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> SOS. Freitag, 28. Mai. Der sächWe Lrzähler, Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschaft, der Kgl. Schulinspektion und des Kgl- Hauptzoüamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. Kernfprechfteae Nr. S2. Bestellungen werden bei allen Postanstalten des deutschen Reiche», sür Bischofswerda und Umgegend bei unseren Zeitungsboten, sowie in der Geschäftsstelle dieses Blattes angenommen. Schluß der Geschäftsstelle Abends ö Uhr. Dreismdfechzigfter Jahrgang. Jnfrrate, welche tn diesem Blatte die weiteste Verbreitung finden, werden bis vorm. 10 Uhr angenommen, größere und komplizierte Anzeigen tags vorher, und kostet dir vtrrgespaltene KorpuSzeile 12 «i, die Reklamezeile 30 Geringster Jnseralenbelrag 40 «l. Für Rückerstattung ringesandter Manuskripte usw. keine Gewähr. 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So hat, wie man weiß, die eng lische Regierung ihren ursprünglichen Entschluß, bis zum Jahre 1910 vier weitere Dreadnoughts auf Stapel zu legen, plötzlich wieder fallen lassen und dafür beschlossen, gleich acht von diesen mo- -ernsten Panzerschiffen herzustellen, dies offenbar unter dem Drucke der öffentlichen Meinung Eng lands, welche die Vormachtstellung des Insel reiches zur See durch die angeblichen deutschen Flottenrüstungen bedroht wähnt. Oesterreich-Un garn hat zur nicht geringen Ueberraschung an derer beschlossen, sich ebenfalls mehrere Dread noughts zuzulegen und mit ihrem Bau alsbald zu beginnen. Dieser Schritt der habsburgischen Monarchie findet nun wieder im benachbarten Italien ein sehr entschiedenes Echo. Ein der De putiertenkammer unterbreiteter Gesetzentwurf verlangt nicht weniger als 440 Millionen Lire, die auf die Zeit bis 1915 verteilt werden sollen, sür Flottenzwecke, was gegenüber dem bisherigen Marinebudget Italiens das beträchtliche Mehr von 146^ Millionen Lire bedeutet. Frankreich seinerseits ist bestrebt, seinen Rang als stärkste Seemacht nach England energisch zu wahren, 38 Kriegsschiffe, darunter zahlreiche erstklassige Pan zerschiffe und Panzerkreuzer, sollen in den nächsten Jahren neu gebaut werden. Auch Rußland geht trotz seiner mißlichen Finanzlage an den Bau einer Anzahl neuer Kriegsschiffe, was indessen be- «reiflich erscheint, im Hinblick auf die fast gänz liche Vernichtung seiner Flotte im russisch-japani schen Kriege. Auch Mächte zweiten Ranges befas- sen sich mit Flottenrüstungen, Spanien will sich mit Hilfe englischen Geldes eine ganz neue Flotte zum Ersatz für die seinerzeit von den Amerikanern vernichtete schaffen, und selbst die Türkei trägt sich unter dem neuen Regime in Konstantinopel mit dem Plane, einige neue und moderne Kriegs schiffe zu bauen. Es ist demnach ein förmliches Wettrennen in bezug auf die Flottenrüstungen eingetreten, ob- wohl die Weltlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt absolut keine erkennbare Veranlassung für die Notwendigkeit derartiger maritimer Vorkehrun gen darbietet. Ist doch erst kaum die jüngste orientalische Krisis, welche einen kriegerischen Weltbrand zu entzünden drohte, wieder beschwo ren worden, sonstige dunkle Punkte am inter nationalen politischen Horizont aber, welche für die nächste Zeit mögliche kriegerische Verwick lungen befürchten lassen könnten, sind nicht zu ent decken. Und dessenungeachtet grassiert das Flöt- tenrüstungsfieber, und dies dazu noch trotz der schwierigen Finanzlage, in welcher sich die meisten Staaten befinden, trotz aller