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E a ch f e «. Dresden, 23. Juni. Frau Erzherzogin MariaIosephavon Oesterreich ist vorgestern abend hier eingetroffen und hat in der Kgl. Billa zu Hosterwitz Wohnung genommen. — Se. Maj. der König traf gestern vormittag im Residenz- schloß ein und nahm dort, die Vorträge der Staats minister entgegen. Hierauf kehrte er nach Wach- Witz zurück, wo um 2 Uhr König!. Familientafel stattfand, an der die Frau Erzherzogin Maria Josepha und Prinzessin Mathilde teilnahmen. Bischofswerda, 23. Juni. Sommer» Anfang. „Siehe, der Frühling währet nicht lang", heißt es im Volksliede. Der Dichter hat recht. Jedes Jahr kann man die Beobachtung machen, daß die schönste Zeit des Jahres, der holde Lenz, immer vorüber geeilt ist, ehe man sich ihrer so recht von Herzen freuen kann. Gestern hat laut Kalender der Sommer seine Herrschaft angetreten. Die Sonne ist in ihrem scheinbaren Laufe in das Zeichen des Krebses eingetreten, der Höhepunkt des Jahres ist erreicht. Wir haben den längsten Tag, die kürzeste Nacht, und über ein Kleines — geht es wieder rückwärts. Die Temperatur hat sich bereits ganz sommerlich angelassen. Gestern mittag verzeichnete der Wärmemesser 25 Grad 6. Ein leichtes Gewitter brachte am Abend eine ange nehme Abkühlung. Der heutige Mittwoch aber noch viel mehr. X Bischofswerda, 23. Juni. Johannisfest! Ein Fest des altdeutschen Heidentums in ein christ liches umgewandelt: Die Svnnenwendfeier in einen kirchlichen Feiertag zum Andenken an Jo hannes den Täufer. Die jetzigen Tage sind die Tage des sieghaften Lichtes. Jetzt sind die weißen Nächte; die Finsternis kann die Oberhand nicht gewinnen. Unsere Altvordern versammelten sich am Abend vor dem 24. Juni in ihren heiligen Hainen und zündeten strahlende Opferfeuer an zu Ehren der Göttin Freya, der altdeutschen Göt- tin der Schönheit und Liebe. Auch Baldar, der strahlende Lichtgott, wurde mit gefeiert: Die Wenden zogen auf ihre Götterberge (Valtenberg, Drohmberg, Bieleboh, Zschorneboh) und brann ten Feuer auf ihren Opferstätten an, und die rauhen Gesänge hallten wider im dichten Berg wald. Was vor Jahrhunderten, ja vor Jahrtau senden geschah, das hat sich in einzelnen Ge bräuchen bis heute erhalten. Noch brennt man in .manchen Gegenden, auch in der Lausitz, am Vor abende des Tages Johannisfeuer an. Alte Be sen werden gesammelt, mit Wagenschmiere durch tränkt, daß sie besser brennen, auf einen Haufen am Feldraine geworfen und dann angebrannt und lustig schlägt die Lohe empor zum Himmel. Und nun, nachdem die Feuer verglimmt waren, gingen in der Vorzeit viele in tiefster Schweigsamkeit durch die Wälder und auf die Berge, um das Glück zu suchen. Denn die Sage verheißt dem Glückskinde in dieser Nacht reiche Schätze. In dieser Nacht blühen an besonders heiligen Stel len die „Wunderblumen", die Zugang verschaf fen zu den größten Schätzen der Erde. Durch ihre Kraft öffnet sich der Goldkeller auf dem Löbauer Berge, die Schatzkammer im Stromberge bei Weißenberg, die mit Gold und Silber strotzend gefüllte Braupfanne im Reinhardsberge bei Ka menz liegt offen zu Tage. Wer zur rechten Stunde kommt, ist aller irdischen Sorge los und ledig. Sagenhaft ist die Wunderblume. Doch auch wirk- lich vorhandene Kräuter sind nach dem Volksglau ben an diesem Tage nicht ohne