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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 17.09.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-189509175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-18950917
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-18950917
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-09
- Tag 1895-09-17
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Monat
1895-09
-
Jahr
1895
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sammt dürsten mehr al» 1000 Gäste au» unserem Königreiche in der Residenz an der schönen blauen Donau eintrefsen. Unter diesen werden sich auch Veteranen befinden, welche im Jahre 1866 in de» Reihen der sächsischen Armee in und bei Wien standen. — Auerbach. Wie verlautet, beabsichtigt da» königl. Ministerium de» Innern in Auerbach und Falkenstein Zweig- unterricht»abtheilungen der königl. Industrieschule zu Plauen für die Fabrikzeichnerlehrlinge einzurichten. Außerdem wird in Falkenstein demnächst eine ständige Vorbildersammlung vom Vogtländisch-Erzgebirgischen Industrie-Verein zu Plauen errichtet werden. — Dippoldiswalde. Den in ungewöhnlicher Menge auftretendcn Raupen, welche die Krautselder vernichtet haben, folgt, ebenfalls von der langen Trockenheit begünstigt, nun auch noch die Plage der Feldmäuse. Diese gefräßigen Nager haben e» jetzt besonder« noch auf die Kartoffeln ab gesehen, bilden für später aber auch eine Gefahr für die Wintersaaten, wenn nicht tüchtig für ihre Vernichtung gesorgt wird. Auffallend in diesem Jahre ist auch da» häufige Auf treten de» Eichhörnchens. ES halten sich jetzt sowohl rothe wie schwarze dieser flinken Thierchen in den Obstgärten der Stadt auf und plündern mit Vorliebe die Pflaumcnbäume. — Pockau. Ein furchtbare» Feuer wüthetc am Mitt woch 'Nachmittag in unserem Ort. Nicht weniger al« 15 Gebäude sind demselben zum Opfer gefallen, und zwar sechs Wohnhäuser, vier Scheunen und fünf kleinere Gebäude. Da» Feuer wurde veranlaßt durch Funken au« der Lokomotive de» nach Reizenhain gehenden Güierzuge«, welche in da« offen stehende Schcunenthor de» Gutsbesitzer« August Börner fielen. Der Brand breitete sich mit rapider Schnelligkeit au«. Zu nächst fielen hier den Flammen zum Opfer die sechs Gebäude de« Gutsbesitzer« Börner und das Wohnhaus des Stell machermeister« Tuschkh. Während man hier mit der Rettung der Mobilien beschäftigt war, brannte in einem weit entfernt gelegenen Theil de« Orte« da« Hau« de« Gutsbesitzer« August Klemm, von wo sich das Feuer über die Gebäude von Fried rich Börner und Julius Wagner verbreitete. Wie durch ein Wunder blieb da« Hau« de« Kirchner« Schreiber, welches sich mitten im Brandherd befand und auch nicht bespritzt werden konnte, unversehrt. Nur dem thatkräftigen Eingreifen der Lengcfelder freiwilligen Feuerwehr ist c« zu danken, daß noch ein größere« Unglück verhütet wurde. Auch wären beinahe zwei Menschenleben zu beklagen gewesen. Der Agent Karl Spicgelhaucr und sein Sohn waren in die Kammer gegangen, um noch einen Schrank herunter zu holen ; plötzlich wurde ihnen durch die Flammen der Rückweg abgeschnittcn, und e« blieb ihnen nicht« andere« übrig, al« sich am Blitzableiter herabzulasscn. Die BedauernSwerthen Kalamitosen haben zum größten Theil nicht versichert. — Altenberg. In Sächsisch-Zinnwald steht unmittel bar an der LandcSgrenzc ein Häuschen, da« insosern Be achtung verdient, al« c« s. Zt. von Böhmisch-Zinnwald über die Grenze hinübergeschoben worden ist. Die Ursache war