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der Truppen an, welches von der Artillerie der genannten Schanze gedeckt wurde. Hauptmann v. Imhofs mit 4 bay rischen Compagnien erstürmte die Schanze, sand dieselbe jedoch bereit« geräumt; acht schwere und ein Feldgeschütz wurden erbeutet. Die Deutschen verloren Ist Offiziere und 424 Mann, die Franzosen außer 300 Gefangenen 32 Ossiziere und 650 Mann. Am Abend de« >9. September war trotz aller Hinder nisse die 3. Armee doch in ihren Stellungen angekommen. Die 3. Armee zog sich um Pari« von Westen nach Osten, so daß eine vom äußersten linken bi» zum äußersten rechten Flügel gezogene Linie mittet' durch Pari« gegangen wäre. Das ö. CorpS stand am meisten nördlich, von Bougival bi» Versailles, rechts davon im Süden bi« Bilwre standen die Bayern, von da bi« an die Marne, also aus beiden Usern der Seine stand da« 4. Corps und daran schlossen sich wieder nach Norden, auf dem rechten Flügel, die Württemberger bi» Nouilly. Die 4. (Maa«) Armee schloß sich hier weiter im Norden über St. Denis an, weiter dann nach Südwesten sich ziehend und der 3. Armee die Hand reichend. Am Abend des 19. September war die Einschließung von Pari» beendet, der Ring um die Stadt vollständig geschlossen. Die Eiscnbahnkatastrophc bei Ocdrran. Ein fürchterliche» Unglück hat, wie wir bereit« in der Sonnabend-Nummer und noch durch Extrablatt meldeten, da» in Zwickau garnisonircnde 133. Infanterie-Regiment betroffen. Der am Donnerstag Nachmittag '/-<i Uhr in Dresden abge- gangenc Sonderzug, der das erste und zweite Bataillon des genannten Regiment« au« dem Manöver in die Heimath zurückbringe» sollte, stieß Abend« kurz vor 9 Uhr vor der Station Oedcran aus einen Güterzug, und die Wirkung de« Zusammenstoßes war so verheerend, daß vier Wagen de« Militärzuges und zwei de« Güterzuge» vollständig zertrümmert, von den in den ersteren befindliche» Mannschaften aber 8 sofort getödtet, 13 sehr schwer, 12 weniger schwer und 22 leicht verletzt wurden. Der Zusammenstoß der beiden Züge erfolgte aus GöberS- dorfcr Flur, und zwar gegen 8°/, Uhr nach Passirung der Kurve über der zweiten Blockstation vor Oederan aus wenig geneigter Bahnlinie. Der fahrplanmäßige Schnellzug Nr. 23b, welcher 8 Uhr 42 Minuten Oederan passirt, bedingte, daß der mit etwa 100 Axcn fahrende Güterzug 2360 zwischen den beiden letzten Blockstationen so lange hielt, bi« der Schnellzug an ihm vor- beigcsahren. Hierauf hatte der Lastzug in die Station ein- zufahrcn und auf einem Nebengleis so lange zu halten, bi» der Militärzug Nr. 98 die Station durchfahren hatte. Der betreffende Güterzug hielt den» auch und setzte sich nach der Vorbeifahrt de« Schnellzuge« eben langsam in Bewegung, als der Militärzug plötzlich auffuhr. Die beiden Lokomotiven de« Militärzüge« fuhren in den Lastzug hinein und zer trümmerten dort mehrere Wagen ; zu gleicher Zeit wurden im Militärzug der Packmcisterwagen und die zwei folgenden Passagierwagen gänzlich, ein vierter Wagen nur wenig zerstört. Vom Zugpersonal wurde der Bremser Sieber au« Zwickau, welcher inzwischen gestorben ist, tödtlich verletzt, zwei Schaffner und ein Bremser jedoch nur leicht verwundet. Auf geradezu wunderbare Art ist der Packmeister mit dem Leben davonge- kommcn, obschon er gänzlich in Wagentrümmer eingeschlossen war. Herzzerreißende Scenen verursachte der Zusammenstoß dagegen in den folgenden