächsischen und österreichischen Regierung finden gegenwärtig Verhandlungen über einen cigenthümlichcn und recht bedauerlichen Fall statt, in welchem von einem sächsischen Staatsangehörigen Entschädigungsansprüche erhoben worden sind. Vor mehr als fünf Jahren, Ende Akai 1890, wurden von Grcnzbcamten in Silberbach in Böhmen eine große Menge Weißwaarcn von hohem Wcrthc in Beschlag genommen und auf zwei Wagen nach dem K. K. Zollamte in GraSlitz geschafft. Die Maaren gehörten dem Filialgeschäfte, das Herr Kaufmann Herrmann Puschmann in Falken stein i. V. zu GraSlitz errichtet hatte, und waren nach An nahme der Grenzbcamten über die Grenze aus Sachsen heran« gepascht worden. Infolge dieses Vorkommnisses wurden auch die Handelsbücher des Puschmann'schen FilialgcschäftcS mit Beschlag belegt. Dem Besitzer erwuchs damals ein Schaden von 30,000 Mk. Herr Puschmann, der seiner Versicherung nach die Maaren sämmtlich verzollt hatte, setzte im Bewußt sein seines Rechte« unter bedeutenden Opfern alle Hebel in Bewegung, um wieder zu dem Seinigen und zu seinen Büchern zu gelangen, ohne welche die Außenstände nicht cingezogen werben konnten. Allein volle fünf Jahre hat cs gedauert, ehe er, nachdem die endlose Voruntersuchung einen für ihn günstigen Verlauf genommen hatte, wieder in Besitz derselben gesetzt worden ist. Die Maaren haben natürlich im Laufe der Jahre allen Werth für ihn verloren. Die damalige Be schlagnahme hat mancherlei Unglück im Gefolge gehabt, und zwar nicht blo« für die Faktorc und Arbeiter des Puschmann- schcn Filialgeschäfte», die damals arbeit«- und verdienstlos wurden. Wie die Beschlagnahme, sowie die Forderung einer Zollstrafe von 52/>00 Gulden Herrn Puschmann geschädigt hat, das hat derselbe sowohl der K. K. österreichischen, wie der Köuigl. sächsischen Regierung dargclcgt und einen Schaden ersatz von weit über 100,000 Mk. von der österreichischen Regierung verlangt. 'Nachdem seine Beschwerde von dem Kgl. sächsischen Justizministerium geprüft worden war und er sich ohne Erfolg wiederholt an den österreichischen Finanzministcr gewendet hatte, hat er den Schutz de« Königl. sächsischen Ministeriums des Auswärtigen angcrufcn, und c» ist ihm von diesem soeben der Bescheid zu Theil geworden, daß der Kgl. sächsische Gesandte in Wien angewiesen worden sei, bei der K. K. österreichisch-ungarischen Regierung aus thunlichste Berücksichtigung seiner Ansprüche hinzuwirken. Der Fall er scheint ganz dazu angethan, daß man östcrreichischcrseitS einen Mißgriff, der viel Unheil ungerichtet hat, durch Schadenersatz nach Möglichkeit wieder gutzumachen sucht und dem Eintreten noch weiterer schlimmer Folgen vorbeugt. — Die zum Dienste mit der Waffe bestimmten Re kruten müssen in den nächsten Tagen bei ihren Truppen- theilcn eintrcfscn, und zwar diejenigen der Kavallerieregimenter am 5. Oktober und die der Infanterietruppcn, Jäger, Pioniere, Feld- und reitenden Artillerie am 19. Oktober, während die zum sächsischen Fußartillerie Regiment Nr. 12 nach Metz und der sächsischen 7. und 8. Kompagnie des preußischen Eisen bahnregiments Nr. 2 beorderten Rekruten am 13. Oktober zu ihren Regimentern abzugehen haben. Amtliche Mittheikuug aus der Sitzung des Stadtrathes zu Kibeufta«, vom 30. September 189b. Anwesend: 5 RathSmitglicder. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Di. Körner. 