Volltext Seite (XML)
des Kaiser«. Frau Ambrosius ist eine schlichte Bäuerin aus einem kleinen ostpreußischcn Dorfe; ohne eine höhere Aus bildung genossen zu haben, besitzt sie eine so eigenartige und urwüchsige Begabung für die Dichtkunst, daß sie Aufsehen er regte und daß auch die kaiserliche Familie Freude an ihren dichterischen Leistungen gewann, (Line Auswahl ihrer Gedichte erschien kürzlich im Berlage do» Heckenast Nachf. in Leipzig, und da« Merkchen erlebte in wenigen Wochen füns Auflagen. Um unfern Leser» Gelegenheit zu geben, den Werth der schlichte» Poesien selbst zu würdige», lassen wir zwei Gedichte von Jo hanna Ambrosius hier folgen: Die Tochter der Armen. Ich möchte kleiden Dich in lauter Seide, In s Haar Dir flechten blitzendes Geschmeide, Mit Spangen schmücken Deinen schlanken Arm, Doch, liebes Kind, vergieb, ich bin zu arm. Ich hab' Dir nichts als meine Lieb' zu geben, D'raus will ich Dir ein warmes Tüchlein weben, Mit Glück- und Segenswünschen tausendfach, Daß Gott Dich schütz' vor Leid nnd Ungemach; Daß er Dich schirme vor des Schmerzes Tosen. Die Brust Dir schmücke mit der Liebe Rosen, Dich speis' und tränt' mit seinem Gnadeulicht, Das ist mein Wunsch, mein Kind — mehr hab' ich nicht. Mein Bubo. Ost schleich' ich, wenn zur Ruh' gegangen Der kleine Kobold, hin zu ihm Und seh' voll Lust und stillem Bangen, Wie rosig seine Wänglein glüh'n, Seh' aus der Lippen keuschem Prangen Sein kindlich „Vater unser" hangen. Mein Jung', mein Bub', mög'ft Du erringen, Was Deiner Mutter ist versagt: Dich auf zum Bergesgipfel schwingen, Wohin sonst nur der Aar sich wagt. - Möcht silberrein Dein Lied erklingen, Mög'st Myrth' und Lorbeer Dir ersingen. — Bon gewaltigem Schrecken erfaßt wurde Anfang« dieser Woche ein Mädchen in Rabenau, al« demselben auf freiem Felde plötzlich ein Bär begegnete. Derselbe gehörte dem l5irku« Maine, welcher zum Schützenfest in Rabenau Borstellungen gab. Meister Braun hakte einen günstigen Augenblick benutzt, dem Schauplatze seiner Thätigkeit Batet zu sagen und einen kleinen Spaziergang anzulreten. Er hatte sich indeß der süßen Freiheit nicht lange zu erfreuen, da er bald genug vermißt und nachdem er sich in einer Fischbude eine Portion Aale angeeignet hatte, von den auSgcsandten Häschern wieder cingefangen wurde. — In der diesjährigen Delegirtenvcrsammlung de« Erzgebirgsvereins, die am 28. September in Schönheide stattfindct, wird über eine Erweiterung des FichtelberghauscS Beschluß gefaßt werden. Bei der vorjährigen Delegieren- und Hauptversammlung wurde bereits die Noth- wcndigkcit hervorgehoben, die dem gesteigerten Besuche des FichtclbergeS nicht mehr entsprechenden Räumlichkeiten de« Schutzhauses, da« ein schuldenfreie« Bcsitzthum de« Gesammt- vereinS geworden ist, durch einen Anbau zu vergrößern. Der Gcsammtvorstand des ErzgcbirgSvcrcinS ist im Lause de« ver gangenen Winter« der Lösung dieser Aufgabe näher getreten, indem er zunächst durch die königliche Obcrsorstmcistcrci Schwarzenberg darüber sich Gewißheit verschaffte, ob über haupt von Seiten de« königlichen Finanzministeriums gegen den beabsichtigten Anban eine Einwendung gemacht werden würde. Das königliche Finanzministerium hat darauf zu er kennen gegeben, daß cS nicht abgeneigt sei, die geplante Er weiterung de« UnterkunftShauses zu genehmigen, zunächst aber der Einreichung der betreffenden Baurisse entgegensetze. Der Gcsammtvorstand war später in der Lage, die gesorderken Baurisse cinsenden zu können. Er hatte Len Erbauer des SchutzhauseS, Herrn Baumeister Puschmann in Johanngeorgen stadt, ersucht, einen solchen Bauriß anzufertigen, dieser hat sich auch bereitwillig dieser Ausgabe unterzogen. Der Anbau von I3,m in Länge