Mannschaftswagen. Ein Mann kam so un glücklich zwischen zwei Wagen und deren abgebrochene Pfufser zu liegen, daß er erst nach stundenlanger Qual erlöst werden konnte und dann erst verstarb. Anderer grausiger Szenen bei nächtlichem Dunkel zu geschweige". DaS Schreien und Jammern der Verwundete» veranlaßte die nicht verletzten Kameraden trotz des Befehls „Sitzen bleiben" herauszuspringen, und nun entspann sich bald eine lobcnSwerthc Geschäftigkeit, den Verunglückten Hilfe zu bringen. Auch von der Dingel- schen Verbandwattesabrik kam sofort Hilfe, das Kühlungs wasser lieferte der nahe Teich. Der Umstand, daß der in der Nähe des stgen. Birkenwäldchen« gelegene Ort der Ka tastrophe von Oederan ziemlich entfernt war, erschwerte die Hilfeleistung allerdings ungemein, bald aber waren die Ein wohner de« Städtchens auf den Beinen, die Feuerwehr wurde alarmirt, und gegen 10 Uhr traf auch ein Wagen mit Aerzten au« Chemnitz ein, die sich sofort ihrer grausigen Arbeit wid meten. Eine Hülseleistung schaurigster Art hatten Herr Schmiede meister Bauch und dessen Gesellen zu vollführcn. Einer der unglücklichen Soldaten war, wie schon erwähnt, zwischen die Puffer eingeklemmt und entsetzlich verstümmelt, er rief fort während um Hülfe und stieß schließlich den Rus aus, ihn doch todt zu schlagen; der Aermste sand erst Erlösung, nach dem durch die Ebengenannten die Puffer abgefeilt waren. Kurze Zeit darnach gab der Aermste seinen Geist auf. Gegen halb 2 Uhr Nacht» brachte ein Zug gegen 30 Schwer- und Leichtverwundete nach Chemnitz, die, nachdem sie aus dem Hauptbahnhofe gelabt worden waren, am Bahn übergänge an der Zwickauer Straße ausgeladen und nach dem Militärlazareth tranSportirt wurden. Gegen -/,3 Uhr lief der zweite Zug ein, der gleich dem ersten die Signatur des Jammer« trug. Er enthielt 1b Verwundete und 8 Todte. Die Verwundungen bestehen in Betnverletzungen, ein fachen und komplizirten Knochenbrüchen, Quetschungen, welche einen wesentlichen Theil der Verletzungen ausmachen, und Hautabschürfungen. Ein besonder« schwerer Fall besteht darin, daß einem der Verunglückten fast die gesammte Kopfhaut ab gequetscht wurde. Al« ein Glück ist e» zu betrachten, daß der Dresdner Schnellzug gerade vorbei war, al» der Zusammenstoß erfolgte, und daß der Güterzug bereit» in langsamem Tempo weiter fuhr, denn sonst wäre die Katastrophe noch viel furchtbarer geworden. Eine halbe Minute später, dann wären auch die Insassen de« Dresdner Schnellzuge« dem Unglück nicht ent gangen. Al« Ursache de« hochbedauernSwerthcn Eisenbahnunglücke« vermuthet man zu frühe Entblockung de« betreffen den Streckenblocke». Zur Erläuterung de« hier in Frage kommenden bahntechnischen Vorgänge« sei Folgende« au«ge- sührt: Um da« Auffahren eine« nachfolgenden Zuge« aus einen in demselben Gleise »oranfahrenden Zug zu verhindern, sind an den Bahnlinien Blocksignale eingeführt, die den Zweck haben, die vorliegende Gleisstrecke bi« zur nächsten Blockstation auf so lange abzusperren, al« sich auf derselben ein Zug befindet. Zu diesem Behufe sind die betreffenden Bahn strecken in einzelne Abtheilungen, Blockstrecken genannt, getheilt, welche ihre Begrenzung entweder in den mit Blocksignalen versehenen Wärterhäusern oder in den Bahnstationen finden. Innerhalb einer solchen Strecke darf sich auf demselben Gleise stet« nur ein Zag bewegen und e« ist ein nachfolgender Zug am Anfang der betreffenden