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Ivos. Dienstag, 22. Juni.' Der sächsische FrMer, Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmaimschast, der Kgl. Schnlmipektio« und des Kgl. Hauptzollamtes z« Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. Kerrrsprechstrlk Str. sr. Bestellungen werdm bei allen Postanstalten de« deutschen Reiche», für Bischofswerda mW Umgegend bei unseren ZettungSboten, sowie in der SeschSstrstelle diese« Blatte« angenommen. Schluß der SrfchSftSstelle Abend« 8 Uhr. Dreimrdfechrigfter Jayrgamg. Inserate, welche in diese« Blatte dir weiteste BerbretNmg Men, werden bi« vorm. 10 Uhr angenommen, größer« und komplizierte Anzeigen tag« vorher, und kostet di« virrgespaltrne KorpuSzeile 12 «s, die Reklamezelle 30 Beringstrr Jnseratenbetrag 40 «>. Mr Rückerstattung ringesandtrr Manuskripte usw. keine Bewähr. 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Mit dieser letzten großen Niederlage der österreichischen Waffen im Feldzuge von 1859 gegen die verbündeten Franzosen und Sardinier, der gleich von Anfang an trotz der glänzendsten Tapferkeit der braven östereichisch-ungarischen Truppen einen unglücklichen Verlauf für das Reich des Doppelaars infolge der erstaunlichen Unfähig keit und Kurzsichtigkeit der österreichischen Heeres leitung wie der österreichischen Armeeverwaltung nahm, hatte Oesterreich seine einflußreiche jahr hundertelange Rolle auf der Apenninenhalbinsel ausgespielt. Zwar behielt es nach dem Verluste der Lombardei einstweilen noch Venetien, dank der Treulosigkeit des dritten Napoleon gegenüber den Italienern, der ihnen im Friedensvertrage von Billafranca sein Versprechen, „Ein freies Italien bis zur Adria" nicht hielt. Aber bereits sieben Jahre später brach auch diese letzte Säule der österreichischen Herrschaft in Italien dank den Siegen der preußischen Waffen auf den Schlacht feldern von Böhmen zusammen und Venetien wurde dem neuen italienischen Einheitsstaate ein verleibt. Nunmehr sind fünfzig Jahre seit dem Tage von Solferino verflossen, und er mag wohl in patriotischen Kreisen Oesterreich-Ungarns ein peinlich - schmerzliches Erinnern im Bewußtsein dessen wecken, daß er in seinen Folgen die habs burgische Monarchie zum Verzicht auf die Lom bardei nötigte. Aber in diesen fünfzig Jahren hat sich auch die politische Konstellation in Europa gründlich geändert, und wahrlich nicht zu ungunsten des Donaukaiserstaates. Heute steht er geachteter denn je da, als ein anerkannter Machtfaktor im europäischen Bölkerareopag, wie dies erst jüngst wieder der den österreichischen Interessen voll entsprechende Verlauf der Balkankrisis bewies. Und vielleicht die wunderbarste Wandlung in der politischen Geschichte dieses halben Säkulums ist Vie, daß Oesterreich-Ungarn und Italien, die er bitterten einstigen Gegner, heute seit nun fast fünfundzwanzig Jahren Verbündete sind, im Verein mit dem Deutschen Reiche, mit dem sie den noch immer mächtigen friedewahrenden Dreibund bilden. DaS Kaiserreich der Napoleoniden jedoch, dessen Heerscharen Habsburgs Doppelaar bei Solferino im wesentlichen erlag, ist längst von seiner glänzenden Stellung herabgestürzt und zertrümmert worden, damals, als durch die Sedanschlacht Napoleon und sein Heer in deutsche Gefangenschaft gerieten; hiermit war von den deutschen Waffen die Meder- läge Oesterreichs auf den Schlachtgefilden der lombardischen Ebene glänzend gerächt. Neun Jahre darauf erfolgte der Abschluß des deutsch österreichischen Bündnisses, der dann durch den