1) Von den letzten Stadtvcrordneten-Beschlüssen wird Kcnnt- niß genommen. Hierbei beschließt man, den Erlös au« den Verkäufen eines Theil» der alten Muldenhammer straße dem Stammvermögen zuzuweisen und dem Beschlüsse wegen der Unger'schen Brücke bcizutreten. 2) Die Rechnung über den Abschluß der Anleihe soll in Umlauf gesetzt werden. 3) Die Stadtkasscnrcchnung aus da« Jahr 1894 ist geprüft und gelangen die gezogenen Erinnerungen zur Beschluß fassung. Die Rechnung soll den Stadtverordneten zur Richligsprechiiug milgctheilt werden. 4) Die beiden Schulen und die Turnhalle sollen mit Wasser- leitungScinrichtung versehen werden. Der hierzu erforder liche Aufwand wird verwilligt. 5) Von den letzten Beschlüssen de« WasserauSschusscS wird genehmigend Kenntniß genommen. 6) Die freiwerdende Lehrerstclle soll dem Vorschläge de« Schulausschussc« gemäß ausgeschrieben werden. 7) Der Ueberschuß an Scleklenschulgeld soll unverkürzt der Stiftung für arme Konfirmanden überwiesen werden. 8) Zur Beschafsung einer Kartencopic de« neuen Mensel blatte« werden l200 Mark verwilligt. Der Betrag soll im nächstjährigen Haushaltplan eingestellt werden. 9) Von der Kündigung des Wasserabfalles im ehemaligen Roßner'schcn Hause feiten de« Brauereibesitzers Helbig nimmt man Kennlniß und beschließt wegen Herkunft und etwaiger weiterer Verwcrthung des Wassers Erörterungen anzustellen. 10) Als Schutzmann wird der Polizeidiener Anstadt in Auer- Hammer gewählt. Außerdem kommen noch 15 innere Verwaltungsangelcgen- heitcn zum Vortrag und zur Beschlußfassung, die de« Inter esse« entbehren, bez. zur Verössentlichung nicht geeignet sind. Aus vergangener Zeit - für unsere Zeit. Vor Paris, 5. Oktober 1870. ^Die deutschen Armeen breiten sich in Frankreich immer weiter aus, ohne iraendwo auf ernsten Wider stand zu stoßen. Die Belagerungsarmee entsendet einzelne Truppenab- theilungen auf einen weiten Umkreis nach den mittleren Departements von Frankreich im Süden und iin Westen von Paris. Schon sind unsere Truppen bis Orleans und darüber hinaus an der Loire auf dem Wege nach Tours und ebenso westlich und nordwestlich über Chatres, Dreux und Nantes hinaus vorgedrungen. - Vor der. am 4. geschehenen Ein nahme von Epernon, an der Eisenbahn zwischen Paris und Chatres, hatte der dazu beorderte Truppentheil em Gefecht mit Franktireurs, Mobil- und Nationalgarden zu bestehen. Brüssel, 5. Oktober 1870. Nachdem die belgische Regierung ernsten Komplotten auf die Spur gekommen ist, werden, wie es heißt, alle bisher im Lager von Bevcrloo befindlichen Franzosen in belgische Festungen geschickt. Die in Belgien internirten Franzosen haben ver sucht, in Masse nach Frankreich zu gehen und dort in die Reihen der gegen Deutschland Streitenden aufs Neue einzutreten. Berlin, 0. Oktober 1870. Für die Cernirungstruppen vor Metz ist die Lieferung von 200,000 Pelzen in Auftrag gegeben worden und sollen die ersten Sendungen dieser dort sehr nothwendigen Bekleidungs- Gegenstände bereits unterwegs sein. — Nach dem „St. Anz." beläuft sich die Zahl der in Deutschland zur Zeit befindlichen unverwundeten französischen Kriegsgefangenen nunmehr durch den Zuwachs nach dem Falle der Festungen von Laon, Toul und Straßburg auf 3577 Offiziere und 123,700 Mann. Versailles, 6. Oktober 1870. Se. Maj. König Wilhelm be sichtigte gestern von Ferneres aus die Aufstellung des V. Korps und verlegte darnach sein Hauptquartier