und 6 in Tiefe ist an die Südseite des FichtelberghauscS unter Mitbenutzung der Umfassungsmauer daselbst gedacht. Eine Antwort ist von feiten des Ministe riums noch nicht erfolgt. Einen weiteren Gegenstand der Tagesordnung bildet die Unterstützung für das Paul-Flcming- Dcnkmal in Hartenstein. DaS Denkmal kommt auf den Markt zu stehen. Die in Bronze gegossene Figur de« Dichters wird 2„-> in hoch und da« Postament au« grauem polirten Granit hcrgestcllt werden. Mit der Ausführung wurde der Bildhauer Meißner in Friedenau bei Berlin betraut. Die Herstellungskosten de« Denkmals ohne die Kosten der auf dem Marktplätze erforderlichen Arbeiten belaufen sich auf 0000 Mk. Zur völligen Deckung dieser Summe fehlten bei Einreichung des Gesuchs noch 2000 Mk. Der Zweigverein Hartenstein bittet nun, die Delegirtenvcrsammlung wolle dazu aus der Hauptkasse de« ErzgcbirgSvcreins einen Beitrag von 500 Mk. bewilligen, und der Gcsammtvorstand hat darauf einstimmig beschlossen, diese« Gesuch zu befürworten. — Der Zweigverein Leipzig beantragt ferner die Herausgabe einer billigen übersichtlichen Karte für da« Erzgebirge. — Vom Zwcigvcrein Eibenstock ist ein Gesuch um eine Unterstützung von 150 Mark zur Herstellung und Vervielfältigung eines Panoramas vom AucrSbergc gestellt worden. — Au« dem Bogtlande, 31. Juli. Die Thatsache, daß vergangene Woche in dem Dorfe Peuschen ein sieben jährige« Mädchen nach dem Genüsse von Heidelbeeren heftig erkrankte und bald darnach starb, veranlaßt un«, darauf auf merksam zu machen, daß e« auch eine entartete Heidel beere (Vucciuinm nliein^nm) giebt, die man auch Trunkel- odcr Nauschbeere nennt. Sie gedeiht vorzüglich auf Moor oder Sumpfboden und die ziemlich großen Beeren sind im Innern etwa« Heller, al« die Früchte der eigentlichen Heidel beere. Sie besitzt, wie auch der Name Nauschbeere «»deutet, stark narkotische Eigenschaften und diese dürsten dem obener wähnten Mädchen den Tod gebracht haben. — Zu Ehren de« in die letzten Julitaae fallenden Geburtstages de« Baumeister« L. in L. bäckt die Gattin desselben alljährlich Heidelbeer kuchen, den der Baumeister allen anderen Kuchensortcn vorzieht. Der Kuchen war auch am Freitag gebacken worden und vor züglich gcrathen. Nach ersolgtcr Rückkehr vom Stammtisch wollte unser Baumeister in später Nachtstunde noch ein Stück Heidelbeerkuchen zu sich nehmen; er begab sich im Finstern aus die Suche — wußte er doch soviel, daß der frische Kuchen einstweilen in die „gute Stube" gestellt worden war. Kaum dort angelang«, «rat unser Forscher auch schon aus „etwa« Weiche«"; erschrocken den Fuß zurückziehend, verlor L. da« Gleichgewicht und purzelte der Länge lang hin — wieder aus „etwas WeecheS". Man hatte nämlich in der Eile die Heidelbeer kuchen aus den Fußboden gestellt und da« köstliche Gebäck war aus unsreiwillige Weise statt zum Appeiitstillen zum Färben verwandt worden. Kleider, Hände und Gesicht des Heidel- bcerkuchensreundc« erstrahlten nämlich, bei Lichte besehen, im schönsten, dick aufgetragcnen Blau. — An der sächsisch-böhmischen Grenze, nahe von Schönborn, hat dieser Tage der Förster Winter ein Räuber nest in Gestalt einer Waldhöhle entdeckt, die sorgfältig mit Tannenreisig und Moos verdeckt war. Die Höhle war drei Meter lang, zwei Meter hoch, die Insassen aber ausgeflogen, doch fand man ein ganze« Waarenlager: Geflügel, Eier, Schnaps, Bettzeug, Kleider, Werkzeuge, LebenSmittclvorrätbe:c. Hieraus erklären sich die vielen noch ungcsühnten Einbrüche in dortiger Gegend. Au» vergangener Zeit — für unsere Zeit. Vor 26 Jahren. (Nachdruck verboten). Dresden, 3. August 1870. Der Krieg, obschon er in seinem Anfang für unsere Truppen bisher hoffnungsvoll verlaufen, hat