Friedenskongresse und Friedenskonferenzen, die immer wieder Er klärungen gegen die ewigen Rüstungen loslassen. Die Mächte mißtrauen sich eben gegenseitig, ungeachtet aller friedlichen Versicherungen und Beteuerungen der leitenden Staatsmänner, sie wittern womöglich von einander geheimnisvolle Bläne, welche mit Hilfe einer starken Flotte durch geführt werden sollen. Mindestens wollen sie sich aber hierdurch vor unliebsamen Ucberraschungen sichern, und so geht das überhastete Bauen neuer Kriegsschiffe auf allen Seiten weiter, selbst wenn hierdurch die Budgets der einzelnen Länder eine empfindliche Mehrbelastung zu erfahren drohen. Angefangen wurde dies Wettrennen von England, welches glaubte, durch die deutschen Schiffsbauten in seiner maritimen Stellung gefährdet zu sein, obwohl doch wahrlich von deutscher Seite bis zum Ueberdrusse erklärt worden ist, es handele sich lediglich um die planmäßige Ausführung des deutschen Schiffsbauprogrammcs, und letzteres sei in den bekannten mäßigen Grenzen gehalten. Doch haben diese Versicherungen jenseits des Kanals nicht gefruchtet, und die Hoffnung, daß die eng lische Regierung ein gutes Beispiel nach außen geben und ein gemäßigteres Tempo in den Flot- tcnrllstungen cinschlagen werde, hat sich bis jetzt nicht erfüllt, wie eben der beschlossene Bau von acht weiteren englischen Dreadnoughts bekundet. Demnach mutz man leider damit rechnen, daß auch auf anderen Seiten die Flottenrüstungen ihren Fortgang nehmen werden. Deutsches Reich. Der Kaiser begab sich am Dienstag früh mit tels Automobils vom Neuen Palais nach dem Töberkitzcr Schießplätze, wo er verschiedenen Exer zitien der Militärluftballons „Groß I", „Groß ll" und „Parseval ll" zusah und hierauf noch den Uebungen der zweiten Garde-Jnfanterie-Brigade beiwohnte. Dann kehrte der Monarch nach dem Neuen Palais zurück. Ausländische Blätter wissen zu berichten, Kai ser Wilhelm habe bei seiner jüngsten Begegnung mit dem König Viktor Emanuel in Brindisi demselben versprochen, wie zum Regierungsjubi läum des Kaiser Franz Josef im vorigen Jahre, auch bei der Jubelfeier der italienischen Einheit im Jahre 1911 an der Spitze der deutschen Bun desfürsten nach Rom zu kommen. Diese Nachricht klingt indessen nicht sehr wahrscheinlich. Ein Beileidsschreiben vom Kaiserpaar hat die Familie des Lehrers Wilhelm Hahn in Berlin er halten, der, wie gemeldet, während des Sänger wettstreites in Frankfurt a. M. Plötzlich gestor ben ist. Die Finanzkommission des Reichstages setzte am Dienstag vormittag die Einzelberatung des Brausteuergesetzes bis 8 6 fort und erledigte die durchsprochenen Paragraphen in der Vormittags sitzung bis mit 8 26 fast durchgängig nach den Kommissionsbeschlllsscn erster Lesung. Die von konservativer Seite gestellten Kontingentierungs anträge fielen. In der Nachmittagssitzung ge langten die übrigen Bestimmungen des Brau- steuergesetzes zur Erörterung, die ebenfalls im großen und ganzen unverändert nach den Be schlüssen erster Lesung angenommen wurden. Bei der sich nun anschließenden Beratung der Tabak- steuer-Vorlage wurden die Beschlüsse erster Le sung betreffs der Wcrtzuschlagsteuer aufrecht er halten, dann trat Vertagung bis Mittwoch ein. Das preußische Abgeordnetenhaus genehmigte am Dienstag die Novelle zum Berggesetz in drit ter Lesung auf Grund der hierzu gestellten Korn- promißanträge im ganzen gegen zwei sozialdemo kratische Stimmen. Das Herrenhaus setzte ani gleichen Tage vorwiegend die Etatsbcratung fort. Generalfeldmarschall Graf v. Haeseler, der