Volltext Seite (XML)
«Slim Uhr: «» WW Vifchsf-Rserst«, tze« 14. Dezember IVOS. Italien, Der ehemalige deutsch« Reichskanzler Kürst Bülow wurde am Sonnabend vom Papst in Audi, enz empfangen. Die widerspruchsvollen Meldungen über den Stand der Kabinetts-Krisis in Italien klären sich jetzt dahin auf, daß nun doch ein neues Kabinett Sonnino zustande gekommen ist. Gonnino selbst hat in der neuen Regierung neben dem Borsitz das Messort des Innern übernommen. Im son stigen weist das neue Kabinett folgende Zusam mensetzung auf: Guicociardini, Aeußeres; Scio- loia, Justiz; Salamdra, Schatzamt; Arltto, Fi nanzen; General Spilingardi, Krieg; Admiral Btzttolo, Marine; Daner, öffentlicher Unterricht; Rubini, öffentliche Arbeiten; Lueatti, Landwirt schaft; Santonofrio, Postministerium. B a l k a n h a l b i n s e l. Die Autwortuote der vier Schuhmächte Kre- taS auf die jüngste Note der Pforte in der kreti schen Frage ist nunmehr den türkischen Botschaft tern bei den Regierungen der Schutzmächte über- geben worden. Die Antwort der Mächte ver sichert, die türkische Oberhoheit über Kreta solle nicht angetastet werden, erklärt aber den gegen wärtigen Moment für ungeeignet, diplomatische Verhandlungen über die von der Pforte geforderte definitive Regelung der politischen Verhälnisfe Kretas einzuleiten. Türkei. Die türkische Drputiertenkammer verhandelte am Sonnabend über die Konzessionierung der Anglo-Türkischm Gesellschaft für die Schiffahrt in Mesopotamien. Der Großvezi« Halmi Pascha erklärte, die Regierung sei gesetzlich nicht ver pflichtet, dem Parlament die betreffende Konzes sion vorzuleg«, trotzdem nahm die Kammer den Antrag des Jungtürken Halil auf Vorlegung die- ser Konvention an. Infolgedessen traten die Mi- nister sofort zu einer außerordentlichen Beratung zusammen; eS heißt, das Kabinett werde dimissio- nieren. Sachsen. Bischofswerda, 13. Dezember. Mit dem Er folg des silbernen Sonntags, der durch mildes Wetter, man kann sagen Tauwetter, beeinträchtigt wurde, dürsten die Geschäftsleute kaum zufrieden sein. In den Straßen und in den schön ausgestat teten Verkaufsläden entwickelte sich nicht das rechte weihnachtliche Treiben und vom Lande war der Besuch auch nicht sehr erheblich. Die Hoff- nung der Kaufleute richtet sich noch auf die kom menden Tage und den goldenen Sonntag; möge sie in reichstem Maße in Erfüllung gehen. 8 Bischofswerda, 13. Dez. Zum heutigen Vieh markt waren in den Stallungen der hiesigen HotelS und Gasthöfe zum Verkauf gestellt: 286 Stück Rinder und 81 Stück Kälber. Zum Austrieb ge langten hiervon jedoch nur 49 Stück Rinder und 7 Stück Kälber, während der übrige Teil von den Händlern schon vor Beginn des heutigen Bich- Marktes an den Mann gebracht wurde. Außer dem war der heutige Viehmarkt mit 65 Stück Fer- keln, 28 Stück Läuferschweinen, Pferden aber nicht betrieben, wohl aber waren von den letzteren W Stück ebenfalls in den Stallungen der hiestgen Hotels und Gasthöfe zum Verkauf gestchlt. DWW Deutscher Reichstag. Der zweite Tag der allgemeinen Etatsdebatte, die Sitzung vom Freitag, wurde durch eine Rede deS Freisinnigen Or. Wirmer eingeleitet, der allerlnan der „Programmrede" des neuen Kanzlers auSzusetzen hatte, Indessen sichtlich bemüht war, alle oppositionellen Schärfen zu vermeiden. Nun mehr erhob sich der Reichskanzler, um abermals da- Wort zu nehmen. Er lehnte eS ab, auf die Anzapfungen des freisinnigen Redners betreffs der preußischen Wahlreform näher einzugeben und verwahrte sich dann dagegen, daß er in seiner Einführungsrede eine Kritik an der nationalliberalen Partei wegen ihrer Haltung in der Finanzreform auS-eübt We; ftMer betont« er nochmals, daß England. In England nimmt die Wahlbewegung ihren lebhaften Fortgang. In allen von liberal« Seite einberufenen Wahlversammlungen gibt sich fort gesetzt große Entrüstung gegen das Oberhaus kund. Marokko. Zwischen dem französischen und dem spanischen Gesandten in Tanger soll ein Konflikt wegen der marokkanischen Angelegenheit ausgebrochen sein. Doch steht die Ursache des Konflikts noch nicht ge nau fest. ES heißt, die spanische Regierung Miß billige die Haltung ihres Gesandten in Tanger und wolle ihn abberufen. Amerika. Die Feindseligkeiten zwischen den Regierungs