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11g.. Dienstag, 18. Mai. — Der sächW LrMler, Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschast, der Kgl. Schulinspettion und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. J-rirsprechfteS- Nr. LS. Bestellungen werden bet allen Bostanstalten des deutschen Reicher, für Bischofswerda und Umgegend bei unseren Zeitungsboten, sowie in der Geschäftsstelle dieses Blattes angenommen. Schluß der Geschäftsstelle AbmdS 8 Uhr. Dreiurrdfechzigstrr Jahrgang. Erscheint jeden Werktag abend« für den folgenden Lag und Kstet einschließlich der Mittwoch« und Sonnabend» rrschri» «enden.Bell etrt'stischrn Beilage" bei Abholung viertel» Uhrlich 1 SV bei Zustellung tu« Hau» 1 70 «l, bet allen Postanstalten 1 S0 «l exklusive Bestellgeld. Einzelne Nummern kosten 10 Nummer der ZettungSpreiSlist« 6587. Inserate, welche in diesem Blatte die weiteste «erbreitung findm, werden bi« vorm. 10 Uhr angenommen, größere und komplizierte Anzeigen tag» vorher, und kostet di, viergespaltene KorpuSzeile 12 «>, die Reklamezeilr 30 Geringster Jnseratenbettag 40 Für Rückerstattung eingesandter Manuskripte »sw. keine Gewähr. An die Abführung der «taatseinkommerr- und ErgSnznngsfteuer, G-meind-anlagen, sowie «randkaffe, Grundsteuer «Nd Schulgeld re. wird hierdurch erinnert. Ttadtrat Bischofswerda, am 17. Mai 1909. Deutsches Reich. Der deutsche Kaiser und die Kaiserin besuchten Sonnabend um ^9 Uhr früh die Kapuzinergruft, wo sie an dem Sarge der Kaiserin Elisabeth und des Kronprinzen Rudolf Blumenkränze mit weiß seidenen Bandschleifen, die die Initialen V und V trugen, niederlegten und ein kurzes Gebet verrichteten. Nach einem Aufenthalt von 8 Minuten verließen die Majestäten die Kapuzinergruft und kehrten unter dem jubelnden Zurufen der Be völkerung in die Hofburg zurück. Nach denl Familiendejeuner fuhren die deutsche Kaiserin mit der Erzherzogin Maria Annunziata und Kaiser Wilhelm in österreichisch-ungarischer Generalsuniform mit dem Kaiser Franz Josef in preußischer Generalsuniform zum Westbahn hofe, gefolgt vom Ehrendienst, durch ein Spalier des Publikums, das nach vielen Tausenden zählte und den Majestäten jubelnde Huldigungen dar brachte. Kaiser Wilhelm und die Kaiserin dankten unablässig freundlich für die rauschenden, sich immer wiederholenden Ovationen. Am Westbahn hofe angelangt, hielten die Majestäten im Hof wartesaal mit den zur Abschiedsaufwartung er schienenen Persönlichkeiten, dem Botschafter von Tschirschky und dem Personal der Botschaft, sowie dem österreichisch-ungarischen Botschafter von Szögyeny-Marich Cerkle. Die Majestäten betraten sodann den mit Blattpflanzen reichaeschmückten Bahnsteig. Die Kaiserin küßte die Erzherzogin Maria Annunziata. Kaiser Franz Josef küßte der Kaiserin die Hand. Sie verabschiedete sich freundlich lächelnd vom Monarchen. Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef küßten einander dreimal. Dieser half der Kaiserin beim Einsteigen in den Hofwagen. Die deutschen Majestäten unterhielten sich bis zur Abfahrt des Zuges leb haft mit dem Kaiser und der Erzherzogin Maria Annunziata vom Kupeefenster des Hofsonderzuges aus. Als sich der Zug in Bewegung setzte, salu tierten die Majestäten und nickten einander freund lich zu. Kaiser Wilhelm dankte den Grüßen der am Bahnsteig versammelten zahlreichen Menge. Zum Wiener Aufenthalte deS deutschen Kaiser paares ist als besonders bemerkenswert noch zu berichten, daß Kaiser Wilhelm am Sonnabend vormittag den österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen, Freiherrn v. Aehrenthal, und den deutschen Botschafter v. Tschirschky in einstün diger gemeinsamer Audienz empfing. In ihr ist, wie verlautet, die allgemeine politische Lage auf Grund der jüngsten Ereignisse einer Erörterung unterzogen worden, als selbstverständlich darf es wohl gelten, daß hierbei keinerlei besondere Ab machungen getroffen worden sind. Am Freitag abend hatte Kaiser Wilhelm nach dem Diner in der Wiener Hofburg eine