folgende. Obgleich im dritten Zehnt de« l7. Jahrhunderts alle Protestanten in Oesterreich den Befehl zur Auswander ung erhielten, wenn sie nicht katholisch werden wollten, hatten sich doch in Zinnwald und Umgegend zahlreiche evangelische BcrgmannSfamilien im Stillen 160 Jahre lang sorterhaltcn. Diese harmlosen Leutchen müssen aber den Mariascheincr Je suiten, al« sic von ihrem Dasein Kunde erhielten, doch manche schlaflose Nacht verursacht haben und deshalb mußten sic im Jahre 1726 den Wanderstab ergreifen und sich durch die Gründung der Orte Neugeorgenscld und GvIIgetreu in Sachsen ein neue« Heim schaffen. Einem der Auswanderer wurde e« aber doch zu schwer, sich von seinem Häuschen zu trennen, und da e« hart an der Grenze stand und jedenfalls meist au« Holz gebaut war, wußte er Rath und schob c« eine« Tage« mit Hilfe seiner Leidensgefährten über die Grenze hin über. Zum Andenken an jene merkwürdige Begebenheit konnte man bis vor wenigen Jahren an einem Deckenbalken des einen Stüblein« die Inschrift lesen: „Ich bin nun aus Sachsen- Boden, Gott Lob, Weil mich mein Wirth, Han« Hirsch, au« Böhmen herüberschob." Leider ist diese Inschrift bei einem Umbau de« erwähnten Häuschen« übertüncht worden. — Nach den Mittheilungen, die von den amerikanischen Konsulaten gegeben worden sind, hält die Zunahme der Ausfuhr überall an, in Leipzig besonder» für Bücher, illu- strirte Zeitschriften, Bürsten, Chemikalien, Buntdruckfarben, Leinenwaarcn, Garn und Pelze; in Annaberg für Spitzen, in Breslau für Handschuhe und Leinenwaarcn, in Plauen für Stickereien, Stoffe und musikalische Instrumente, in Dresden für künstliche Blumen, Leinen und halbleincnene Maaren, Che mikalien. Chemnitz hat bereit« jetzt einen doppelten Umsatz von Strumpfwaaren und Trikotagen im Vergleich mit dem Vorjahre. Glauchau zeigt nahezu dasselbe Ergebniß. — ES kommt oft vor, daß auf Urlaub befindliche Mili- tärpersoncn von Eltern, Freunden und Brüdern durch allerlei Zureden zu UrlaubSüberschrcitungen veranlaßt werden. 'Nach einem Urtheil de« Reichsgericht« sind solche Civilpcrsonen mit der Maßgabe zu bestrafen, daß bei Erkennung auf eine Freiheitsstrafe von nicht mehr al« sechs Wochen an Stelle de« Arreste« Hastslrase tritt. Al« Hilfeleistung zur UrlaubSüberschrcilung ist jede Thätigkeit zu verstehen, die darauf abzielt, die Urlaubsüberschreitung zu fördern; sie liegt auch dann vor, wenn ein Dritter den Thäter in seinem Ent schluß, den Urlaub zu überschreiten oder die Ueberschreitung fortzusetzen, bestärkt oder befestigt, besonder« wenn der Thäter in seinem Entschluß noch wankend war. — Der Fleischverbrauch der sächsischen Bevölkerung hat sich in den letzten 40 Jahren durchschnittlich von 7„i aus 13,» KZ beim Rindfleisch und von 7,« aus 21,» kx beim Schweinefleisch erhöht. Die Gcsammtzahl de« Verbrauches von Rindfleisch ist von 14,808,100 Irx auf bl,068,300 lex, beim Schweinefleisch von 15,491,700 lex aus 80,630,000 kx gestiegen. — Au« Greiz wird dem „Leipz. Tagcbl." geschrieben: Wie schon erwähnt, war in dem Fürstenthum Rcuß ä. L. von höchster Stelle au« eine Feier de« Sedanfeste« nicht gewünscht worden, ja man hatte sogar eine Betheiligung der Schulen an dem Feste wie auch an der Einweihung de« Bismarck- Denkmal« untersagt. In Crispendorf hatte der Militärverein am Sedanfeste einen Kirchgang mit Musik geplant und davon die zuständige Behörde unterrichtet, einen Bescheid aber nicht erhalten. Al« nun der Verein zum Kirchgang antra«, erschien der Gendarm, um da« Vorhaben zu hindern. Der