doch in Handel und Gewerbe eine Lähmung gebracht. Allgemein wird daher der Wunsch laut, daß man endlich zu mehr Ruhe, zur Unter- nehmungs- und Kauflust zurückkehren möchte, damit die Geschäftsstockung nicht allgemein werde. — Es machte sich auch die Besorgniß geltend, daß das Papiergeld der deutschen Staaten seinen Werth verlieren könne. Der Spar- und Darlehnsverein und die besseren Geschäfte erklären daher, daß sie nach dem Vorgehen der Dresdner Gewerbebank und anderer Geldinstitute sämmtliche nord» nnd süddeutschen Kaffen scheine ohne Abzug in Zahlung nehmen. Neunkirchen, 4. August 1870. Die in Saarbrücken befindlich ge wesenen Lokomotiven und Eisenbahnwagen sind landeinwärts unbe schädigt weiter geschafft. Bei der Affaire am 2. August wurde das Eisenbahn Stationshaus durch Granaten ziemlich beschädigt. Mainz, 4 August 1870. Die bei Weißenburg von den Preußen gefangenen Franzosen sind zum großen Theil über Frankfurt nach dem Norden befördert worden. Von den Küsten, 6. August 1870. Der in Paris erscheinende „Constitutione!" tischt seinen Lesern zum 2. Male seit dem 25. Juli die Nachricht auf, daß französische Kriegsschiffe zwei deutsche Kanonenboote weggenonnnen hätten. Bei der deutschen Flotte weiß man davon nichts. - Man glaubt allgemein, daß Frankreich mit seiner Flotte überhaupt bloß hat schrecken und die Streitkräfte Deutschlands bloß theilen wollen, denn bei dem Mangel an Truppen (sind doch sogar die paar Regimenter der französischen Besatzung von Viterbo sJtalien^ am 6. nach Frankreich eingeschifft worden) wird es unmöglich ein großes Landungsheer auf den nördlichen Kriegsschauplatz werfen können. München, 6. August 1870. Die bei Weißenburg von den bay rischen Truppen, welche sich nach dem Urtheile ihrer preußischen Waffen brüder mit ausgezeichneter Tapferkeit geschlagen haben, gemachten fran zösischen Gefangenen, 346 Mann und 12 unverwundete Offiziere, sind nach der Festung Ingolstadt befördert worden. 3. Depesche vom Kriegsschauplatz. In der letzten Nacht von der Armee eingegangene Details über das Gefecht bei Saarbrücken lauten: Ungeachtet des Feuers einer be deutenden Artillerie verblieben unsere Vorposten in ihrer Stellung bis Abtheilung die Stadt und nahm dicht nördlich derselben eine neue Be obachtungs-Stellung. Diesseitiger Verlust in diesem Vorposten-Gefecht 2 Offiziere, 70 Mann trotz Chassepots, Mitrailleusen und zahlreicher Artillerie. — Der Feind scheint bedeutende Verluste zu haben. An dem selben Tage, 2. August, ging der Feind bei Reinheim östlich Saargemünd mit einer starken Kolonne über die Grenze, eröffnete auf die kleinsten diesseitigen Patrouillen heftiges Tirailleurfeuer ganzer Compagnien, wobei jedoch nur ein Pferd gestreift wurde; vor Anbruch der Nacht ging der Feind wieder zurück. Unsere Truppen in allen diesen kleinen Gefechten herrlich. Berlin, den 4. August 1870. 4. Depesche. Glänzender aber blunger Sieg der Kronprinzlichen Armee, unter des Kronprinzen Augen, bei Erstürmung von Weißenburg und des da hinterliegenden Gaisberges, durch Regimenter vom 5. und 11. preußischen und 2. bayrischen Armeecorps. Französische Division Douay vom Corps Mac Mahon, unter Zurücklassung ihres Zeltlagers, in Auslösung zurück geworfen. General Douay todt. Ueber 500 unverwundete Gefangene, darunter viele Turcos und I Geschütz in unseren Händen. Unserseits General Kirchbach leichter Streifschuß. Königs Grenadier- und 50. Re giment starke Verluste. Berlin, den 4. August 1870. 5. Depesche. Mainz, 4. August 1870. An die Königin Augusta! Berlin, fochten durc'i Stürmung von Weißenburg und des dahinter liegenden Gaisberges. Unser 5. und 11. Corps und 2. bayrisches Armec-CorpS fochten. Feind in Flucht. 