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82L. Dresden, 2. Juni. Das originellste Bismarckdenkmal Deutschlands, wenn nicht der ganzen Welt, wird das liebliche Laubegast bei Dresden in nächster Zeit besitzen. Verehrer Bis marcks aus allen Landen haben Steine von Feld und Flur herbeigetragen und sie selbst mit einer Inschrift, irgend einer Aeußerung warmer Zu- neigung und Dankbarkeit, versehen, so daß jeder Baustein an sich schon ein Merkmal der besten Empfindungen seines Spenders ist und das ganze Werk nachher, wie der ragende Tempel eines Bolksheros erscheinen wird, in dessen Bausteine die Liebe sich eingemeißelt hat und dessen Mörtel das solidarische Gefühl der Begeisterung für den großen Einzigen bildet, den Einen, den die Volks phantasie am liebsten schon jetzt mit dem Glorien schein der Sage und Dichtung umkleidete, trotz allen Lichtes moderner Geschichtsschreibung. — Die Steine zu schönen Gruppen unter Blumen und Blattgrün geordnet, reden eine lebendige Sprache. Ein Baustein aus dem Berliner Reichs- kanzlerpalais vom Fürsten Bülow gespendet mahnt an die Arbeitsstätte des Fürsten Bismarck. Drei gewaltige Steine und eine Eiche von, Sachsenwald, Stiftungen der Fürstin Herbert Bismarck, erzählen von den deutschen Huldigungssahrten nach dem Sachsenwalde. Ein anderer Stein aus dem Ge burtsschloß Bismarcks, gewidmet von der Gemeinde Schönhausen, weist aus die Wiege des neuen Fürstengeschlechts hin. Steine von Burg Stendal und der Stadt Bismarck berichten von seinen Ahnen und ein Gedenkstein des Schlosses Kniephof zaubert uns die Jugendgestalt Bismarcks vor, wie er „noch schäumte und brauste gleich dem jungen Weine". Das Korps „Hannvvera" in Göttingen, die Burschenschafter in Eisenach fehlen ebenfalls nicht in Inschrift und Stein und Offiziere und Kriegsveteranen holten von den Schlachtfeldern von Wörth und Spichern und Metz ihren Denkmalstribut herbei. Herr v. Krupp- Halbach sandte zur kriegerischen Flankierung des Denkmals zwei gewaltige Belagerungsgeschosse von 1*/z m Höhe. Steine aus dem Hause Kupfer berg in Mainz, wo Bismarck den 2. bis 7. August 1870 gewohnt, und die ersten Siegesnachrichten empfing, gemahnt an die größte Zeit Deutschlands. Auch in Oesterreich fanden sich freiwillige Mit erbauer, aus Nieder-Oesterreich kam vom Reichs rat Schönerer ein schwerer Granit mit Faksimile, von hohen Schneebergs Höhen Steiermarks fünf Steine. Eine Platte, die Kopie derjenigen, welche in Ems auf der Promenade sich befindet und den Text enthält: 13. Juli 1870 9 Uhr 10 Min. morgens: (Das Zusammentreffen des Königs Wilhelm von Preußen mit Benedetti) erinnert an jene historischen Vorgänge bei Ausbruch des großen Krieges. — Im Herbst dieses Jahres wird die Einweihung des dann fertiggestellten Denkmals stattfinden. Die Feier wird außer zahlreichen Vertretern von Vereinen und Gemeinwesen, auch einige Mitglieder der Familie Bismarck nach Laubegast rufen und es liegt auch im Bereich der Möglichkeiten, daß Fürst Bülow seinem großen Vorfahr im Amte durch sein persönliches Er scheinen huldigen wird. Möge das Denkmal dann das sein, was Pros. I)r. Flex in Eisenach von ihm fordert: ^.Ragender Stein, mahne noch späte Geschlechter > Immerdar Wächter — Deutschlands zu sein! 8. Dresden, 2. Juni. Erster Deutscher Kongreß für Säuglingsfürsorge in Dresden. Die deutsche Vereinigung für Säuglingsschuh ver anstaltet am 19. d. M. einen ersten Deutschen Kongreß für Säuglingsfürsorge in Dresden mit folgender Tagesordnung: 1. Bericht des Geschäfts führers Professor vr. Keller über den Stand der Säuglingsfürsorge. 