Beitritt Italiens zur Tripleallianz erweitert wurde, die nach wie vor als das eigentliche Bollwerk des europäischen Friedens gelten darf. Zwar hat es an öfteren „Unstimmigkeiten" im Dreibund nicht gefehlt, besonders sind in den letzten Jahren wiederholt Verstimmungen zwischen Oesterreich- Ungarn und Italien aufgetreten, aber sie sind glücklich beseitigt worden, und heute, angesichts des Erinnerungstages von Solferino, kann die Harmonie zwischen Wien und Rom als wieder hergestellt betrachtet werden. Dies kommt vor allem auch dadurch zum Ausdruck, daß Oesterreich durch seine Vertreter an der Gedenkfeier mit teil nimmt, die am 24. Juni in Solferino stattfindel, und zu der auch die französische Armee Abord nungen entsendet. Die Solferinofeier wird sich zweifellos zu einem erhebenden und versöhnlichen Moment gestalten. Deutsches Reich. In der Mittagsstunde des 18. Juni verabschie dete sich Kaiser Wilhelm von dem Zaren auf der Jacht „Standart" und kehrte dann an Bord der „Hohenzollern" zurück. In der vierten Nachmit tagsstunde verließ die deutsche Kaiserflotille die Stätte des Stelldicheins wieder und nahm Kurs auf Neufahrwasser-Danzig. Auch das russische Kaisergeschwader dampfte alsbald aus den Ge wässern von Björkö wieder ab. Ein eigenartiger Zwischenfall hat sich bei der Anfahrt des russischen Kaisergeschwaders nach den Gewässern von Björkö abgespielt. Von dem Ge schwader aus wurde das ihm begegnende englische Lastschiff „Woodburn" beschossen, angeblich, weil es die ihm russischerseits gegebenen Signale nicht beachtete. Die russischen Geschosse zerstörten den Dampfkessel des „Woodburn" und zerschmetterten einem Maschinisten ein Bein; der Schwerver wundete wurde in das Wiborger Krankenhaus ge- bracht. Das englische Schiff setzte nach notdürf tiger Ausbesserung des erlittenen Schadens die Fahrt nach England fort. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der Vorgang etwa diplomatische Aus einandersetzungen zwischen London und Peters burg nach sich ziehen wird. Der Kaiser traf am Sonnabend 7s/» Uhr an Bord der „Hohenzollern" von seiner Zusammen kunft mit dem russischen Kaiser wieder in Neu- fahrwasser-Danzig ein. Er verließ daselbst die Jacht und begab sich mittels Automobils nach Langfuhr, wo der Monarch an der Abendtafel im Offizierskasino des Leibhusaren-Regiments teil nahm. In der elften Abendstunde reiste der Kai ser mit Sonderzug von Langfuhr nach Hamburg anläßlich der Regatten auf der Unterelbe ab. Offiziöse Mitteilungen bestätigen, daß bei der Monarchenzusammenkunft in den finnischen Schä ren die verschiedenen schwebenden politischen Fra gen berührt worden sind. Hierbei ist seitens der die Monarchen begleitenden Staatsmänner fest gestellt worden, daß zwischen Deutschland und Rußland keinerlei Differenzen betreffs der Auf fassung dieser Fragen herrschen, und daß man beiderseits aufrichtig die Fortsetzung der Befesti gung der die beiden Länder miteinander verbin denden guten Beziehungen wünscht. Zugleich wurde anerkannt, daß diesen guten Beziehungen die internationalen Abmachungen, an denen Deutschland wie Rußland beteiligt seien, keines wegs entgegenstehen. Im Reichstage wurde am Freitag die allge meine Finanzdebatte zunächst mit einer Rede des preußischen Handelsministers Delbrück fortgesetzt. Herr Delbrück wandte sich sehr entschieden gegen die Vorschläge der Finanzrumpfkommission be treffs der Mühlenumsatzsteuer, der Kotierungs steuer und des Kohlenausfuhrzolles. Der nun folgende Redner war der Abgeordnete vr. Me iner von der