Blockstrecke so lange aufzuhalten, bi« von der vorliegenden Blockstation die elektrische Entblock ung erfolgt ist. Letztere ist ein Zeichen dafür, daß der vor- auSgefahrcne Zug bei der vorliegenden Station vorübergefahren und somit die Strecke bi» dahin wieder frei ist, um die« zu erreichen und so die Aufeinanderfolge der Züge nur in be stimmten Entfernungen zu gestalten, sind theil« in Wärter häusern, theil« in den Stationsgebäuden, sowie am Eingänge der Bahnhöfe Blockwerke aufgestellt, welche, durch Draht leitungen unter sich verbunden, derartig auf die damit im Zusammenhänge stehenden Arme an den Signalmasten ein wirken, daß von dem Wärter einer Blockstation nur dann da« Signal „Freie Fahrt" gegeben werden kann, wenn der Wärter auf der vorausliegenden Blockstation durch daS Ent- blocken de« betreffenden Blockfelde« angezeigt hat, daß die Strecke frei ist. (Erwähnt sei hierbei, daß jede« Blockwerk zwei Scheiben in weißer und rother Farbe hat, durch deren Er scheinen dem dienstthuenden Beamten angezeigt wird, ob die vorliegende Strecke gesperrt oder frei ist.) Im vorliegenden Falle soll kurz vor Oederan von dem Blockwärter da« Signal „Freie Fahrt" gegeben worden sein, ehe der hinauSfahrende Güterzug an dem betreffenden Blockwerk vorübergefahren war. Der auf dem Gleist fahrende Militärzug, dem diese« Signal erschien, richtete sich hiernach und durchfuhr die rückliegende Blockstation. Trotzdem hätte sich da« Unglück jedenfalls nicht ereignet, wenn die Strecke eine gerade gewesen wäre, denn in diesem Falle hätte der Lokomotivführer de« Militärzüge« die drei großen rothen Laternen, welche da« Ende de« Güter zuge« markiren, ohne Zweifel gesehen. So aber beschreibt die Bahnlinie an der betreffenden Stelle eine Kurve und al« der Lokomotivführer die rothen Laternen de« Güterzuge» be merkte, war die Entfernung zwischen beiden Zügen zu kurz und da« in seinen Folgen so grausige Unglück war nun un abwendbar. — Zwickau, 21. Septbr. Gestern Nachmittag 4 Uhr 12 Min. traf der erste Sonderzug mit dem 1. und 2. Ba taillon und um 6 Uhr der zweite Sonderzug mit dem 3. Bataillon de« hiesigen Regiments hier ein. Der Bahnhof war abgesperrt. Die Ausschiffung der Mannschaften erfolgte geräuschlos. Ein vieltausendköpfiges Publikum bildete Spalier von dem Bahnhof bi« zur Kaserne, kaum daß die Truppen- theile hindurchmarschiren konnten. Fröhlich, mit Sang und Musik, rückte c« am 27. v. M. in'« Manöver ab, ohne Musik, ohne Gesang, mit ernsten Mienen rückten die Compagnien nach der Kaserne. Auch drang kein Laut au« den dichten Reihen de« Publikum» hervor, e« herrschte Friedhofsstille. Einen wehmüthigen Eindruck rief die unglückliche erste Com pagnie hervor. Wenige Rotten; ihnen folgten, ohne Gewehr und ohne Gepäck, die Leichtverletzten. Al« später sich Offiziere oder Mannschaften auf der Straße zeigten, wurden sie um ringt. Bereitwillig erzählten sie von den erlebten Schreck nissen. Die Feder ist nicht.imstande, sie zu schildern. Von den Mannschaften der Hinteren Wagen de« verunglückten Zuge« wurde nur eine geringe Erschütterung, die aber die Tornister von den Haken herab und den Soldaten über die Köpfe warf, wahrgenommen. Die Aufregung ist hier noch groß. Biele Zwickauer, welche Angehörige beim Regiment haben, reisten noch vorgestern Nacht nach Oederan. Vor dem hiesigen Bahnhofe weilten seit der Unglück«nacht unzählige Menschen, der traurigen