Bedeutung. Das ist zunächst das Johanniskraut (Hypericum per- foratum L.), eine an Grasrändern und Rainen wachsende, gelbblühende Pflanze. Sie vertreibt alles Gespenst, alle Hexen und selbst den Teufel. Darüber gerät der letztere, in Wut, eilt herbei und zersticht alle Blätter mit Nadeln. Die Blät ter zeigen, gegen das Licht gehalten, feine durch- scheinende Stellen wie Nadelstiche. Der Feldbei fuß (Artemisia campestris L.), ist der St. Johan- nisgllrtel, der Sonnenwendgürtel, der vor aller Ermüdung schützt. Wer durch den Rittersporn hindurch ins Johannisfeuer sieht, dem tut das ganze Jahr kein Auge weh. Dazu muß gespro chen werden: Es geh hinweg und werd verbrennt mit diesem Kraute all mein Weh!, und darnach wird die Pflanze ins Feuer geworfen. Wer am Johannistage Eichenholz über den Leib streicht, dem heilen alle offenen Schäden. Die Eiche war bei den alten Deutschen dem Donar, dem Don nergotts geweiht, dem Gewittergott, der auS der ehelichen Verbindung des Himmels und der Erde, des Wodans und der Freya, am Johannistage ge feiert, entsprang. Massenhaft noch flicht die alt deutsche Mythologie ihre Ranken um den 24. Juni, aber es ist nicht möglich, alles in Kürze hier darzu- stellen. Hoffentlich bringt er allen die rechte Som merfreude! Die 28. Wanderausstellung der Deutschen Land wirtschafts-Gesellschaft in Leipzig-Eutritzsch ist am Dienstag abend nach sechstägiger Dauer wieder geschlossen worden. Das Unternehmen kann in jeder Beziehung als ein erfolgreiches bezeichnet werden, namentlich auch betreffs der Besucher zahl, denn die Gesamtfrequenzziffer der Ausstel lung beläuft sich auf etwa 340 000 Personen, Wa8 einen Rekord gegenüber allen bisherigen Wander- ausstellungen genaMter Gesellschaft darstellt. Oesterreich-Ungarn. Ministerpräsident vr. Weckerle ist am Dienstag vom Kaiser Franz Josef in Wien in Audienz emp fangen worden, vr. Weckerle erbat eine endgültige Lösung der Krise auf der Grundlage, daß gegen Gewährung nationaler Zugeständnisse vom Reichs tage die neuen militärischen Forderungen bewil ligt werden sollte. Der Kaiser lehnte diese Lö sung der Krise ab. Der Ministerpräsident bat hierauf um die endgültige Entlassung des Kabi netts. Kaiser Franz Josef gab dem Wunsche Ausdruck, das Kabinett möge die Geschäfte noch einige Tage weiter führen, vr. Weckerle kehrte nachts nach Budapest zurück. Türkei. Die Schwierigkeiten in der Kretafrage dauern fort. Zwischen den vier Schutzmächten Kretas herrschen Differenzen betreffs der Zurückziehung oder des Verbleibens der internationalen Truppen auf der Insel. Während England und Rußland entschlossen sind, ihre Truppen zurückzuziehen, er wägen Frankreich und Italien, ob die augenblick liche Lage der Türkei die Ausführung dieses Be schlusses ratsam erscheinen läßt. Jedenfalls sind sich die vier Schutzmächte darüber einig, daß die Souveränität der Türkei respektiert werden muß. Ferner wird hierzu aus Paris depeschiert: Offiziös verlautet, daß Muktar Pascha, der während seines Aufenthalts in einer Unterredung mit Clemenceau und Pichon auch die Kretafrage erörterte, darauf hingewiesen habe, daß die Türkei zum Einschreiten auf Kreta gezwungen werden könnte, falls daselbst ein Aufstand ausbräche und das Leben der Muselmanen bedroht werde. Der türkische Oberbefehlshaber in Albanien, Dschavid Pascha, erhielt