Vorsitzende berief sich aber aus die Anmeldung, worauf er mit dem Ver ein und unter klingendem Spiele zur Kirche marschirte, ob gleich der Gendarm drohte, daß die Betheiligten eine schwere Gefängnißstrafe wegen Landsrieden«bruche« treffen würde, denn Reuß ä. L. habe seine eigenen Gesetze. Man ist nun sehr gespannt daraus, wa« der Kirchgang für Folgen haben wird. «uS vergangen«» Zeit — für unsere Zeit. Dresden, 17. September 1870. ^Die jetzt erschienene erste säch sische Verlustliste (Schlacht am 18. August) enthält die Namen von 204k Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten; gefallen sind 1V9, vermißt 252. 595 Mann sind angeführt ohne jede weitere Angabe. An diesem ver- hänanißvollen, aber auch glorreichen Schlachttage verloren 2 preußische Regimenter allein so viel, wie das ganze säcks. Armeekorps. Darum, nach all' den ungebeuren Opfern, nur keinen faulen Frieden, sondern Ausnutzung u. Verfolgung der Siege bis in die äußersten Konsequenzen! München, 18. September 1870. Der bayrische Antheil an der Sedaner Kriegsbeute besteht in 91 Feldgeschützen, 20 Mitrailleusen, 49 Festungsgeschützen, 345 Fahrzeugen verschiedener Gattung, 15,660 Chasse. potS, 2850 andere Feuerwaffen, 720 Kavalleriesäbeln, 470 Küraffen, 264 Lanzen, aegen 50o Ctr. Pulver und zahlreichen Montur- und Aus. rüstung-gegenständen. — Sämmtliche bayrische Gemeinden, bei denen aus Frankreich auSgewiesene Deutsche Zuflucht gesucht haben, sind an. gewiesen worden, die für solche aufgewendeten Kosten zu liquidiren, damit später von Frankreich deren Rückersatz verlangt werden könne. Frankfurt a. M., 18. September 1870. In den letzten Tagen haben wieder gegen 6000 Personen Straßburg verlassen und sich theils in die Schweiz, IheilS nach Deutschland gewendet. Infolge an einzelne gerichteter Befragungen haben dieselben berichtet, die durch das Bom bardement in der Stadt angerichteten Verwüstungen beschränkten sich blos auf einige Straßen ; von einer nennenswerthen Schädigung des Münsters wollten sie gar nichts wissen und die berühmte astronomische Uhr, die ebenfalls durch deutsche Geschosse zerstört worden sein sollte, sei noch in bestem Zustande und gehe bloS darum nicht mehr, weil sie seit der Belagerung nicht wieder aufgezogen worden sei. Hm Uebrigen herrsche keine Roth an Nahrungsmitteln, da- Brod beispielsweise sei nicht einen Cent theurer als vor dem Kriege und nur die Furcht vor dem, was noch kommen könne, treibe sie aus der Stadt. Koblenz, 18. September 1870. Der Präfekt von Laon, Ferrand, wurde heute auf dem Ehrenbreitstein als Gefangener eingeliefert. Dieser ist der Nichtswürdige gewesen, der die Katastrophe von Laon vorbereitet und den gräßlichen Meuchelmord in Szene gesetzt hat. Charakteristisch ist für seine moralische Verkommenheit, daß der Präfekt zur Entschuldig ung seines Verhaltens nur Vorbringen konnte, er habe nichts weiter als seine Schuldigkeit gethan. Vor Straßburg, 18. September 1870. In der vergangenen Nacht wurde die Beschießung Straßburgs auf das Heftigste fortgesetzt und der Feldtelegraph bis in die dritte Parallele geführt. Sämmtliche Angriffswerke sind nunmehr unter sich durch den Feldtelegraphen ver bunden. London, 18. September 1870. In Birmingham, Scheffield und London werden gegenwärtig für Frankreich 400,000 Gewehre und 30 Millionen Patronen fabrizirt, und das duldet die angeblich neutrale englische Regierung. Der todte Lieutenant. Eine lustige Gespenstergeschichte v. Michel Folden. <l. Fortsetzung.) Adam drehte sich wie an einer Schnur