Botschaften gewärtig. Den Leicht verletzten soll e« gestattet worden sein, in Privatpflege zu gehen. — Folgende Episode wird noch au« Chemnitz, den 20 Septbr., berichtet: „Heute Morgen bemerkte ich auf dem Perron de« Hauptbahnhof« eine junge Dame, welche den Umstehenden erzählte, sie habe die vorhergehende Nacht einen wirren Traum gehabt, in welchem ihr Bräutigam, der beim Zwickauer Regiment diente, ihr mit blutüberströmtem Gesicht erschienen sei. Al» sic am Zschopauer Straßen-Uebergang bangen Herzen« darnach ausschaute, ob ihr Geliebter unter denen sei, welche man auf Bahren und in Sicchkörben nach dem Lazarcth brachte, ward ihr die Kunde, daß ihm der Brust kasten eingedrückt sei. ..." — Au« Chemnitz wird unterm 21. Septbr. noch fol gende» gemeldet: Al« da« Gepäck der Verunglückten gestern früh auf Wagen von der Unglücksstelle nach dem Bahnhose Oederan gebracht wurde, bemerkte ein Hauptmann auf einem der Wagen Civilzeug. Auf die Frage nach dem Ursprung dieser Sachen wurde ihm die Antwort: „Gehört Soldat Sehfert." Auf die weitere Frage, wo Seyfert sei, erhielt der Offizier die kurze, aber schmerzliche Meldung: „Todt, Herr Hauptmann!" Die Episode hat auf Alle, die zugegen waren, einen tiefen Eindruck gemacht. — Sonntag, Vormittag '/,12 Uhr erfolgt auf dem neuen Friedhöfe die Beerdigung von 6 der tödtlich Verunglückten; die Leiche de« Soldaten Franke wurde heute nach AuerSwalde übergeführt und der Soldat Schneider wird in seiner Heimath Wiesa bei Annaberg be erdigt werden. — Flöha, 21 September. Noch hat sich die Aufreg ung und der Schreck über da« in unserer unmittelbaren Nach barschaft Oedcran erfolgte Eisenbahnunglück nicht gelegt, al« heute Morgen ein Unfall gemeldet wurde, der große Aehn- lichkeit mit dem Oederaner Unglück aufweist. Der in Chem nitz früh 6 Uhr 48 Min. abgehende Personenzug Nr. 722, welcher den Verkehr Chemnitz-Flöha-Annaberg vermittelt, fuhr in der üblichen Fahrgeschwindigkeit über die Flöhaer Eisen bahnbrücke. Da bemerkt der Lokomotivführer de« Personen zuge« auf demselben Geleise und cbenfall» in der Richtung Chemnitz Flöha einen Güterzug. Sofort ließ er da« Noch- signal ertönen und die Bremsen anziehen. Der Personen zug stand, allerding» aber betrug die Entfernung zwischen dem letzten Wagen de« Güterzuge« und der Personenzugs lokomotive nur noch 8 m. Da» Nothsignal und der plötzliche Ruck de« Zuge« verursachte unter den Paffagieren und dem Zugspersonal einen solchen Schreck und eine derartige Auf regung, daß der Oberschafsner und einige Passagiere au« dem Zuge sprangen und sich dabei mehr oder weniger verletzten. Die Verletzten wurden in der nahen Station Flöha abgesetzt und wurde ihnen hier die erste ärztliche Hilfe zutheil. Da« Unglück hätte viel grausiger werden können al« in Oederan, da der Eisenbahndamm an jener Stelle etwa 10 m hoch ist und der Hintere Theil de» Personenzuge« noch aus der Eisen ¬ bahnbrücke stand, unter welcher in beträchtlicher Tiefe die Zschopau fließ«. Die Ursache de« Unfälle» ist noch nickt auf geklärt. Theater. Die gestrige Sonntags-Borstellung zeigte da« erfreuliche Gesicht eine« übervollen Haust», ein Zeichen, daß fick da« theaterliebende Publikum für historische Stücke sehr erwärmen kann. Gegeben wurde da« Schauspiel „Die Grabcsbraut", oder: „Gustav Adolf in München". Die Darsteller entledig ten sich ihrer Aufgaben nach besten Kräften. Heute, Montag, gastirt die Gesellschaft