2. Bericht: Entbindungsan stalten, Wöchnerinnen- und Säuglingsheime als Mittel zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. Berichterstatter: Geh. Obermedizinalrat l)r. Dietrich- Berlin, Professor Vr. Salge-Göttingen, Professor vr. v. Franque-Gießen. 3. Bericht: Maßnahmen zur Förderung des Stillens. Berichterstatter: Hofrat vr. Meier-München, Stadtrat Hofmann- Leipzig. 8. Dresden, 2. Juni. Die zerstückelte Kindes leiche. In geradezu beängstigender Weise mehren sich auch in Dresden die Kindesmorde und es vergeht selten eine Woche, wo nicht die Auffischung einer Kindesleiche gemeldet wird. Meistens sind es jedoch Ausländerinnen — Polinnen, Russinnen und Böhminnen —, die nach Sachsen gekommen sind, um hier Stellung zu suchen. In skrupel loser Weise entledigen diese Ausländerinnen sich hrer Neugeborenen, um dann in den meisten Fällen chleunigst zu verschwinden. Vor wenigen Tagen and man nun in der Abortgrube eines Grund- tücks in der Friedrichstadt Teile einer Kindesleiche. Die polizeilichen Nachforschungen haben jetzt er- Der fSchMch- «rzL-ler. «ette geben, daß eine aus Rußland stammende Arbeiterin, die auf dem Ostragute in Dienst stand, einem Kinde das Leben gegeben und nach der Geburt die Kindesleiche zerstückelt und in den Abort geworfen hat. Die Mutter und Mörderin erkrankte bald nach der Geburt und ist jetzt an den Folgen der- selben im Krankenhause gestorben, so daß sie damit der irdischen Strafe entrückt ist. Auf demselben Gute diente auch die Schwester der Verstorbenen. Diese ist nun aus Anordnung der Staatsanwalt schaft verhaftet worden, da sie im Verdacht steht, ihrer verstorbenen Schwester bei der Tötung des Kindes und der Beseitigung der Kindesleiche Bei- Hilfe geleistet zu haben. Dresden. Am ersten Pfingstfeiertag beging Herr Julius Müller, Prokurist der Buchdruckerei Johannes Päßler, sein öOjähriges Berufsjubiläum. Der Deutsche Buchdruckerverein und die Innung Dresdener Buchdruckereibesitzer brachten dem Jubilar ihre Glückwünsche dar. — Der am Sonn abend abend 8 Uhr 10 Minuten in Reick aufge- stiegene, mit fünf Personen besetzte Ballon Graf Zeppelin des Sächsischen Vereins für Lustschiffahrt landete nach 17stündiger Fahrt glatt bei Röhrenbach, nördlich Passau. Vermischtes. — Auf der Flucht erschossen. Am Sonntag versuchte in Torgau während des Kirchganges ein Festungsgefangener Namens Schröder, der eine Strafe wegen Fahnenflucht abbüßt, zu entfliehen. Ein Schuß, der von einem ihm ver folgenden Unteroffizier abgegeben wurde, traf den Fliehenden in den Rücken. Der Mann war sofort tot. — Zum Raubmord auf dem Brocken wird aus Ilsenburg weiter gemeldet: Ein der Tat ver- dächtiger Mann, auf den die Personalbeschreibung paßt, wurde in