von Ferneres nach Versailles. Straßburg, 7. Oktober 1810. Der Verlust an liegendem und fahrenden Gut in Straßburg wird auf 180 Mill. Frks. geschätzt. Die Beschädigten sind amtlich aufgefordert worden, bis zum 12. ihren Schaden zu liquidiren. Der im gegenüberliegenden Kehl durch das Bombardement der Franzosen an Privatgebäuden angerichtete Schaden ist auf 450,000 fl. veranschlagt worden; der an Staatsgebäuden und der Brücke verursachte mag vielleicht die gleiche Summe betragen. Be trachtet man das Verbältniß des beiderseitigen Schadens in Straßburg und Kehl, so ist Kehl mindestens sechsmal so schlimm weggekommen, da die Hälfte der Häuser zerstört ist und die andere Hälfte verlassen wer den mußte, in Straßburg aber nicht einmal der lo. Theil vernichtet wurde. Straßburg könnte seinen Schaden jedenfalls ohne zu große Last aus sich selbst tragen, bei Kehl aber wäre dies rein unmöglich. Für die Straßburger Betroffenen haben verwilligt: die Kommune Berlin 20,000 Thlr., München 20,000 Al., Leipzig 3000 Thlr. und für Kehl 1000 Thlr. — Die Zahl der während der Belagerung von Straßburg gefallenen französischen Soldaten wird auf 1800 angegeben. — In Straßburg 'rat man außer 1070 Geschützen auch 12,000 Chassepotgewehre, 6000 Ztr. Munition und 50 Eisenbahnlokomvtiven vorgefunden. Brüssel, 7. Oktober 1870. Die heutigen Zeitungen bringen die überraschende Nachricht, daß General Bourbaki, bekanntlich der Kom- mandirende de- französischen Garden, und durch seinen tollkühnen Muth, gepaart mit bewunderungswürdiger Kaltblütigkeit, ganz besonders her vorstechend, auf seiner Rückreise von London nach Metz Brüssel berührt habe. Cs muß also dem ebenfalls cingeschlofsen gewesenen Bourbaki doch gelungen sein, aus Metz zu entkommen und es ist ihm zuzutrauen, daß er trotz des durch die deutschen Truppen gebildeten Gürtels auch wieder, nach glücklicher Ausführung eines ihm vielleicht gewordenen Auftrags, nach Metz hineingelangen wird. Ferrieres, 7. Oktober 1870. Da in Frankreich alles Chaos ist und noch für geraume Zeit Chaos bleiben zu wollen scheint, so ist torn Generalstabe der Plan allen Ernstes ins Auge gefaßt, die erober ten Theile Frankreichs den nächsten Winter über deutscherseits auch für den Fall besetzt zu halten, daß Paris genommen wird. Marseille, 7. Oktober 1870. Heute ist Garibaldi hier ange- Im Aatrizieryaule. Novelle von v. Borgstede. <1. Forlsctzung.l „Sic sind pünktlich, Frau Tochter," begann der alte Herr, einen befriedigten Blick auf die weiße Hand auf seinem Arm werfend, an der der Ehering blitzte; „da« freut mich. Man muß den Leuten ein gute« Beispiel geben und sich vor Unpünktlichkeit hüten. Bitte, in diesem Saal ist da» Personal versammelt." Und in der Thal standen in dem nur bei besonderen Feierlichkeiten benutzten Gemach in zwei Reihen die Beamten de» stolzen Patriziers und erwarteten die junge Frau. Jetzt durchtöntc die Helle Stimme de« Chefs den Raum, die darauf hinwies, daß e« Tradition im Hause am Löwenbrunnen sei, ein neue« Familienmitglied dem Personal vorzustellen, und jeden einzelnen aufforderte, zum Glückwunsch heranzutrcleu. Aber ehe der alte Buchhalter seinen Platz verlassen konnte, stand eine lichte Frauengestalt dicht vor ihm, eine schmale Hand schmiegte sich in die seine, und eine herzgewinnende Stimme sagte: „ES freut mich, in Ihnen einen treuen Beamten dieses Hauses begrüßen zu können." Und