in Schönheide, Dienstag kommt wieder ein historische« Stück zur Aufführung und zwar da« Schau spiel „Philippine Welser" von Freiherr» O. v. Redwitz. Da» Schicksal de» schönen Augsburger Bürgermädchen« ist jä hin länglich bekannt und in Romanen und Beschreibungen ge nügend behandelt worden, dennoch ist e« ein besonderer Reiz, diese un« liebgewordencn Personen in Fleisch und Blut vor un« zu sehen und mit ihnen Freud und Leid gemeinsam durch- zukosten, wie e« eine dramatische Darstellung ermöglicht. Die schöne Philippine Welser wird Fr. Voigt-Karich« in der ihr eigene Weise verkörpern und zugleich ihren reichen Toilettcn- luxu« entfalten zu können. Die reichen historischen Kostüme, welche eine solche Vorstellung bedingt, stehen ja überhaupt der Direktion in vollem Maße zur Verfügung. Aus vergangener Zeit — für unser« Zeit. Vor 25 Jahren. (Nachdruck verbot«!). Ferri öreS, 24. September 1870, NachtS '/,11 Uhr. Am Mittwoch (21.) ließ sich von den besetzten Höhen von Paris beobachten, daß in den Straßen der Stadt ein starkes Kanonen, und Gewehrfeuer stattfand. Wer die kämpfenden Parteien oder Truppentheile waren, ließ sich bis jetzt noch nicht ermitteln. Nach Berichten auS dem südlichen Frankreich ist auch dort eine allgemeine Ausweisung aller Deutschen feiten der republikanischen Be hörden ins Werk gesetzt worden. — In Südfrankreich ist ein von Ba- zaine aus Metz abgelassener Luftballon gelandet. Französische Blätter veröffentlichen einige auf diese Weise an die Verwandten von Soldaten gelangte Briefe. Alle diese Briefe behaupten, Bazaine habe am 14., 16. und 18. August gesiegt. (!) Brüssel, 24. September 1870. Tours, jetzt die zweite Haupt stadt der dritten Republik, ist überfüllt mit Pariser Flüchtlingen , Schwärme derselben zogen weiter nach Bordeaux, Bayonne rc. Der Telegraphendienst ist nach allen Richtungen, außer für Depeschen der Presse und der Armeelieferungen eingestellt. Ausländern ist der Auf enthalt in Tours nicht gestattet. Am 23. trafen in Brüssel Nachrichten aus Tours vom 18. ein. Man fühlt sich dort bereits nicht mehr in Sicherheit, da man befürchtet, daß ein deutsches Armeekorps — die Deutschen hatten sich bereits in Nantes gezeigt — auf dem Marsche nach der Loire ist. Berlin, 25. September 1870. Seit dem 2. August sind bis zum heutigen Tage von französischen Truppen als Gefangene in die Hände der Deutschen gerathen: 1 Kaiser, 1 Marschall, 39 Generäle, 3250 Offiziere, 104,750 Mann (und 14,000 Verwundete in Sedan); dazu 10,280 Pferde, 56 Adler, 102 Mitroilleusen, 690 Feld» und Fest« ungSgeschütze, über 400 Fahrzeuge, mehrere Pontonkolonnen, Magazine, Eisenbahnzüge, sowie eine fast unberechenbare Menge von Vorräthen an Waffen, Munition, Bekleidungs- und Äusrüstungsgegenständen, Fou« rage und Proviant. Köln, 25. September 1870. Unterm 24. wird der „Köln. Ztg." berichtet, Bazaine habe darein gewilligt, auch seinerseits die stets mör derischen und völlig nutzlosen Vorpostengefechte aufhören zu lassen, dabei aber auch entschieden eine Uebergabe abgelehnt und erklärt, daß er die Armee und die Festung dem Kaiser zu erhalten strebe und von der Re« publik nichts wisse. Tours, 25. September 1870. Die Wahlen zur Konstituante werden vertagt, da Preußen entschlossen ist, den Krieg fortzusetzen. Die Regierung erließ eine Proklamation unterm 23., welche lautet: „Jule- Favre wollte Bismarck sehen, um die Absichten des