truppe« und den Insurgenten in Nicaragua sollen einstweilen eingestellt worden sein, da angeblich Verhandlungen über die Wahl eines Nachfolgers des Präsidenten Zelaya schweben. Letzterer soll die Absicht haben, zurückzutreten. Andererseits heißt es indessen, seine Truppen marschierten in Stärke von 3000 Mann gegen die von den Re bellen besetzte Stadt Bluefields. Der Streit zwischen den beiden amerikanischen Rordpolforschera Pearh nad Dr. Cook zeitigt im mer wieder seltsame Blüten. So hatten der Ver- sicherungSbeamte Dunkle und der Kapitän Loose in New Aork die sensationelle Aussage gemacht, sie seien von Eook bestochen worden, einen Teil der ihm zugeschriebenen Aufzeichnungen über seine Entdeckungsfahrt nach dem Nordpol zu fabrizie ren. Nach weiteren Meldungen soll es sich jedoch um ein skrupelloses Manöver der Freunde Pearys zur Diskreditierung Dr. Cooks handeln. sich das vielgestaltige politische Leben in Deutsch» M land nicht an das Schema: Radikalismus oder H Reaktion, spannen lasse. Hierauf ging Herr W v. Bethmann Hollweg auf das Gebiet der auS- H wärtigen Politik über, streifte flüchtig daS deutsch- H österreichische Bündnis, ließ sich über den Stand. H der marokkanischen Frage aus und gab dann eine 4 offizielle Erklärung über das gegenwärtige Ver» hältnis zwischen Deuffchland und England ab, in H welcher er der bestimmten Hoffnung auf eine H weitere gegenseitige Annäherung dieser Länder V Ausdruck verlieh. Er verbreitete sich des weiteren Z über die Stellung Italiens im Dreibund und W über die Monarchenbegegnung von Racconigi, so- H wie über das offizielle Verhältnis zwischen Deutsch- Ä land und Rußland, alle Themata in beruhigender -M Weise behandelnd. Zuletzt fertigte er die neuen W deutsch-hetzerischen Treibereien in der russischesM Presse gebührend ab und erklärte, die deutsche M AuSlanospolittk würde nur mit um so größer« ..-W Ruhe und Stetigkeit fortgeführt werden, wobei er U die deutsche Presse aufforderte, bei ihren Betrach- , D tungen über Vorgänge im Ausland Ruhe und kühle M Reserve zu beobachten. Dem Reichskanzler folgte W der Staatssekretär des Auswärtigen v. Schoen H, mit einer Rede, in der er die deutsch-französischen Marokkoabmachungen und die Kongofrage erörterte. W Dann trat der Sozialdemokrat Scheidemann mit H einer oppositionellen Hetzrede auf; seine VetuN- W glimpfung des Andenkens preußischer Könige rief W eine scharfe Zurückweisung seitens des Reichs- H kanzlers hervor. Im Schlußteile der Freitags- Z debatte sprächen noch die Abgeordneten v. Gamp H (Reichsp.) und Fürst Radziwill (Pole). In der am Sonnabend fortgesetzten ersten M EtatSlesung im Reichstag sprach zunächst Abg. § Liebermann von Sonnenberg von der wirtschaft- H lichen Bereinigung. Er polemisierte gegen die Ä liberalen Parteien, berührte verschiedene Einzel- ) heiten des vorliegenden Reichshaushaltsetats und § streifte die Kieler Werftaffäre, um sich zuletzt > hauptsächlich über Marokko in Verbindung mit der bekannten Mannesmann-Angelegenheit zu ver- H breiten. Diese letztere Exkursion des genannten E Redners gab dem Staatssekretär des Auswärtigen v. Schoen Anlaß, nochmals den Fall Mannes- H mann darzulegen. Er hob hervor, daß es sich bei ß den von dieser Firma erworbenen Minenrechten W in Marokko keineswegs um einen deutsch-ftanzösischen H Gegensatz, sondern um Fragen allgemeiner Natur M handle, bei denen sämtliche Mächte der Algeciras- H Konferenz interessiert seien. Der Staatssekretär H meinte schließlich, diese Fragen erheischten eine H schiedsgerichtliche Lösung. DannfolgtedecZentrumS- abge dnete Gröber mit einer etwa zweistündigen § Rede nach, in der er die verschiedensten Themata j erörterte, von der Sparsamkeitsfrage an bis zum -k Problem der Nachlaßsteuer, wobei er besonders gegen die Nationalliberalen und gegen die Sozial demokraten polemisierte Im weiteren Verlauf der Sonnabenddiskussion ließen sich noch die Ab geordneten Zimmermann (Reform.), Heinze (nat.