Schimmerwald bei Stapel burg beobachtet, konnte bisher aber nicht festge nommen werden. Es soll ein vorbestrafter Ge legenheitsarbeiter aus der Umgegend sein. Die Obduktion, die von zwei Kreisärzten vorgenom men wurde, ergab, daß der dritte Schuß, der durch den Oberarm in die Lunge ging, eine innere Ver blutung verursachte und deshalb tödlich wirkte. Die Leiche, die zur Beerdigung freigegeben wurde, ist in Wernigerode von der Beerdigungsfirma Dahle eingesargt worden und Sonntag früh um 9 Uhr nach Steglitz übergeführt. Der Vater des Ermordeten begleitete den Transport. Als der Leichenwagen sich vom Krankenhaus in Ilsenburg in Bewegung setzte, läuteten die Kirchenglocken und zahlreiche Einwohner und Sommergäste ga- ben ihm das Geleit. — Ferner meldet die „Berl. Morgenpost" hierzu aus Halberstadt: Der hiesige erste Staatsanwalt Caspar erklärte ob der Täter ein Einheimischer oder von außer halb zugereist ist, ist noch nicht festgestellt. Er neigt aber zu der Annahme, daß der Täter nicht aus dem Harz stammt. Aus der raschen Auf einanderfolge der Schüsse schließen die Sachver ständigen, daß das Mordwerkzeug vielleicht eine moderne Selbstladepistole war. Ein solches Mord- instrument würde vielleicht auf einen Großstadt- ""'M '-"»MM» Verbrecher schließen lassen, weil diese Waffen teuer sind und Kenntnis der Handhabung voraussetzen. Ob der Täter den ermordeten Direktor Friedrich beobachtet und aufgelauert oder ob der Täter den ersten besten des Weges Kommenden niederschie- ßen wollte, in der Annahme, wer eine Harzreise mache, führe auch Geld bei sich, darüber bestehen nur Vermutungen. — Die Begleiterin des Ermor deten ist nach den Mitteilungen des Herrn Fried- rich senior die Braut seines Sohnes gewesen, mit der er seit zwei Jahren verlobt war. Mitte Juli sollte die Hochzeit stattfinden. Wie die junge Dame angab, besaß Friedrich nach dem Ueberfall noch die Kraft, auf den Täter mit seinem Rohr stock einzuschlagen und brachte dem Täter auch verschiedene Verletzungen bei. Der Rohrstock brach aber entzwei, und schließlich verließen Fried rich die Kräfte und er brach zusammen. Die Braut sah noch, wie der Täter sich auf den Ge fallenen stürzte und ihm mit einem Griff die Brieftasche mit 1300 Inhalt und die Uhr ent riß. Das Portemonnaie hat er ihm gelassen. — Lokomotive entgleist. Von dem Zug 3 der Strecke Legau — Memmingen (Bayern) ist anl Montag vor der Station Jllerbeuren die Lokomotive entgleist und umgestürzt. Der Pack wagen und zwei andere Wagen sind entgleist. Der Heizer Giri wurde getötet. — Ein verwegener Ranbanfall in eine» Theater New-Korks erregt in der amerikanischen Metropole lebhaftes Aufsehen. Während des Spieles trat auf einen als vermögend bekannten Amerikaner Williams, der bekanntlich eine größere Summe bei sich trägt, ein Mann zu: „Ich habe die Billets für die zwei Sitze, die Sie einnehmen, wollen Sie bitte aufftehen." Williams weigerte sich und erklärte, daß er seine Plätze bezahlt und seine Billets in der Tasche habe. „Sie sind ein Lügner", schrie der Fremde und packte Williams bei der Schulter. In diesem Augenblick trat ein zweiter Mann in der Kleidung eines Theater