die von ihm zur Unter drückung des dortigen Aufstandes verlangten Truppenverstärkungen. In Mazedonien blüht das Bandenwesen wieder empor. Bei Zitza fand ein Kampf zwischen einer griechischen Bande und türkischen Gendarmen statt, wobei drei Komitatschis fielen und einer verwundet wurde. Rußland. Zum englisch-russischen Zwischenfall, den die Beschießung des englischen Handelsdampfers „Woodburn" in den finnischen Gewässern durch das russische Kaisergeschwader darstellt, ist jetzt der offizielle Bericht des russischen Generalstabes der Marine veröffentlicht worden. Dem Bericht zufolge trägt der Kapitän des „Woodburn" die Verantwortung für den Zwischenfall, denn er wird beschuldigt, trotz aller ihm gegebenen Warnungs signale den Kurs auf die kaiserliche Jacht „Standart" beibehalten zu haben, infolgedessen von dem russischen Geschwader zunächst erst mehrere blinde Schüsse und dann scharfe Schüsse gegen den „Woodburn" abgefeuert wurden. Der Kapitän seinerseits schiebt die Verantwortung auf den Lotsen, der den „Woodburn" begleitete, lieber eine Entschädigung, welche die russische Regierung wegen der Beschießung des „Woodburn" etwa zahlen will, verlautet noch nichts. - Der «erba«dsächfischer Sisexb«hn-Asfiflm- ten, der am Sonnabend, Sönntag und Montag in Zittau tagte, hat folgende Entschließung ange nommen: Der 6. VerbandStag erklärt eS für den Eintritt in die mittlere Laufbahn der sächfi- scheu nichttechnischen Eisenbahnbeamten als uner läßliche Voraussetzung, daß nicht unter die bis herigen Vorbildungsbedingungen herabgcgangen wird, sondern daß mit den anderen deutschen Eisenbahnverwaltungen in dieser Beziehung stets gleicher Schritt zu halten ist." Weiter wurde fol gende Resolution einstimmig angenommen: „Der 6. VerbandStag erklärt, daß er in dem Verband sächsischer mittlerer EismbÄhnbeamtm die allei nige StandeSvertretung der sächsischen mittleren nichttcchnischen Eisenbahnbeamten erblickt." Der Verband sächsischer Eisenbahn-Assistenten, dessen nächstjährige Tagung in Plauen stattfindet, wird sich im Zukunft „Verband sächsischer mittlerer Eisenbahnbeamten" nennen. — Die zweite sächsische Kriegerfahrt zur Wasserkante führte ihre Teilnehmer am 18. Juni durch den Kieler Kriegshafen in den Kaiser Wilhelm-Kanal bis zur Levensauer Hochbrücke. Nach der Rückfahrt besichtigte man die Feste Friedrichsort. Da» Geschützexerzieren, Abschieße» eines Torpedos, Vorführung desRaketen-Apparates erregten das höchste Interesse der Kameraden. Die Führung in Kiel hatten zehn Offiziere übernommen, Währmd in Friedrichsort Herr Kapitänleutnant Wittmann sich der Fahrtteilnehmer in liebens würdigster Weise annahm. Am 19. Juni wurden die Kaiserliche Werst und ein Kriegsschiff besichtigt und am Abmd fand ein Kommers statt, der durch zahlreiche Ansprache« (1. Fahrtleiter Schaufuß- Meißen, Polizeitierarzt Richter-Frankenberg, Bürgermeister Pilz-Oberwiesenthal, PrivatuS Haubold-Reifland u. a.) reich gewürzt war. Am Sonntag besuchte man Lübeck und fuhr abends nach Berlin. — Von der deutschen LaudwirtschastS - Aus stellung. Bei der Prämiierung erhielten für Pferde: dm Sieger-Ehrenpreis des Landes kulturrats für das Königreich SachsM in Dresden: Silbernes Tablett und 1. Pr. 150 Mark Max Freiherr vonBurgk, Schönfeld bei Großmhain, für leichte Reit- und Wagenpferde; dm 