500 unverwundete Gefangene, eine Kanone und das Zeltliger in unseren Händen. Divisions-General Douay todt. Von uns General v. Kirchbach leicht gestreift. Mein Regiment und 58er starke Verluste. Gott sei gepriesen für diese erste glorreiche Waffen chat! Er helfe weiter! Wilhelm. 6. Depesche. Mainz, Freitag, den 5. August, Vormittag 9 Uhr 25 Min. Nach Gefecht bei^Weißenburg nicht 500, sondern 800 unverwundete französische Soldaten in preußische Kriegsgefangenschaft gefallen. Auch in Mainz sind bereits französische Kriegsgefangene eingetroffen. München, Freitag, den 5. August, Vorm. Eine amtliche Mit- tyeilung des bayerischen Kriegsministeriums meldet, daß sich unter den 800 bei Weißenburg in Kriegsgefangenschaft gefallenen Franzosen 18 Offiziere befinden. Frankfurt a. M., Freitag, 5. August, Vorm. 11 Uhr^20 Min. und 480 Mann französischen Gefangenen, darunter viele Turcos, hier ein. Die Gefangenen wurden hier gespeist, dann nach dem Norden, wie man hört über Berlin, weiter befördert. Kin Glückskind. <14. Fortsetzung.) „Du willst mich mit meinen eigenen Worten schlagen? — O Rose, glaube mir, er ist ehrlicher wie mancher, der nur um Gut und Geld willen nach eine« Mädchens Hand greift." ES klang herbe, bitter. Rose wurde flammendroth. Etwa« wie Haß gegen Elsa regte sich in ihrem Herzen. „Hast Du dabei eine bestimmte Persönlichkeit im Sinne?" gab sie schneidend zurück. Sic blickte erwartungsvoll Elsa an. Diese zuckte gleichmüthig die Achseln: „Warum ereiferst Du Dich, Rose? — Wie sollte ich zu einer greifbaren Person kommen?" Rose entgegnete nicht«; sie stand auf und ging hinaus. Am Nachmittag stattete Rose Raoen» eine Visite ab. Indessen fuhr ein Reisewagen vor und demselben entstieg — Baron Edgar von Güldau. Ein Stich fuhr Elsa Lurch s Herz, al« er cintrat; sie wollte durch die andere Thür entweichen, er aber rief: „Elsa!" Sie blieb, aber ihre Brust rang keuchend nach Athem. „Elsa," sagte er weich, „Du hast Dich verlobt, ich wünsche Dir Glück dazu." Sic blickte ihn durchbohrend an: „Ist e« Hohn?" Er gab zurück: „Elsa, Du verkennst mich; Du weißt nicht, wie tief unglücklich ich bin. Ich spiele um da« Dasein jetzt Vaban- que; ich muß e« ebenso machen wie Du!" „Wirklich?" E« klang wie Ironie. — sein Blick hob sich zürnend: „Glaube mir denn nicht, wenn e« Dich über die Situa tion wegtäuschen kann. — Ich werde Dich nie vergessen, Elsa. Du warst die Seele meine« Leben«; nun beginnt die Komödie der Täuschungen!" „Täusche Dich nicht über Dich selbst zuerst." „Gott weiß e«, daß ich ehrlich war!" „Und Du willst Rose zu Deinem Opfer erwählen?" „Wirst Du mich verrathen?" „Sic ward um einen Ton bleicher, al« sie entgegnete: „Du denkst niedrig von der, die Du geliebt haben willst. Edgar, ich verachte Dich! Konntest Du nicht um mich ringen?" Er blickte nicht auf, sondern murmelte leise: „ES wäre ein nutzloser Kampf geworden." „Gut," entgegnete sie herbe, „ich will nicht weiter rich ten; ich gab Dich frei; Du kannst thun und lassen, wa« Du willst. — Rose hat mir unzählige Wohlthaten erwiesen, so viele, daß ich sic fast darum hassen könnte. Ihr gönne ich Dich am — wenigsten; aber verrathen werde und kann ich Dich nicht, Edgar; ich habe Dich ja geliebt. Lebe wohl!" Sie war verschwunden. Er blickte ihr bewundernd nach und flüsterte: „Und liebt mich noch. Unglückliche!" Im nächsten Moment trat Rose ein. An ihrem wie mit Sonnenschein überzogenen Gesichte sah er schon, was er zu hoffen habe, wenn er sein „Sesam, öffne Dich!" ihrem Herzen zuries. „Ach, gnädige« Fräulein," empfing er sie mit tiefer Verbeugung, „da sind Sie ja! Fräulein Elsa wollte Sie be reit« aufsuchen. Soeben angekommen, verfehle ich nicht. Ihnen meine Aufwartung zu