portiers herbei: „Stören Sie nicht die Vorstel lung, gehen Sie in die Vorhalle und setzen Sie sich auseinander." Williams stand auf und ging ins Foyer, seine Gattin folgte ihm. Im Vor raum fand das Ehepaar den Mann, der die Plätze reklamiert hatte, außerdem den vermeintlichen Theaterportier und einen dritten Mann. In dem selben Augenblick wurde Williams durch einen hef tigen Schlag mit einer kurzen Eisenstange zu Bo dengeschlagen; er schrie jedoch dabei so lautauf, daß die Polizisten von draußen hereinstürmten. Die drei Angreifer eilten in den Zuschauerraum zu rück und verloren sich in der Menge. Das HauS wurde dann von Polizisten umstellt. Trotz der Erregung im Publikum wurde das Stück zu Ende gespielt. Nach Schluß der Vorstellung muß- ten alle Theaterbesucher an Herrn und Frau Wil liams vorübergehen, aber beide vermochten unter den Anwesenden die Angreifer nicht wieder zu er kennen. Später fand man jedoch in einer Loge einen Mann, der sich schlafend stellte, und noch vor Morgenanbruch wurden zwei andere als verdächtig festgenommen. Ob man damit die verwegenen Angreifer ergriffen hat, muß die Untersuchung lehren. Schlachtvieh-Preise auf dem Biehhafe z« Dresden. am 1. Juni IS0S, nach amtlicher Feststellung. Tier gattung Auf trieb Stück Bezeichnung Marktpreis für eo kg Lebmd- j Schlacht- Gewicht. > Mk. Mk. Ochsen ISS >) ». Vollfleiichige, auSgemästete HSchstrn Schlachtwerte« bi« zu « Jahren 37- 4« 73 7« d. Oesterreich» desgleichen 39 42 7Ü-78 2) Junge fleischige, nicht auSgemästete — ältere auSgemästete 33- 3S «9 72 3i Mäßig genährte junge, — gut genährte ältere >S- 32 «3 «8 Kalben und 4) Gering genährte jeden Alter« .... 2d- 27 dd - «2 Kühe ISN I) Bollfleischige, auSgemästete Kalben höchsten Schlachtwertes 3S 39 S8 72 2) Bollfl., auSgemäst. Kühe höchsten Schlachtwertes bis zu 7 Jahren 32 32 «3 »7 3) Aeltere auSgemästete Kühe und wenig gut entwickelte jüngere Kühe und Kalben ..... 28 3! 58 - S2 4) Mäßig genährte Kühe und Kalben 23 27 L3 »7 S) Gering genährte Kühe und Kalben . 48—l 2 Bullen 2S9 l) Bollfleischige höchsten Schlachtwerte« 3« 39 «8 7t 2) Mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 32 3d 84 «7 3) Gering genährte .... 27 3 t k9 S3 Kälber 274 t) Feinste Mast- (Vollmilchmast) und beste Saugkälber 48-22 78- 82 2) Mittlere Mast- und gute Saugkälber . 44-47 74- 77 3) Geringe Saugkälber .... 38- 43 «8 73 Schafe S42 1) Mastlämmer ..... 39 41 74 77 2) Jüngere Masthamwel 3S 38 «9 72 3> Aeltere Masthammel . . . ?2 3d 84-S8 Schweine 13S2 4^M88lg^jen8hrte^Hamme^und^8chale^MeLHschase) . . 1) ». Bollfleischige der feineren Rasten und deren Kreuzungen im Alter 82—S4 dis zu 1'/. Jahren .... S^-dt Sd- SS b. Fettschweme .... b1-b2 SS- 87 2) Flei'chige ..... 48- 49 «3—«4 3) Gering entwickelte, sowie Sauen .... 44 - 47 H8-S2 zusammen 28S3 Ausnahmepreise über Notiz. Geschäftsgang: Bei Ochsen, Kalben und Kühen und Bullen schlecht, bei Kälbern und Schweinen langsam, vei Schafen sehr langsam. — Bon dem Austrieb sind 43 Rinder und 1l Kälber Ssterreichisch-ungarischer Herkunft. Druck uud «erlag »an Friedrich May, redigiert unter «erantwortlichkeit von Emil May in Bischofswerda.