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Ä ISO Mittwoch. 9. Juni. Per sächWe Lrzähler. Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmamrschast, der Kgl. Schulinspektion und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. «rschrint jeden Werktag abend» für den folgenden Lag und löstet einschließlich der Mitwochs und Sonnabend» «rschei» aenden„Belletristischen Beilage* bei Abholung viertel» Illhrlich 1 SO «t, bei Zustellung in» Hau» 1 70 «t, bei allen Postanstalten 1 SO «I exklusive Bestellgeld. Einzelne Nummern kosten 10 Rmmner der Zeitungspreisliste S587. Kernfprechftelle Nr. LS. Bestellungen «erden bei allen Postanstaltrn de» deutschen Reiche», für Bischofswerda und Umgegend bet unseren Zeitungsboten, sowie in der Geschäftsstelle diese» Blatte» angenommen. Schluß der Geschäftsstelle Abend» 8 Uhr. Dreirnrdsechzigftrr Jahrgang. Inserate, welche in diesem Blatte die weiteste Verbreitung finden, werden bi» vorm. 10 Uhr angenommen, größere und komplizierte Anzeigen tag» vorher, und kostet die virrgespaltene Korpuszeile 12 «l, die Reklamezeile 30 Geringster Jnseratenbetrag 40 «t. Für Rückerstattung «ingesandter Manuskripte usw. keine Gewähr. Vermögens- und Einkommenssteuer. Wenn die Verbündeten Regierungen im Ein klänge mit dem Reichstage allgemein darüber einig sind, daß zu der Finanzreform auch der Besitz, also das Vermögen eine neue Steuer zahlen soll, so bietet die praktische Anwendung dieses steuerpolitischen Grundsatzes doch riesige Schwie rigkeiten dar, und zwar nicht nur deshalb, weil die Konservativen und die Zentrumspartei gegen die Reichserbschaftssteuer sind, sondern auch des halb, weil die neue Vermögenssteuer nicht mit der den Bundesstaaten garantierten Einkommensteuer kollidieren darf. Die von der Finanzkommission vorgeschlagene Kotierungssteuer Und auch die Di- vidcndensteuer würden aber tatsächlich ein Ein griff in die staatliche Einkommensteuer sein, und sic werden deshalb von dem Bundesrate abgelehnt werden, denn jeder Einwohner, der aus Aktien, Kuxen usw. ein Einkommen hat, muß dies ja schon in seinem Einkommen versteuern. Mit der Aktieu- und Dividendensteuer würde also eine Doppelbe steuerung eingeführt und außerdem noch die Reichsverfassung verletzt werden. Deshalb werden die Vorschläge, die Einführung einer Aktien- und Dividendensteuer betreffend, niemals Gesetz wer den. Würden die verbündeten Regierungen der Ein führung solchen Abgaben als Reichssteuern zu stimmen, so würden sie unfehlbar auf die abschüs sige Bahn geraten, die zur allgemeinen Reichsver mögenssteuer führt. Was dies zu bedeuten hätte, ist in der Denkschrift zur Reichsfinanzreform mit nachdrücklichen Worten festgelegt. „Die Einkom mens- und Vermögensbesteuerung bildet", so heißt es dort, „das unentbehrliche Fundament der ein- zelstaatlichen und kommunalen Finanzwirtschaft. Sie ihnen entreißen, hieße die Finanzen der Ein zelstaaten und Selbstverwaltungskörper in die selbe Bedrängnis bringen, in der das Reich sich jetzt befindet. Die Verbündeten Regierungen sind daher fest entschlossen, nachdem ihnen die Erhe bung von Verbrauchs- und Erbschaftssteuern bis aüf geringe Reste entzogen ist, im Interesse ihrer Selbsterhaltung und Finanzhoheit die Einkom mens- und Vermögenssteuer sich zu reservieren, und würden eine Beanspruchung dieser Steuern durch das Reich nicht zuzustimmen vermögen . . . Dasselbe hat von allen Versuchen zu gelten, ein zelne Teile des Einkommens einer Sonderbesteue rung durch das Reich zu unterwerfen, wie dies un ter anderem für Zinsen und Dividenden angeregt ist. Es würde sich dabei um eine besondere Form der Einkommenbesteuerung