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Nationalitätenfrage mit eine Hauptrolle spielt. Dir» war auch in der Mittwochsdebatte de» Hause» der Fall; der Czeche Kramarcz sang unter Drohungen «egen die Regierung die alten Klage« lieber seiner Fraktion, Abg. Traf DzieduzSicki nahm in seiner Rede die Interessen der Polen wahr und der Italiener Malsatti brachte allerhand Wünsche de» italienischen Bevölkerung-rlemrnt» Oesterreich» vor. Den deutschen Standpunkt vertraten kräftig die Abgeordneten Menger, Schicker, und Bareuther, wobei die beiden, Letzteren die Festlegung de» Deutschen al» Staatssprache Oesterreich« forderten. — Dir ästerreichische ParlamentSkristS gilt bi» auf Weitere» al» vertagt. Wien,'31. Okt. 300 italienische Studenten veranstalteten in der Aula der Universität eine Kundgebung für die Errichtung einer italienischen Universität und zogen hierauf vor da» Parlament, wo sie Hochrufe auf die italienischen Abgeordneten ausbrachten. Die Wache zerstreute mit blanker Waffe die Studenten und die große Menschenmenge, die sich angrsammelt hatte. Ein italienischer Student wurde wegen Widersetzlichkeit verhaftet. In Pest weilte der russische Großfürst Michael Nikolajewitsch mehrere Tage al» Tast de» Kaisers Franz Josef. Das Ereigniß wird allgemein als eine Bekundung des unge störten Einvernehmens zwischen Oesterreich und Rußland, speziell betreffs der Balkanfragrn, auf gefaßt. Budapest, 31. Oktober. Heute früh erschien der Kaiser im Hotel Bristol, wo bereits Erzherzog Joirf zur Verabschiedung von dem Großfürsten Michael eingetroffen war. Der Kaiser verweilte eine halbe Stunde bei dem Großfürsten und ge leitete dann denselben nach dem Bahnhofe, wo die Verabschiedung in überaus herzlicher Weise erfolgte. Um 8 Uhr reiste der Großfürst mit Gefolge nach Wien ab. Budapest, 31. Oktober. Das Abgeordneten haus wählte unter großem Beifall den Grafen Albert Apponyi zum Präsidenten. Frankreich. Die Stellung deS französischen Finanz mini st erS Caillaux scheint durch seinen, der Drputirtenkammer in der Vorlage über die Deckung der Kosten der China-Expedition ge machten Vorschlag, die Kosten durch eine Renten anleihe zu decken, einigermaßen schwierig geworden zu sein; wenigstens bekämpfen sämmtliche Oppo- sitionSblätter das Anleiheprojekt des F'nanz- ministrrS auf'S Heftigste. Auch in parlamentari schen Kreisen findet dasselbe nur eine sehr getheilte Aufnahme. Paris, 31. Oktober. Die „Agence HavaS" veröffentlichte gestern Abend folgende Meldung aus Toulon: Der Kommandant des Mittrlmeer- geschwaderS Admiral Maigret erhielt die Ordre, die Lebensmittel an Bord zu ergänzen und sich für die Abfahrt bereit zu halten. Nachmittag» um 2 Uhr ging das Geschwader nach verschiedenen Richtungen in See, um Uebungen vorzunehmen. Bon mehreren Blättern wird mit Bestimmtheit behauptet, daß nur ein Theil des Geschwaders an den Uebungen theilnehmrn werde und daß der eigentliche Zweck eine Demonstration im Orient sei, um die Regelung des türkisch-französischen Konfliktes zu beschleunigen. — Der „Figaro" will wissen, daß die vom Kontreadmiral Caillard befehligte SchiffSdiviston, welche zu dieser Demon stration bestimmt sei, aus 3 Panzerschiffen und 2 Kreuzern bestehe. An Bord dieser Schiffe befänden sich angeblich 2000 Mann