1. Sieger- Ehrenpreis der Landstände des Königlich Sächs. Markgrafentums Oberlausitz: 300 Mark und 1 a Pr. 250 Mark, Fohlenaufzuchtvxrein. für. das Königreich Sachsen, Moritzburg. Eigent. Albin . Reissig, Laubach bei Priestewitz; den 2. Sieger- Ehrenpreis des Verbandes der Züchter des Oldenburger eleganten, schweren Kutschpferdes in Rodenkirchen: Marmorstanduhr und Id Pr. 250 Mark Fohlenaufzuchtverein für daS Königreich Sachsen, Moritzburg; den Sieger- Ehrenpreis des Verbandes der Züchter des Oldenburger eleganten, schweren Kutschpferdes in Rodenkirchen: Tafelaufsatz und 1. Pr. 200 Mark Nr. 79, Fohlenaufzuchtverein für das Königreich Sachsen, Moritzburg; für Schweine: den Sieger- Ehrenpreis der Landstände des Königlich Sächsischen Markgrafentums Oberlausitz 100 Mark: Zucht genossenschaft für das Meißner Schwein Meißen, Eigent. Martin Kirchner, Birkenhain bei Wilsdruff. — Eine Haftpflicht für Kehler i« Inserate«, die durch unleserliches Manuskript entstand?« sind, hat neuerdings wieder das Reichsgericht ver- nant. Der „Allgemeine Anzeiger für Druckereien" berichtet darüber, daß sich das Reichsgericht rn dieser Frage auf den Standpunkt gestellt habe, daß für solche Fehler, die auf unleserliches Manuskript zurückzuführen sind, durch die Zeitungen kein Ersatz zu leisten sei, denn Jnseratenmanusmpte müßten ganz besonders deutlich geschrieben werden. Demitz-Thumitz, 23. Juni. Donnerstag, den 24. d. M., erhält unser Ort wieder einmal eine Einquartierung und zwar kommt ein Teil vom Kgl. 1. Train-Bataillon Nr. 12 in Dresden in Höhe von 11 Offizieren, ca. 100 Un teroffiziere und Mannschaften und 130 Pferde ohne Verpflegung, Pferde mit Fouragevergütung, nach hier. ^4 Uhhst a. T., 23. Juni. Nachdem in dem Glaubnitzer Wasser schon mehrfach unbefugte Fischer beobachtet worden waren, unternahm vorigm Sonntag die Gendarmerie von Burkau und Elstra mit dem Gemeindevorstand von Glaub- nitz eine stütze Morgmtour in daS fischreiche Ge biet. Nach kurzer Zeit glückte es, 4 Fischer zu überraschen, welche mit ihren Netzen einen reichen Zug getan; dieselben wurden als 3 Genossen au» Demitz und 1 auS Kynitzsch ermittelt. St. Marimstern. Am Sonntag, dm 20. Juni, verschied abends 8 Uhr die gnädige Frau und Äbtissin des hiesigen Jungstauenkloster» St. Marimstern, M. Bernada Karolina Kas- Amerika. Zwischen Washington und London spielt ein kleiner Konflikt. Die englische Regierung will von einer Beteiligung amerikanischer Kapitalisten qn der Eisenbahnanleihe zum Bau der Bahn Hankow-Szechuan nichts wissen. Sie regte in ihrer Note an das Washingtoner Kabinett an, das amerikanische Banksyndikat möge die Angelegen heit mit den englischen und anderen ausländischen Banken ordnen und sich nicht deshalb erst wieder an China wenden. Staatssekretär Knox hat in dessen hierauf einfach nach London erwidert, er ziehe es vor, direkt mit China zu unterhandeln, was also eine diplomatische „Abfuhr" für das Kabinett St. James darstellt. Abessinien. Der Kaiser Menelik von Abessinien, welcher schon seit längerer Zeit infolge eines Schlagan falles schwer leidend ist, soll im Sterben liegen; es heißt, die Kaiserin Taitu habe bereits die Regentschaft übernommen. Sollte der tatkräftige Menelik ^etzt wirklich das Zeitliche segnen, so wären innere Wirren in Abessinien nicht so unwahr scheinlich.