handeln, die nur im Zusammenhänge mit der direkten Besteuerung von Einkommen und Vermögen geregelt werden kann. Soweit eine besondere Heranziehung des beweg- lichen Vermögens sich rechtfertigt, wird sie durch die einzelstaatliche Gesetzgebung vorzusehen sein." Deutsches Reich. Die bevorstehende Begegnung Kaiser Wilhelnis i»it dem Zaren Nikolaus ruft auf den verschie densten Seiten fortgesetzt allerlei politische Be trachtungen und Vermutungen herv.or. So ist man in Wiener diplomatischen Kreisen der An sicht, diese Entrevue bekunde, da sie vom Zaren angeregt worden sei, mindestens, daß der Peters burger Hof wieder eine gewisse Fühlungnahme mit Berlin anstrebe, und daß es sich mit bei dem Vorgänge demnach um keinen bloßen Höflichkeits akt handle. In Konstantinopeler politischen Krei sen aber glaubt man, die Zweikaiser-Zusammen- kunst in der Ostsee werde eine ganz besondere Bedeutung für die Kretafrage erlangen, der Zar habe die Entrevue veranlaßt, um Kaiser Wilhelm für die russischen Pläne betreffs Kretas zu gewin- ncn.. Mit dieser Auffassung dürften indessen die politischen Propheten am Goldenen Horn einiger maßen daneben hauen! Im übrigen stehen Da- tum und Ort des Rendezvous der beiden Kaiser selbst jetzt noch nicht ganz bestimmt fest, wenig stens nicht für die Öffentlichkeit. Der „Temps" schreibt über die Zusammenkunft Kaiser Wilhelms mit dem Zaren »u. a.: Trotz der Haltung Deutschlands in der Orientkrisis wäre es von den Russen unklug, wenn sie sich den Anschein gäben, gegen Deutschland noch Groll zu enlpfinden. Die Annahme, daß diese Zusammen kunft irgend etwas in den bestehenden Mächte gruppierungen ändern könnte, wäre ganz unge rechtfertigt. Die beiden Gruppierungen sind so beschaffen, daß sie zur Erhaltung des Gleichge wichts genügen. Dieses Gleichgewicht wäre ein vollständig stabiles, wenn die Tripleentente ihren militärischen Kräften eine klügere Sorgfalt zu wenden würde. Wir möchten wünschen, daß die Zusammenkunft der Staatsoberhäupter und an dere Vorkommnisse des internationalen Lebens nicht mehr zu gewagten Vermutungen benutzt werden. Der Kaiser hat Frau Eniilie Mossc, der Ge mahlin des Verlagsbuchhändlers Rudolf Mosse, Berlin, in Anerkennung ihrer wohltätigen und gemeinnützigen Wirksamkeit den Wilhelmsorden verliehen. Der Wirkliche Geheime Regierungs rat vr. Schmidt vom Kultusministerium hat ihr die Auszeichnung am Freitag mit einer kurzen Ansprache überreicht. Der deutsche Kronprinz und seine Gemahlin reisen Ende Juni oder Anfang Juli nach England zu einem Besuche am königlichen Hofe ab. Vor aussichtlich begibt sich das kronprinzliche Paar zu nächst nach Windsor Castle. Der Besuch ist ledig lich durch die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Höfen von Berlin und London be- diftgt und trägt keinerlei politischen Charakter. Der bayerische Thronfolger Prinz Ludwig hat auf der in Kitzingen stattgefundenen Hauptver sammlung des Vereins zur Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt in Bayern in längerer Rede wie der einmal über die Schiffahrtsinteressen Bayerns lind die Frage der Schiffahrtsabgäben gesprochen. Dec hochfürstliche Herr trat hierbei abermals vom bayerischen Standpunkte aus energisch für die Schiffahrtsabgaben ein. Am Montag sind in Berlin die zuständigen Bun- desratsausschüssezurBeratungdes Entwurfes der geplanten Reichsversicherungsordnung zusammen- getreten. Der Staatssekretär des Reichsamtes des Innern, von Bethmann-Hollwcg, führt bei diesen Verhandlungen den Vorsitz. Die Vertreter des Verbandes deutscher Parfüm- fabrikanten, der Drogistenvereine usw. sind die ser Tage beim Reichsschatzsekretär