mit demselben freundlichen Lächeln ging Felicitas die Reihen hinab, jedem die Hand reichend, wa« von Herrn Christian mit gerunzelter Stirn, von Arwed mit spöttischem Lächeln beobachtet wurde. Während sich da» Personal ent fernte, ganz entzückt von der jungen Frau, wandte der alte Patrizier sich an Felicitas. „Er war nie Sitte bei uns, Frau Tochter," sagte er herrisch, „seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ich möchte auch Sie bitten, sich unseren Hau»gesetzen zu fügen, da sonst Unannehmlichkeiten entstehen könnten —" „In allem Andern, wenn c» sein muß," und die junge Frau hielt den durchbohrenden Blick des alten Herrn muthig au«, „nur die Gefühle meine« Herzen- unterstelle ich keinem Gesetz." „Ah, und c« war Ihnen HerzenSbedürfniß, diese mir dienstbaren Leute so herablassend zu begrüßen?" fragte Christian mit scharfem Spott. „Ja, da« war es!" und Felicitas' dunkle Augen wurden vor Bewegung größer und leuchtender. „Einen Segenswunsch kann ein jeder gebrauchen, und ich vor allen. Denn," fuhr sic flammend vor Erregung fort, „ich bin in Ihrem Hause nicht empfangen worden wie da« Weib Ihre« einzigen Sohne-, nicht wie die Tochter an« altem Geschlecht, sondern wie ein Eindringling, eine Ueberlästige! Selbst der Aermste hängt einen Blumenkranz über die Thür, durch die man, vom Altar kommend, tritt ; mich aber begrüßte Ruhe u. eisiges Schweigen." „Sind Sie endlich zu Ende?" unterbrach der alte Han delsherr hier die erregte junge Frau. „Lassen Sie e« sich gesagt sein, Frau Tochter, daß in diesem Hause mein Wort gilt und ich keinen Widerspruch dulde!" Und ohne Gruß verschwand die hagere, dunkle Gestalt des Patrizier« hinter der Thür, die Gatten allein lassend. Felicitas fühlte e« er stickend in sich aussteigen, e« schnürte ihr die Kehle zu. Da stand der Mann, dessen Weib sie hieß, und blickte aus seinen blauen Augen halb belustigt, halb spöttisch auf sie nieder, ohne ein Wort de« Beistandes, der Hilfe. Sie warf einen zürnen den Blick auf sein unbewegte«, edelgcschnittencS Gesicht, sie haßte ihn fast in diesem Augenblick; dann riß sic die Thür auf und eilte die Treppe hinauf in ihr Zimmer, die sie hinter sich verschloß. Arwed blieb gelassen zurück, zündete sich eine Zigarre an und lächelte über die hübsche kleine Frau, die sich so ganz unbegründet erregt hatte. Allerliebst war sie, da» stand fest, mit ihrer schlanken Gestalt, dem feinen Gesicht mit den leuch tenden braunen Augen, und er bemerkte da« erst heute. Da war aber auch nicht mehr die zaghafte, erröthende Fclicita«, die ihn al« Braut kaum anzublickcu gewagt hatte, die auf der Reise wortlos neben ihm gesessen hatte, sondern ein kecke«, selbstbewußte« Weib — sein Weib! Er lächelte wieder. Er war eigentlich recht befriedigt, man würde seinen Geschmack loben, ihn beneiden, mehr verlangte er gar nicht. Er war auch bereit, eine Verständigung mit ihr zu suchen; doch dazu war noch Zeit, erst wollte er Elisabeth begrüßen und dann einen Gang in die Stadt machen. Und sorglos stieg der junge Mann in seine Wohnung hinaus und klopfte dann an die Thür seiner Schwester. Elisabeth wollte sich erheben, um den Bruder cntgegen- zugehen; aber Arwed war schon lachend an ihrer Seite und hielt sie auf ihren Sitz fest. „Guten Tag, kleine Schwester," sagte er, zärtlich ihre feine Hand in seine beiden Hände nehmend; „wie ist cs Dir gegangen, wie gehl cs