- lib.) und Höfel (Reichsp.) vernehmen. Nach Be schluß des Seniorenkonvents soll die allgemeine Etatsdebatte an diesem Dienstag zum Abschluß gebracht werden. Dann sollen nur noch die Interpellationen über den Arbeitsnachweis beraten werden; am Schluß der Donnerstagsitzung geht der Reichstag in seine Weihnachtsferien. I» Berlin wurde am Sonnabend der allge- «ritte konservative Delrgiertentag abgrhalten. In der starkbesuchten Versammlung nahmen zahl reiche Redner das Wort, die sich fast sämtlich im Signe der Aufrechterhaltung der bisherigen Richt- Knien und Forderungen der konservativen Partei aussprachen. Nur der zur neuen konservativen Bereinigung gehörende Rechtsanwalt Bredereck- Berlin vertrat gewissermaßen die Opposition. Schließlich wurden zwei Resolutionen genehmigt, deren «ine ein Vertrauensvotum für die konserva tive Parteileitung darstellt, während die zweite sich u. a. für den festeren Zusammenschluß aller konservativ« Parteigenoffen erklärt. Die Ausschmückung» kommisfion des Reichs- tag- hat beschlossen, da- Origmalgemälde Bis marcks von Franz v, Lenbach, da» am Donnerstag bereits in der WandÄhalle des ReichStagSgebäu- des zur Besichtigung der Reichstagsmitglieder auf- gestellt War, anzukaufen. Mir die durch das ueue Tabaksteuergesetz be- schäftigungSloS werdenden Tabakarbeiter wurde bekanntlich im Sommer vom Reichstag die Sum me von vier Millionen auSgeworsm. Dieser Un- terstützungsfonds wurde gebildet, weil der Reichs- tag einen Konsumrückgang für Tabak annahm und die meist schwächlich gebauten Labakarbeiter in anderen Berufen nur schwer Beschäftigung fin- den. Dft gleiche Vergünstigung wie die Tabak- arbeiter verlangen jetzt aber auch die Brauerei- arbefter. Der „Voss. Ztg." wird aus Mannheim berichtet: „Die organisierten badischen Brauerei arbeit« haben an deü badischen Landtag eine Pe- tition gerichtet, in der sie eine Unterstützung für diejenigen Arbeit« verlangen, die durch das neue badische Bierfteuetgesetz bMv. durch den Rückgang d«S BierkonsuMS infolge der neuen Biersteuer, gesetzgebung ihren Erwerb verlieren. Im Befinde« des Grafey Zeppelin ist im Lauft des Freitag eine Besserung eingetreten. Die Wunde am Halse ist leicht entzündet. Zu Be- sorgniss« liegt kein Anlaß vor.' — Ein Privat- telegramm MS Stuttgart meldet: Im Befinden des Grafen Zeppelin ist in der vergangenen Nacht ein« starke W«dung zum Besseren eiugetreten. Hai die NaM ruhig verbracht. DaS Fieber hat fast völlig nachgelassen. Zwischen Preuße« und Sachsen herrscht Wege« der Krage d« GchiffahrtSabgabea eine zweifellose Verstimmung, die durch die klare, unzweideutige Sprache der sachfisch-badischen Denkschrift gegen da- Schiffahrtsabgabenprojekt noch verschärft worden sein soll. Ein Ausgleich zwischen den bei- derseitigen Regierungen in dieser wichtigen Ange- - legenheit ist vorerst nicht zu «warten. Die sächsische LaudeSabteilvng des deutschen SchulschiffveremS hat in ihrer jüngst in Dres den abgchaltenm Hauptversammlung die Bildung von Ortsgruppen in Dresden, Leipzig, Chemnitz, dem Vogtland und der Lausitz beschlossen. DaS Schwurgericht Leipzig verurteilte am SonNavend den Kaufmann Groß« auS Steglitz bei Berlin wegen seines Revolverattentats im ReichSgerichtSgebäude zu Leipzig im November 1808, wobei ReichSgerichtSrat Männer schwer v«. wandet, Protokollführer Straßburg aber tödlich verletzt wurde, zu zehn Jahren Gefängnis. Der Gerichtshof hatte dem Angeklagten mildernde Um stände zugebilligt. , Das Münchener HofbrauhattS wird nach einer Erklärung deS bayerischen Finanzministers den Bi«preiS entsprechend dem neuen Brausteuergesetz «höhen, dagegen werde eS den von den Braue rei« vor zwei Jahr« durchgeführten PreiSauft schlag auch jetzt nicht durchführ«. Dir Zweite hessische Kamm« genehmigte am Freitag das neue Wahlgesetz mit all« gegen 10 Sttmmen. Oesterreich-Ungar n. Im österreichischen Abgeordnetenhaus gab am Freitag d« Slovene Sostovix in d« fortgesetzten Debatte üb« das Budgetprovisärium die Erklä- rung ab, daß die slavische Union auf die Weit«- fiihrung d« Obstruktion verzichte, und zum Ab schluß eine» ehrlich« Kompromisses über die Gleichberechtigung d« Rationalität« bereit sei. I» Wie« hat ei« Rirsrnprozrß begonnen, wel- cher von einer größeren Anzahl österreichisch-slavi- sch« Abgeordneter und Politik« wegen Beleidi gung gegen den bekannt« Schriftsteller vr. Fried- jung angestrengt ward« ist. Am ersten Ver- handlungStage machte d« Beklagte aufsehenerre gend« Mitteilung« üb« die großserbtsche Lewe- M