gezogen um seine senkrechte Achse und stampfte zur Thür hinaus. „Gott sei Dank!" murmelte Arthur ihm erleichtert nach. „Der Kerl wäre beseitigt! Er braucht gerade die zehnte Stunde zu seinem Weg, ist also nicht im Hause! Da« niederträchtige Ding für Azor wird er nicht versäumen, in mein Zimmer zu hängen, denn gehorsam ist er, wie eine Maschine, und ich will hun dert gegen ein« weiten, wenn er nicht trotz all' seiner Dumm heit so pfiffig ist, den au«gehändigten Hausschlüssel dazu zu benutzen, um seine Guste mit nach der Station zu nehmen und sein Stelldichein außerhalb de« alten Schlosse« abzuhal ten. Da wäre also die Gefahr gerade noch einmal rechtzeitig vermieden. „De Herr Leitnam hett Bang," murmelte Adam draußen mit nachdenklich emporgezogcnen Brauen vor sich hin und hängte den Hausschlüssel sorgsam an einen Haken seiner be scheidenen Kammer, „Hei kömmt nich hin, wo dat Gespenste iS, nu kann hei nich marken, dat ick mit mien Juste um nün Uhr do bin, hähähä! De Brief trag ick nachher hin; hei scggt, dat prcfsirt nich so!" Und gehorsam nahm er da« für Azor« Erziehung bestimmte Instrument vom Nagel und trug c« in seine« Herrn Zimmer, der c» bald darauf mit einem Blick sichtlicher Befriedigung dort hängen sah und c« hastig in seinem Schrank verschloß. Er drehte den Schlüssel sicher heitshalber zweimal um und steckte ihn in die Tasche, denn Vorsicht ist in allen Dingen gut, und zumal bei Liebes abenteuern niit einem so heiklen Hinderniß in Aussicht! Freifräulein Aurora von Zwiebelberg mußte wohl die Süßigkeit der Liebe und deren Verlockungen entweder sehr gründlich oder gar nicht in ihrem Leben kennen gelernt haben, denn sie verhielt sich in ihrem jungfräulichen Alter von drei undsechzig Jahren äußerst feindselig gegen diese christlichste von allen Tugenden. Wenigstens hatte Frcifräulein Aurora ihrer armen Verwandten Lucie, die bei ihr im Hause lebte, ein für allemal erklärt, daß von Heirathenwollen nie bei ihr die Rede fein dürfe und sie sich daher von der Sünde et waigen Verliebens bei Strafe ihrer allerhöchsten Ungnade sehr wohl zu hüten habe. Ein ebenso strenges, aber noch weit drastischer durchgefllhrte« Regiment hielt sie bezüglich ihrer Knechte und Mägde aufrecht, die, um jeglicher sündhaften Frei heit nach dieser Richtung hin beraubt zu sein, sännntlich in deni weiten, alten Herrenhause schlafen mußten, selbstverständ lich unter strenger Sonderung der Geschlechter in einen Männerflügel und einen Mägdcflügel de« Schlosse«, Abends von ein halb neun Uhr an unter strengem Verschluß gehalten wurden. Auch heute war bereit« tiefe offizielle Stille in die Räume de« Schlosse« eingezogen, als die HauSuhr mit heise rem Klange neun schlug. Wa« Knechte und Mägde betrifft, so wissen wir nicht, wie e« bezüglich ihrer stand, und sind auch viel zu diskret, um neugierig danach zu forschen; aber Flure und Korridore waren leer — Lank weniger Auroras Schlüsseln, al« Arthur« Bademantel. — Das Frcifräulein schnarchte mit Selbstzufriedenheit zur Decke ihre« Himmel bette« hinauf, der Mond lächelte geheimnißvoll auf die alte entlegene Veranda an der Hintcrscite de« Hauses nieder, wo Arthur, Lucie und die Ehrendame, Frau Eusebia, in eben so traulichem wie für Fräulein Aurora wenig schmeichelhaftem Plauderstündchen weilten. Am Ende des von der Veranda nach dem Innern de« Hause» führenden langen Korridors, den nur wenige Mondstrahlen erleuchteten, da, wo derselbe gerade am Beginn de« Mägdcflügcls mündete, saß — saß auf einer alten Kiste Adam Grieneiscn, kaute