Feindes kennen zu lernen. Wir wissen nun, was Preußen beabsichtigt. Es will den Krieg fortsetzen und Frankreich zu einer Macht zweiten Ranges herabdrücken. Elsaß und Lothringen bis Metz begehrt Preußen kraft des Eroberung-« rechts für die Gewährung eines Waffenstillstands. Ebenso fordert Preußen die Uebergabe Straßburgs, Touls und des Ports Mont Vale» rien. Paris wird sich eher unter seinen Mauern begraben lassen! Solchen Forderungen kann nur durch Fortsetzung des Kampfes geant wortet werden. Frankreich nimmt den Kampf auf, es rechnet auf seine Kinder!" 52. Depesche vom Kriegsschauplatz. Ecrouves, den 24. September. Durch die Kapitulation von Toul sind 109 Offiziere, 2240 Mann, 120 Pferde, I Mobilgarden.Adler, 197 Bronce-Geschütze, darunter 48 gezogene, 3000 Gewehre, 3000 Säbel, 501 Kürasse, sehr bedeutende MunitionS- und Ausrüstungs-Vorräthe, 143,025 Tages-Portionen und 51,949 Tages-Rationen in unsere Hände gefallen. v. KrenSki. 53. Depesche. 1)Ferriöres, den 25. September. Außer unbedeutenden Patrouillen-Gefechten vor Paris nichts Neues. v. Podbielski. 2> Ein Telegramm aus Versailles vom 25. September giebt die Aufstellung der III. Armee vor Paris und fügt hinzu: Der Feind unternimmt nichts Ernstliches, zeigt drei Kanonenböte auf der Seine. Ueberall Verschanzungen und Barrikaden bemerkbar. Karnatz. Vermischte Bachrichten. — Daß der Kaiser e« nicht gern sieht, wenn die Polizei in ihrer Sorge um die Sicherheit de« Monarchen die Bevölkerung, sofern die« nicht unbedingt nöthig ist, hindert, sich dem Herrscher zu nähern, ist bekannt. Eine kleine Scene, die bei der Rückkehr de« Monarchen von der Hcrbstparade vor dem Hause Belleallianccplatz 6 in Berlin abspieltc, liefert ein neue« Beispiel hierfür. Wie jetzt bekannt wird, hatte in der ersten Reihe der Menge, die hier dicht gedrängt die Rückkehr de« Hose« erwartete, der Dienstmann Georg Präusch- kat, ein alter und sehr kränklicher, thcilweise gelähmter Mann, der mir am Stocke gehen kann, Aufstellung genommen. Beim Nahen de« Kaiser» zog er eine Bittschrift hervor und hielt diese hoch empor. Der Kaiser bemerkte den Mann und winkte ihm freundlich zu, hervorzutrcten. In demselben Augenblick aber packten zwei Schutzleute den P., der von der ihm feiten» de« Kaiser« gewährten Erlaubniß Gebrauch machen wollte, stießen ihn heftig zurück, so daß er taumelte, und machten Miene, ihn festzuhaltcn. Der Kaiser, der den Vorgang bc- obacktet hatte, gab durch eine drohende Handbewegung wie durch seine Miene seinen Unwillen zu erkennen; gleichzeitig wandte sich der Flügeladjutant der Gruppe zu, befreite den Präuschkat und nahm die Bittschrift entgegen, die er dem Monarchen au«händigte. Noch im Wciterreiten wandte dieser sich um und nickte dem Bittsteller freundlich zu. — Unsere Damenwelt wird eine Nachricht ungemein interessircn, welche au« den Kreisen der Konsection kommt. Darnach kommen in den nächsten Frühjahr«modcn die ent setzlichen Puffärmel an den Kostümen und gaquet» gänzlich in Fortfall und sollen durch glatt anschließende Aermel ersetzt werden. Auch die Röcke sollen eine Verschmälerung und Ver engerung, wie sie da« Modell >889 aufwie«, erfahren. Die Modeverändcrung wird von den Damen hoffentlich mit der selben Freude begrüßt werden wie von den Gatten und Vätern, welchen die unsinnige Ztoffverschwendung an den Pnfsärmeln, ganz abgesehen vom Schönheit«standp»nkt, stet« ein Greuel war.