Landungstruppen. Da» Blatt giebt unter Vorbehalt zu, daß da» Ziel dieser Abtheilung Salonicki oder vielmehr Mytilene sei, welches die Einfahrt zu den Dardanellen und zum Golf von Salonicki beherrsche. Caillard habe Ordre erhalten, die Hafenzölle mit Beschlag zu belegen, falls Frankreich nicht sofort Genugthuung erhalte. — Der „Figaro" beglückwünscht die Re gierung, daß sie sich zu der von der öffentlichen Meinung geforderten Aktion entschlossen habe. — „Echo de Paris" meldet, gestern habe zwischen DelkassS und Constans eine längere Unterredung stattgefunden, deren Inhalt geheim gehalten werde. Pari», 31. Okt. Die Instruktion an Admiral Caillard ist heute abgesandt worden. Urber die Stelle auf türkischem Gebiet, wo die Flotten demonstration stattfinden soll, fall» die Haltung de» Sultan» dieselbe erforderlich macht, wird nicht» verlautbart. Marseille, 30. Okt. In hiesigen Marine kreisen ist man über die Haltung eine» englischen Schiffskapitän», welcher dem beschädigten franzö sischen Madagaskardampfer „Calrdonten" begegnete, sehr ungehalten. Der französische Dampfer, welcher mit gebrochenem Wellbaum etnlief, begegnete dem englischen Dampfer „Himalaya" und sprach ihn um Hilfe an, doch lehnte der „Himalaya" solche fprüche für echt holten, sind wir in der Lage zu erklären, daß sie von Anfang bi» Ende erlogen sind. Berlin, 31. Okt. Der vom Bischof Brnzler dem Kaiser geleistete HuldigungSeid hatte, wie die „Germania" auf Grund authentischer Information srststrllt, folgenden Wortlaut: „Ich schwüre und verspreche zu Golf aus die heiligen Evangelien, Sr. Majestät dem deutschen Kaiser Treue und Gehorsam zu wahren. Ich verspreche auch, weder im Inland« noch im AuSlande ein Einverständniß zu pflegen, einer Berathung beizuwohoen oder eine Verbindung zu unterhalten, welche der öffent lichen Sicherheit gefährlich sein könnte. Sollte ich innerhalb meiner Diözese oder anderSwo etwas von einem Anschlag zum Nachtheile de« Staat« erfahren, so werde ich e» zur Kenntniß der Re gierung bringen". Die Beschlüsse der ständigen Commission de» preuß. Lande».Oekonomie-Collegium» zum Entwürfe deS neuen Zolltarif» sind nun mehr veröffentlicht worden. Sie sind vollständig vom Standpunkte der Agrarpartei au» gefaßt worden und erklären sich namentlich gegen jede etwaige Herabsetzung der Zollsätze für Roggen und Weizen noch unter 6 Mark feiten» der ver bündeten Regierungen oder de» Reichstage«; sie würden dann eine gänzliche Ablehnung deS neuen Zolltarifentwurfes noch vorziehen. Selbst einem Heruntergehen mit den Zollsätzen für Roggen und Weizen unter 7,50 Mark würden die Beschlüsse genannter landwirthschaftlichrr Vertretung nur dann zustimmen können, wenn die in dieser Beziehung bereits vom Ausschuß des deutschen Londwirth- schastSratheS ausgesprochenen Voraussetzungen ein treffen sollten, speziell, wenn der geplante Doppel tarif auf alle landwirthschaktlichen Produkte ausgedehnt werden würde. Aufsehen erregt die polizeiliche Ausweisung deS deutsch - amerikanischen Journalisten HerringS. welcher der Beschießung der Taku- fort» an Bord de» „JltiS" beigrwohot und hierbei eine schwere Verwundung erhalten hatte, au» Preußen. Gegenüber den in einem Thrile der Presse gegen diese Maßnahme gerichteten An griffen erklärt nun da» Berliner