Soldatenvatcr, beantragte mit Prof. vr. Zorn im preußischen Herrenhause, die Regierung auf- zufordern, eine Gesetzesvorlage in die Wege zu leiten, durch welche „der Besuch der Fortbildungs schule nach der Entlassung aus der Elementar schule bis zum 18. Lebensjahre für obligatorisch erklärt und das gesamte Fortbildungsschulwesen dem Unterrichtsministerium unterstellt werde." — Längst schon tritt Haeseler dafür in die Schranken, daß zwischen Schulunterricht und Dienstzeit keine breite Lücke mehr klafft, die von den Volksver hetzern ausgcnutzt wird, um die jungen Leute, noch ehe sie Soldat werden, in ihre Netze zu ziehen. Graf Rhena, der in Bern so plötzlich verstor bene Sohn des Prinzen Karl von Baden, hat, wie jetzt erst bekannt wird, dem Unteroffizierkorps des dritten badischen Dragoner-Regiments „Prinz Karl" Nr. 22 in Mülhausen, dessen Chef sein ver storbener Vater war, ein Legat von 100 000 und deni Trompeterkorps desselben Regiments 25 000 vermacht, wovon die Zinsen in die Mu sikkasse fließen sollen. Fürst Philipp von Eulenburg hat sich nach er haltener Genehmigung der Berliner Oberstaats anwaltschaft mit seiner Familie zum Kurgebrauch nach Bad Gastein begeben. Das Befinden des schwerkranken Fürstbischofs vr. Kopp hak sich leider noch weiter verschlimmert. Der Kranke erhielt bereits die Sterbesakramente, da die behandelnden Aerzte fast jede Hoffnung auf seine Wiederherstellung aufgegeben haben. In dem Spionageprozetz Schweng und Genos sen vor dem Reichsgericht in Leipzig ist der Angeklagte Schweng in der Hauptsache geständig, daß er sich an einen deutschen Vizewacht meister und an andere Personen gewandt habe. Mehrmals habe er auch kleine Mengen Pulver erhalten. Von dem französischen Agenten habe er 800 Francs bekommen; seine Tätigkeit habe er nicht für die eines Spions gehalten. Bohn bestreitet die Schuld. Den Briefverkehr Schwengs hatte seine Mutter vermittelt, während der Ver kehr des erwähnten Vizewachtmeisters mit dem Angeklagten mit Genehmigung der Vorgesetzten erfolgte. Während der Vernehinung der 18 er- schicnenen Zeugen bekam der Angeklagte Schweng einen epileptischen Anfall, weshalb die Sitzung auf eine Viertelstunde unterbrochen werden mußte. Die weitere Sitzung war nicht öffentlich. Im Laufe des Nachmittags wurde die Beweisauf nahme zu Ende geführt. Der Sachverständige Medizinalrat Thuemmler, gab sein Gutachten dahin ab, daß der Angeklagte Hysteriker, seine Zurechnungsfähigkeit aber nur wenig geniindert sei. Heute Donnerstag beginnen die Plaidoyers. Wie dem „B. L.-A." aus Stuttgart gemeldet wird, soll Direktor Colsmann den Cannstädter Platz und den Exerzierplatz der Stuttgarter Gar nison als geeignet zum Landungsplatz für Zep pelins Luftschiffe bezeichnet haben. Die Stadt Stuttgart läßt den, Grafen die Wahl des Platzes offen und fordert ihn auf, durch Versuche den günstigsten Landungsplatz festzustellcn. Auch mit Luzern sind die Verhandlungen der Zeppelin-Gc- sellschaft bezüglich der finanziellen Verpflichtungen und der Tcrrainerwcrbung für die Anlage einer Luftschiffhalle beendet. Der Vertragsabschluß wird in den nächsten Tagen erfolgen. Danach würde Luzern der Ausgangspunkt für die Luft linie Stuttgart, Frankfurt, Köln, Düsseldorf wer den. Oe st erreich-Ungarn. Zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien ist schon wieder eine Verstimmung aufgctaucht. Die österreichische Regierung hat cs abgclehnt, sich offiziell an den Ausstellungsfestlichkeiten zu be teiligen, die im Jahre 1911 in Rom und Turin