Sydow gewc- se» und haben ihn auf die schweren Schäden auf- merksam gemacht, welche die konservativerseits vorgeschlagenc Parfümsteucr für das kosmetische Gewerbe zur Folge haben würde. Herr Sydow be gnügte sich in seiner Erwiderung niit der Versiche rung, daß die Regierung die Bedenken der Par- fümfabrikanten, der Händler mit Kosmetika usw. gegen die neue Steuer prüfen werde. Fürst Eulenburg ist in dem jetzt erstatteten Gutachten der Wissenschaftlichen Deputation für das preußische Medizinalwesen als verhandlungs- fähig bezeichnet worden. Vermutlich wird er da her bald eine gerichtliche Aufforderung erhalten, sich zur Weiterführung des gegen ihn schwebenden Prozesses in Berlin zu stellen. Wahrscheinlich wird sich nun das Befinden „Philis" plötzlich wie der verschlimmern. Erfolg auf der ganzen Linie, das ist das Sig num der Periode, in der die deutsche Luftschiff fahrt zurzeit steht. Nicht nur Zeppelin hat mit seiner 38-Stunden°Fahrt einen Triumph sonder gleichen erzielt, auch die anderen Systeme haben respektable Erfolge zu verzeichnen gehabt. Fast täglich haben der „Groß" und der „Parseval" Aufstiege über Berlin unternommen, und dabei wertvolles Material an Beobachtungen aus dem noch unerforschten Reich der Lüfte mit herunter gebracht. Besonderes Interesse beansprucht die letzte Fahrt des Militärlustschiffes „Groß ll", das mit einer Telefunkenstation ausgerüstet aufstieg und von oben nrit verschiedenen Empfangsstatio nen in Verbindung trat. Alles klappte vortreff lich. In Eisenach tagte ani Sonntag der antiultra- montanc Reichsverband. Die Versammlung nahm eine scharfe Resolution gegen das Zentrum an. Die Unternehmer im Baugewerbe in Hamburg haben nunmehr mit den angekündigten Abwehr- maßregeln gegen die partiellen Arbeitsein stellungen begonnen. Zunächst sind am Sonn abend sämtliche von Jnnungs- und Bundes meistern beschäftigten Maurer, Zimmerer, Bau hilfsarbeiter usw. nach erfolgter Lohnzahlung ausgesperrt worden. Im Krematorium zu Heidelberg fand am Sonntag die Feuerbestattung der Leiche I)r. Theo dor Barths statt. Tic Generalversammlung des Metallarbeiter- Verbandes in Frankfurt a. M. hat mit 129 Stim men gegen 21 Stimmen eine Resolution angc- noinmcn, in der cs heißt, daß die Maifeier durch Arbeitsruhc ohne eine Schädigung der Wirt- schaftsinteressen der Arbeiterschaft unmöglich sei. Auch sei sie taktisch unbrauchbar als gewerkschaft liches Kampfmittel zur Erreichung günstiger Ar- beitsbedingungcn. Daher könne die Beteiligung an der Arbeitsruhe nicht den Mitgliedern zur Pflicht gemacht werden, sondern werde dem ein zelnen unter Tragung der Konsequenzen über lassen. Oesterreich-Ungarn. Im österreichischen Abgeordnetenhause gab es am vergangenen Freitag wieder große Spekta- kclszcnen, welche durch den Widerspruch des Hau ses gegen geschäftliche Dispositionen des Präsi denten hcrvorgerufen wurden. Schließlich hob der Präsident unter andauerndem Lärm des Hauses die Sitzung auf und erklärte, zur nächsten Sitzung auf schriftlichem Wege cinladen zu wollen. Frankreich. Der am Montag unter dem Vorsitz Fallidres abgchaltcnen Schlußsitzung des höheren Marine- rats wohnten auch der Ministerpräsident, sowie die Minister der Marine und des Krieges bei. Einer anscheinend offiziösen Meldung zufolge wä- ren von den drei Milliarden, die die Ausführung des Bauprogramms des höheren Marinerats er fordern würde, die jährlichen Kredite des Marine ministeriums für Neuherstellungen im Betrage von 120 Millionen in Abzug zu bringen. Tie Aufstellung des französischen Budgets für 1910 gestaltet sich für den Finanzminister Cail- laux dadurch besonders schwierig, daß er mit