Polizeipräsidium in einer Veröffentlichung, daß HerringS auSge- wiesen worden sei, weil er sich der Wehrpflicht entzogen und deshalb vom Landgericht Bamberg eine einmonatige Gefängnißstrafe erhalten habe; die AuSweisungSmaßregel treffe durchweg alle Aus länder, die sich in ähnlicher Weise vergingen. Auf den erledigten Posten eines Präsidenten der Ansiedelungskommission für Posen und Westpreußen soll der Oberbürgermetst er von Posen, Witting, berufen werden. Der Tod hat in jüngster Zeit unter den Mitgliedern deS Reichstages reiche Ernte gehalten. Nachdem kurz hinter einander die frei sinnigen Abgeordneten Wintermeyer und vr. Siemens, sowie der Däne Johannsen vom Tode hinweggrrafft worden waren, ist ihnen nun auch der sozialdemokratische Abgeordnete vr. Schön- lank, Vertreter für Breslau - Ost, nachgefolgt; derselbe war schon seit Monaten unheilbar geisteS- krank. Der Reichspostdampfer „Herzog" ist mit einer Ladung von 6000 Centnern Salpeter an Bord, der für die Buren zur Verarbeitung zu Pulver und Dynamit bestimmt war, aus Süd afrika nach Hamburg unverrichteter Sache zurück gekehrt. Der Salpeter war einer auf portu giesischem Gebiet gelegenen Pulverfabrik zugeführt worden, mußte aber auf Verlangen der englischen Regierung zurücktranSportirt werden. Der aus Peking gemeldete deutsch- chinesische Zwischenfall — Beschlagnahme deutscher Maaren durch die chinesischen Zollbe amten — wird an maßgebender Berliner Stelle al» belanglos betrachtet, obwohl man daselbst über dies Borkommniß noch keinen näheren Bericht besitzt. Berlin, 30. Oktober. Der „Getreidemarkt" berechnet auf Grund von 5000 Berichten der einzelnen LandrStheile den Ertrag der diesjährigen Ernte in Deutschland an Weizen auf 2,470,000 t, an Roggen auf 8,145,500 t, an Sommergerste auf 3,021,860 t, an Hafer auf 7,105,000 t. Dir» würde den offiziellen Erntrschätzungen gegen über einen Minderertrag von 1,837,560 t an Weizen, 405,200 t an Roggen, einen Mehrertrag von 265 t an Hafer und von 20,000 t an Gerste bedeuten. Nach den Ziffern de» Vorjahre» würde also ein Jmportbedürfniß von 3 Millionen Tonnen für Weizen und von 1 Million Tonnen für Roggen sich ergeben. O e st e r r e i ch. Im österreichischen Abgeordneten- Hause sind anläßlich der ersten Etatübrrathung groß« Redeschlachten im Gange, in denen die Der sächsisch« Wrzätzter. Gett« S. unter dem Borwand, keine Zeit verlieren zu können, ab. In Marseille ongrkommen, erklärte der Eng länder, die „Ealedonien" habe seine angebotene Unterstützung abgelehnt. Ein anderer englischer Dampfer, „Elson", der kurz darauf an der „Eale donien" vorbeifuhr, forderte 100,000 Franken für die Hilfeleistung, die „Ealedonien" in» Schlepptau zu nehmen. Endlich brachte rin französische» Schiff die ersehnte Hilfe. Die französischen Kapi täne sprechen von Trgrnmoßregeln gegen die Engländer. Bonifazis (Corsica), 31. Oktober. Da» Mittrlmeergeschwadrr operirt auf hoher See. Nach den Manövern wird rin Theil nach Le» Salin» d' Hytzre» zurückkrhrrn. Die unter dem Kommando de» Admiral» Caillard stehende Division hat Befehl erhalten, weitere Instruktionen abzu warten. Diese werden möglicherweise dahin lauten, daß sie sich von dem Geschwader zu trennen und nach den türkischen Gewässern zu begeben hätte. Türkei. Konstantinopel, 30. Oktober. Eine