machen." „Da« ist mir angenehm, Herr Baron! Haben Sie wieder Geschäfte in Birkau?" „Allerdings, die Vermessungen sind ja noch nicht abge schlossen. Die Regierung hat durch meine Person dieses Mal speziell mit Ihnen als Herrin von Birkau zu verhandeln." „Wirklich?" Das war also der von Schmalfuß beregte Punkt. „Wohnen Sie wieder im AmtShause?" „Zu dienen! Die Regierung hat sich in dem Häuser komplex einen Flügel Vorbehalten. Da finde ich eingerichtete Zimmer für mich." „Wir werden Sic aber doch öfter bei uns sehen, als sonst?" Wärme sprach aus diesen Worten. Edgar verneigte sich schweigend. „Sic kommen mir ganz anders als sonst vor," meinte Rose sinnend. „Wirklich? — Sie sind scharfsinnig! In der That, ich trage schwer an dem Tode meiner Tante Adelaide. Ich stehe nun ganz allein!" „Sie haben doch Freunde!" warf Rose hin und errö- thete. „Freunde? — Ich habe einen Freund, Lieutenant Heskomp!" „Und Kurt, ich meine Landrath von Raven?" Edgar zuckte die Achseln: „Gnädiges Fräulein! Eine Hcirath ändert viele«, unterdrückt manchmal sogar die herz lichsten Bekanntschaften!" „Ich kann c« mir denken! Ja, Sie haben recht. Raven« leben nur füreinander." „ES wird wohl in allen jungen Ehen so gehen," lächelte Güldau. Er war verführerisch schön in diesem Augenblick. Elsa erschien ganz unbefangen wieder, als sich Edgar eben empfahl, um der landräthlichen Familie und dem Pastor seine Aufwartung zu machen. Am andern Tage ließ sich Herr von Wildenborn melden. Er befand sich im feinsten GesellschastSanzuge und bat Rose um einen Augenblick Gehör unter vier Augen. Rose führte ihn mit Herzklopfen in ihr Boudoir. „Gnädige« Fräulein," begann er hier, „ich bin ein ganz einfacher Mann, der weite Umwege nicht liebt. Ich hatte die Ehre, bei Ihnen eingeführt zu werden. Sie kennen mich genugsam, um die Frage, die ich jetzt an Sie zu richten im Begriffe stehe, entscheiden zu können. Ich weihe Ihnen die Gefühle reinster Achtung und Verehrung; würden Sie sich entschließen können, Ihr Loo« mit dem meinigen zu ver knüpfen?" Rose war bleich wie der Tod. „Herr Baron," gab sie bebend, aber doch entschieden zu rück, „ich danke Ihnen für die mir erwiesene Ehre. Ich schätze Sie hoch, aber meine — Hand kann ich Ihnen, ohne zu lügen, bei dem wichtigsten Schritte de« Leben« unwahr zu werden, nicht reichen. Verzeihen Sie die offene Antwort!" Er starrte sie wie verzweifelt an, al« hätte er die Ab weisung nicht erwartet, al» könne er die Antwort nicht fassen. Dann schlug er sich vor die Stirn. „Ja so! Ich bitte um Verzeihung." Er verbeugte sich und schritt hinaus. Rose blickte aus dem Fenster, sah die gebeugte Gestalt dem Wagen zueilen, einsteigen und davonfahren. Sie fühlte Mitleid mit dem Aermsten, aber konnte sie'S ändern? Viel leicht, wäre Edgar nicht gewesen und gerade jetzt eingetroffen, wer weiß, wie sie sich entschieden hätte. Jetzt aber ries c« in ihr: „Er liebt dich, er sucht deine Nähe; du wirst glücklich!" Und nie ist der Menfch mehr Egoist al« im Glücke. Al» Mamsell Ritter erfuhr, was geschehen, sagte sie: „O Rose, Sic haben unrecht gcthan. Sic wollen aber den Andern. Thun Sie« nicht." „Aber, meine liebe Rittern, warum nicht?" Mamsell trat nahe an Rose heran und flüsterte ihr in« Ohr: „Weil ich glaube, daß er Fräulein von Lindblatt gern hatte!" „Wie kommst Du darauf?" „Wollen Sic e» ihr nicht sagen! Dann will ich reden!" „Ich gelobe e«! Wenigsten« soll sie Deinen Namen, meine liebe, zweite Mutter, nicht erfahren!" „Nun," entgegnete die Alte, „ich glaube gesehen zu haben, wie Fräulein von Lindblatt da« letzte Mal, al« der Herr Baron hier waren, ein Briefchen unter die Tischdecke im Vorzimmer schob, welche« der Herr Baron später an sich nahmen!"