an einer furcht bar dicken Butterstulle u. guckte mit den kleinen, wasserblauen Augen erwartungsvoll nach der verschlossenen Thür hinüber, an der Auguste erscheinen sollte. „Adam!" flüsterte e« endlich leise, und die Thür de« MägdeflügclS wurde furchtsam ein wenig geöffnet. „Adamkcn, ich komm' nich, ich sörcht mi vor dat Ge- spinnste!" „Dat i« jo nich hier!" protestirtc Adam verblüfft und warf verwunderte Blicke umher wie einer, der gar nicht be greifen kann, wie man sich vor etwa» fürchten könne, wa» noch nicht da ist. „Aber wenn't kömmt, Adam!" sagte Guste hinter der Thür. „Denn süll't sin Weg geh'n, da aeiht mi nischt an!" meinte Adam, welcher seinem dorgestreckten Kopf und seinen die Thürspalten musternden Augen nach zu urtheilen, weit mehr den Korb im Sinn hatte, der in Augusten» Händen sichtbar wurde und einen erklecklichen Geruch von Viktualien au»strömte, al» da» Gespenst, da« nun einmal noch nicht da war und übrigen» weit weniger Raum in Adams bescheide nem Begriffsvermögen sand al« der sichtbare Korb mit seinem vermuthlich sehr realen und greifbaren Inhalt. Auguste schien von der unbewußten Kourage ihre« Lieb haber« ein wenig ermulhigt zu sein, denn sie trat schüchtern au» der Thür hervor und auf Adam zu. Ein herzhafter Kuß belohnte sic, da« heißt einer, den nicht er ihr, sondern sie ihm gab. „Erbsen mit Sauerkohl von heut' Mittag!" flüsterte sic zärtlich. „Dein Leibessen, mein Jung!" Adam gab da« breiteste Grinfen zum beste», da» er zu leisten vermochte und wollte eben mit beiden Händen in den Korb hineingreiscn, um den verlockend darin vom bleichen Mondlicht funkelnden Napf herauSzunehmen, al« plötzlich Guste, die den Korb noch nicht von ihrem Arm losgelassen hatte, mit dem Ausschrei: „O Jott, da kömmt wat!" entsetzt in die Thür zurückhuschte und diese hinter sich verschloß, den Korb in der Hast de« Momente« mit sich nehmend. Adam starrte ihr mit weit ausgerissenen Augen entsetzt nach — entsetzt nicht über da» „wat kömmt", sondern über da«, iva« gegangen war, nämlich Sauerkraut und Erbsen! „Verdamnnigter Racker!" prustete er und meinte damit bei leibe nicht seine Auguste, der er nachstierte, sondern da« un bekannte Etwa«, da« ihn gestört hatte und dem er vorläufig nur sein Ohr zuwcndete, da er seine entrüsteten Augen im mer noch auf Güsten« Thür geheftet hielt. Hätte er dieselben seitwärts nach dem dunklen Ende de« Gange« gerichtet, so würde er gesehen haben, wie dort im fahlen Mondlicht, da« schwach durch einige trübe, kleine Scheiben hereinfiel, drei Gestalten aufgetaucht waren, von denen zwei sich, wie e» schien, sehr eng aneinander hielten und merkwürdig schmatzten, bei Güsten« leisem Schrei aber alle drei schnell auSeinandcr- suhren, ihrer zwei hastig nach seitwärts verschwanden und die dritte, eine lange, weiße, faltenreich umwallte Gestalt mit oben etwa« Blutrothcm statt de» Kopfe« erschrocken einen Schritt zurückprallte und sich emsig noch viel mehr in da weiße GrabcSgewand hüllte, als sic zuvor darin eingehüllt war. Adam hatte sich endlich überzeugt, daß da« Entsetzliche nicht bloße Täuschung seiner erhitzten Phantasie, sondern grausige Wirklichkeit sei, daß nämlich Guste mitsammt Erbsen und Sauerkraut verschwunden sei und nicht wiederkomme, und wendete nun langsam und verblüfft sein breite« Gesicht dem Korridor zu, von wo er da« verdächtige Geräusch vernommen hatte und wo er jetzt die weiße Gestalt im bleichen Mond licht vor sich stehen sah. „DunncrSschock, de Düwel!" brummte er erschrocken und lehnte sich verdutzt