Dir?" Elisabeth zog seinen hübschen Kopf lächelnd zu sich herab und küßte ihn. „Wie immer, Arwed, wenn Du fort bist! Aber diesmal bin ich für Dein lange« Fernbleiben entschädigt worden; denn Du hast mir doch eine Schwester mitgcbracht." „Ah, Lia, Du hast Felicitas schon gesehen? Wie kam da«, erzähle e« mir!" Und Arwed warf sich behaglich in einen Sessel und betrachtete die Spitzen seiner Lackstiefeln. „Ich ging bald nach Eurer Ankunft zu ihr," begann Elisabeth „und fand sie in Thränen. Sie war gut und herz lich zu mir, Arwed, — Du mußt freundlich mit ihr sein," fuhr sie plötzlich bittend fort, die Arme uin des Bruders Hals legend, — „ich habe sie schon jetzt lieb. Versprich es mir, e» kann Dir auch nicht schwer werden, Felicitas ist reizend." „Das versiehst Du nicht, Lia," sagte der junge Mann mit einem überlegenen Lächeln. „Dergleichen kann eine Frau — auch Du nicht, Elisabeth, — unmöglich beurtheilen. Nun ja, Fclicita« ist hübsch, aber — nun, wie soll ich gleich sagen, Bessh, um Dir verständlich zu sein, sic ist — sic ist nun einmal nicht mein Fall." „Das verstehe ich in der That nicht," erwiderte da junge Mädchen traurig, ihre sanften Augen auf de« Bruders schöne«, gleichmüthigeS Gesicht heftend; „da hast Du recht, Arwed." „Sichst Du, ich wußte es ja! Komm einmal her, Lia, ich will versuchen, c« Dir klar zu machen!" rief der junge Mann, sie zu sich heranziehend. „Sich' mal, Elisabeth," fuhr er dann mit komischen! Ernst fort, „Du List eine herzige kleine Person, ein ganz passabler Blondkopf; aber offen gestanden, heirathen möchte ich Dich nicht." Fräulein Wölwung drohte ihm lachend mit dem Finger. „Das hast Du verstanden, nicht wahr?" „Ich denke Arwed, da« war doch deutlich genug." „Nun also, höre weiter! Ich liebe Feuer, Leidenschaft, Bewegung, da« ist c«, und diese kleine Felicitas scheint mir eher eine stille Natur!" „Du könntest Dich irren." „Aber Arwed antwortete nicht, sondern fuhr begeistert fort: „Weißt Du, Lia, die Sängerin Jllona, da« war mein Ideal, ein famose« Weib, welche Gluth, welch' Gefühl!" „Schweig, Arwed," bat Elisabeth ernst, „sprich nicht so frivol, da« steht Dir nicht, und das verstehst Du nicht. Ich weiß nicht, ob Du die Dame noch außer den Vorstellungen gesehen hast; aber dessen kann ich Dich versichern, daß sic Dir al« Dcinc Frau nicht zusagen würde." „Da« kannst Du nicht so bestimmt sagen, Kleine!" „Doch, Arwed, da« kann ich," gab Elisabeth in zuver sichtlichem Ton zurück; „denn ich kenne Dich. Vorübergehend ist eine Natur wie Fräulein Jllona vielleicht recht anziehend und interessant; auf die Dauer aber kann sic unmöglich fesseln." „Woher hast Du denn die Weisheit, Schwesterchen?" „Aus niir selbst, Arwed! Die Ehe ist etwa- Ernste-, Heilige«, sollte ich meinen, keine Komödie, überhaupt kein Schauspiel, da giebt Herzensbildung und inneres Wesen den Ausschlag." „O, Du heilige Elisabeth!" „O, Du verstockter Sünder!" „Ich muß Dich jetzt verlassen," und der junge Mann erhob sich, „ich muß mich noch nach meinen Freunden um sehen. Adieu, Lia, c« bleibt doch Alle« beim alten zwischen un«?" „Natürlich, Arwed!" Dem Mädchen heiter zunickend, verschwand Arwed, um einen Gang in die Stadt zu machen; Elisabeth aber blieb sinnend mitten im Zimmer stehen, und ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Ob diese beiden ihr so wcrthen
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