Anzahl Offiziere und Unteroffiziere der Marine veran stalteten gestern vor den AdmiralSgrbäude eine Kundgebung wegen de» rückständigen Solde». Nachdem sie beruhigende Zusicherungen erhalten hatten, zerstreuten sie sich. Konstantinopel, 30. Oktober. Nachdem Munir-Bey bei den Erben Sorando» Schritte behuf» Herbeiführung eine» Einvernehmen» unter nommen hatte, versuchte er wiederholt, eine Unter redung mit dem französischen Botschafter Bapst zu erlangen, der sich jedoch weigerte, ihn zu empfangen. Konstantinopel, 30. Oktober. Infolge dreier pestverdächtiger Krankheitsfälle in Datum, von denen einer tödtlich verlief, ordnete der Oberste SanitätSrath eine lOtägige Quarantäne für die Hrrkünfte au» Batum an. Die Herküpfte au» Liverpool werden einer ärztlichen Untersuchung unterworfen. Niederlande. Die von den Amsterdamer Hafen arbeitern angeregte internationale Streikbewegung unter den Hafenarbeitern zum Boykott der englischen Handelsschiffe wird voraussichtlich im Sande verlaufen. Zwar stehen die ausländischen Hafenarbeiter dem Boycott- plane im Allgemeinen sympathisch gegenüber, selbst unter den englischen Hafenarbeitern fehlt eS nicht an ZustimmungSkundgrbungen, indessen stellt eS sich doch immer mehr und mehr heraus, daß die der Verwirklichung de» ganzen Unternehmens ent- grgenstehenden Schwierigkeiten fast unüberwindliche sind. Außerdem ist eS durchaus nicht sicher, ob dieser internationale Streik, selbst wenn er zu Stande käme, , seinen Endzweck, die englische Re gierung durch den allgemeinen Boycott der eng lischen Schiffe zur Nachgiebigkeit in Südafrika zu bestimmen, auch erreichen würde. Trotzdem kann dieser sympathische Beweis der vereinigten Hafenarbeiter für die gerechte Sache der Burrn nicht hoch genug eingeschätzt werden, er sticht denn doch gegen die Gleichgiltigkeit, mit welcher alle Regierungen der fortgesetzten brutalen Vergewaltigung de» Burenthum» durch England zusehen, scharf ab. Haag, 31. Okt. Heute fand eine lange Unter redung zwischen der Burendeputatton, vr. Leyd» und van Barschsten statt. Belgien. Brüssel, 30. Okt. Gestern nach einer Buren versammlung fanden große Straßenkundgebungen statt. Die Studenten, die an der Spitze de» Zuge» marschierten, sangen antiengltsche Lieder. Nachdem die beiden Burenführer nach dem Hotel gebracht worden waren, wollte sich die Volksmenge nach der englischen Botschaft begeben, sie wurde aber von der Polizei noch rechtzeitig verhindert. England. Die Sensationsgerüchte über ein angeblich ernstes Krebsleiden des Königs Eduard von England sollen völlig unbegründet sein. Der vom Kolonialminister Ehamberlain auch in seinen letzten Reden wiederum verkündete Ent schluß der englischen Regierung, unter allen Um ständen den Burenkrieg zu Ende zu führen, hat natürlich die Entsendung neuer englischer Truppenverstärkungen nach Südafrika zur Voraussetzung. Es ist denn auch im Lager zu Aldershot der Befehl eingegangen, daß sich die dortige Kavallerie-Brigade bereif zu machen habe, Mitte November nach Südafrika eingeschifft zu werden. — Die Bergarbeiter in Süd-Wale» haben beschlossen, auf drei Tage zu streiken, in folgedessen die vereinigten Grubenbesitzer ihrerseit» den Beschluß faßten, jeden streikenden Bergarbeiter und auch deren Verdand gerichtlich zu belangen.