an die Wand, um abzuwarten, was nun kommen werde. „De Düwel!" Hätte Adam Grieneisen ein so scharfes Gehör besessen, wie man c« eigentlich von keinem Menschen verlangen kann, so würde er gehört haben, wie das Gespenst ganz leise vor sich hinzischte: „Ich muß den verdammten Kerl graulich zu machen suchen, sonst komm ich nicht an ihm vor bei und werde entdeckt!" Zugleich heulte da« Gespenst leise vor sich hin: „Huuh! Huuuh! Huh!" al« ob e« Leibschmcr- zen habe und schwebte langsam, feierlich, ja man hätte saft vermeinen können: zögernd aus Adam zu. „A — dam — Grien — ei — sen!" wimmerte e« mit hohler Grabesstimme, „geh hinweg, ich bin ein Gespenst, ein böser, böser Geist!" „Verflixt! Unser Herr Pastor scggt awwer, dat gisst keen' Gcspinster!" wandle Adam verblüfft ein und retirirte langsam und halb unschlüssig vor dem Gespenst zurück, da« ihm mit feierlichen, aber etwas langgenommencn Schritten nachschwebte und offenbar gern an ihm vorbcizuwollen schien. „Mach' fort, Adam, oder ich raube Deine Seele und fahre mit ihr zur Verdammniß!" sagte da« Gespenst hohl und streckte seinen langen, weißen Arm nach Adam au«. „Verflixt, un nu Hess ick den Hunnpictsch nich hier!" brüllte Adam laut auf in einer Mischung von Zorn und Angst, welche allmählich anfingen, ihm da» bißchen Kops zu benehmen, über da« er zu verfügen hatte. Da« Gespenst schien sich da« zu nutze machen zu wollen. Sichtlich zusammcngeschreckt bei dem plötzlichen lauten Aus bruch von Adam« Stentorstimme, schwebte der Geist, der e« jetzt plötzlich sehr eilig zu haben schien, energisch auf Adam zu, streckte den einen Arm mit dem weißen Gewand nach ihm au«, al» wolle es ihn damit umschlingen, und sagte hohl: „Fliehe oder komme mit mir zur ewigen —" „Au!" brüllte Adam in höchster Angst. „VerdammigteS Gespinnst, loß mi sinn!" und, vollkommen kopflos, instinktiv nur an da« denkend, wovon er in solchen Fällen der Noch den wirksamsten Gebrauch zu macken gewohnt war, holte Adam mit dem einen Arm und der daran befindlichen flachen Hand weit au«, schwang beide» wie einen fliegenden Dresch flegel durch die Luft und ließ e« im nächsten Moment der maßen wuchtig nach der Gegend hinsausen, in welcher da« Gespenst muthmaßlich seinen Kops haben mußte, wenn e« ihn nicht nach zeitweiliger Geistermode unterm Arm trug, daß er dem armen GrabeSbewohner wahrscheinlich den spröden Todtenschädel zertrümmert haben würde, wenn sich der Geist nicht so hastig nach vornüber niedcrgeduckt hätte, daß die ner vige Hand ohne zu treffen durch die Luft dahin fuhr. Da Adam hierbei aber unbedingt auf einen gewissen Widerstand an dem Gespcnsterschädel gerechnet Halle, der seinem Arm bei dem gewaltigen Schwünge Halt verleihen würde, dieser er wünschte Halt aber nun nicht gefunden wurde, sondern der Arm jetzt ungehemmt durch den leeren Raum dahinsauste, so theilte sich, einem fatalen, physikalischen Gesetz zufolge, die für den Gespensterschädel berechnete Schwungkraft dem ehr lichen Burschen mit und Adam flog, ihr folgend, nach vornüber, wobei er über da« vor ihm niederduckende Gespenst stolperte, sich in dessen Leichentuch verwickelte und im nächsten Augenblick Mensch und Geist über einander fort am Boden rollten. „Mordio!" brüllte Adam im höchsten Entsetzen. „Halt'« Maul, Kerl!" knirschte ihm da« Gespenst unter ihm leise zu. „Siehst Du denn nicht, wen Du vor Dir hast?" Und da» im fahlen Halbdunkel au» dem Leichentuch hervorguckende Gesicht de« Geiste« starrte ihn zornig an.
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