freisinnigen Volkspartei. Er erklärte, daß seine Partei an der Erbschaftssteuer festhalte und auch den Ersatzstcuervorlagen der Regierung gerade nicht ablehnend gegenüberstehe. Scharf abfällig kritisierte dann der freisinnige Redner die konservativ-klerikalen Steuervorschläge und unternahm zugleich kräftige Vorstöße gegen die Konservativen. Dazwischen war Herr Wiemer be- müht, die Stellungnahme der Freisinnigen in der ganzen Reichsfinanzreform zu rechtfertigen. Ihn löste in der Rednerreihe der sächsische Finanz minister vr. Rüger ab. In eindrucksvollen Dar legungen verteidigte er hauptsächlich die Erban- fallsteuer gegenüber der an ihr ausgeübten abfäl ligen Kritik der Konservativen und des Zentrums und äußerte gewichtige Bedenken gegen die Kotie rungssteuer und die Mühlenumsatzsteuer. Ener gisch betonte der sächsische Minister den Entschluß der Einzelstaaten jeden Eingriff in ihre verbürg ten Steuerrechte abzuwehren, er schloß mit einer eindringlichen Mahnung an die Parteien zur Einigung in der Reichsfinanzreform. Weiter ließ sich Abg. Raab von der wirtschaftlichen Vereini gung vernehmen. In drastischen Redewendungen rückte er besonders der Börse zu Leibe, im übrigen erklärte er sich mit der Erbanfallsteuer einverstan den. Zuletzt sprachen noch Reichsschatzsekretär Sy- dow, der die Kotierungssteuer bekämpfte, und Abg. Mommsen von der freisinnigen Vereinigung, der sich natürlich gegen die Beschlüsse der Rumpfkom mission wandte. Dem Reichstage ist ein Gesetzentwurf, betref fend Aenderung des Schankgefäßgesetzes, zuge gangen. Er ist veranlaßt, durch die Verteuerung, die das Bier durch das neue Brausteuergesetz er fahren wird, und soll daher zugleich mit letzteren» in Kraft treten. Der Sollinhalt der Schankgefäße vom halben Liter abwärts soll nur noch nach Zwanzigteilen des Liters bestimmt werden dür fen, weil bei der jetzigen Einteilung nach Zehn- teilen die Verkürzung des Inhalts an Bier grö ßer sein würde, als sie der Steuererhöhung ent spricht. Die Vorschrift kommt namentlich für Norddcutschland in Betracht, denn hier wird man den Preis nicht für dasselbe Gemäß heraufsetzen, weil man nicht gewöhnt ist, mit Pfennigen zu rech nen und zu bezahlen, sondern wird die Verteue rung durch einen geringeren Inhalt auszugleichen suchen. Gleichzeitig soll die höhere Verwaltung^- behörde befugt sein, das sogenannte Schaumraum- maß, den Abstand zwischen Füllstrich und Rand, auf 2 Zentimeter zu erhöhen; da der jetzige ge ringe Abstand von einem Zentimeter es erschwert, ordnungsmäßig gefülltes Maß zu verabfolgen und bei diesem Entschuldigungsgrund die Unsitte des schlechten Füllens besonders bei undurchsich tigen (irdenen) Gefäßen namentlich in Süd deutschland einen geradezu betrügerischen Charak ter angenommen hat. Maximilian Harden hat die Revision des Ur teils in seinem Prozesse mit dem Grafen Kuno v. Moltke vom 20. April zurückgezogen. Der Besuch der großen Landwirtschaftlichen Ausstellung in Leipzig steigert sich immer mehr. Die Besucherzahl am Sonnabend wurde auf ca. 35 000 geschätzt und am Sonntag war der Besuch zweifellos ein noch größerer. Am Sonnabend vormittag war die Ausstellung nochmals vom Großherzog von Weimar besichtigt worden und für Montag hatte auch der König von Sachsen seinen nochmaligen Besuch auf der Ausstellung ansagcn lassen. In der am Sonnabend in Leip zig abgehaltenen 61. Hauptversammlung der Landwirtschafts-Gesellschaft wurde beschlossen, die nächstjährige Wanderausstellung in Hamburg zu veranstalten. Zum Präsidenten der Gesellschaft