längere Unterredung mit den ungarischen Ministern vr. Weckerle und Graf Andrassy. Die Krisis in der Finanzkommission des Reichstages, die zur Amtsniederlegung des Kom missionspräsidenten, des nationalliberalen Abge ordneten I)r. Paasche führte, hat den Wirrwarr in der Reichsfinanzreform nur noch vergrößert. Kein Mensch vermag vorläufig zu sagen, was nun werden soll, denn mit der Wahl eines neuen Vor sitzenden der Finanzkommission ist die Sache noch lange nicht ins Lot gebracht. Die Vorgänge, die sich in der Kommissionssitzung vom 13. Mai bei der Beratung der Banderolensteuer auf Zigarren abspielten, deuteten genugsam schon eine weitere Annäherung zwischen Konservativen und Zentrum an, und zu dieser in der Reichsfinanzreform immer klarer hervortretenden neuen Konstellation der Parteien wird die Bülowsche Regierung wohl oder übel endlich Stellung nehmen müssen. — In der am Freitag abgehaltenen Sitzung der Finanz kommission, die vom provisorischen Vorsitzenden, dem Zentrumsabgeordneten Spahn, geleitet wurde, gaben die Redner der Konservativen, der Reichs partei und der Wirtschaftlichen Vereinigung zu nächst Vertrauensvota für den hisherigen Vor sitzenden vr. Paasche ab. Dann beriet die Kom mission den Entwurf des Finanzgesetzes, betr. eine anderweitige Regelung der vom Reiche für die Träger der Unfallversicherung vorschußweise zu zahlenden Entschädigungen. Die Beratung endete damit, daß die Regierungsvorlage mit einer kleinen Abänderung angenommen wurde. In der auf den 18. Mai anberaumten nächsten Kommissions sitzung steht die Neuwahl des Vorsitzenden zuerst auf der Tagesordnung. Der Reichstag beendigte am Freitag zunächst die zweite Lesung der Novelle zum Bankgesetz; die einzelnen Artikel wurden unverändert in der Kom missionsfassung angenommen. Dann trat das Haus in die zweite Beratung des Viehseuchen gesetzes ein; die sich entspinnende allgemeine Debatte wurde schließlich infolge Vertagung abgebrochen. Zur Erörterung der geschäftlichen Situation im Reichstage hielt dessen Seniorenkonvent am Sonnabend vormittag eine halbstündige Sitzung ab; doch wurden noch keine endgültigen Entschlie ßungen gefaßt. Vermutlich geht das Plenum an diesem Mittwoch in die Pfingstferien. In der Zwischenzeit bis zum WiederzusamnWntritte des Hauses soll die Regierung die Vorlage über die geplanten Ersatzsteuern einbringen. Der Reichstag setzte am Sonnabend die zweite Lesung des Viehseuchengesetzes fort. Nach Schluß der allgemeinen Aussprache wurde zunächst 8 1 angenommen, und zwar einstimmig in der Kom- mifsionsfassung; ebenso gelangten nach den Kom missionsbeschlüssen eine Anzahl weiterer Para graphen zur Annahme, unter ihnen auch die von Abwehrmaßregeln gegen die Einschleppung von Viehseuchen aus dem Auslande handelnden 88 6 und 7, die hierzu gestellten Abänderungsanträge wurden abgclehnt. Bei 8 67ck mußte wegen zwei felloser Beschlußunfähigkeit des Hauses die wei tere Beratung abgebrochen werden, worauf Ver tagung eintrat. Die geplante neue Fahrkartensteuer soll einen Zi/oproz. Zuschlag für alle Wagenklasse», incl. der 4., vvrsehen, nur die Beträge unter einer Mark sollen steuerfrei bleiben. Das Reisen würde dem nach noch teurer werden. In Leipzig wurde am Sonnabend das König liche Institut für Kultur- und Universalgeschichte an dortiger Universität feierlich eröffnet. Tie Gesamtzahl der Toten bei der Eisenbahn katastrophe von Herlisheim stellt sich nach einer genaueren Meldung auf sechs. Der angerichtete Materialschaden wird auf zwei Millionen Mark geschätzt. In der Nähe von Ossegg im böhmischen Erz gebirge wurden zwei deutsche Einwohner, der Zimmermann Grimm und der Maurer Boreatty, von fünf tschechischen Arbeitern ohne den gering sten Anlaß, lediglich weil sie deutsch miteinander sprachen, angefallen und durch Messerstiche schwer verletzt. Dec Ueberfall geschah in den Abendstun den, so daß sich die Angegriffenen kaum wehren konnten. Es gelang der Gendarmerie, die fünf tschechischen Messerstecher festzunehmen und gefes selt dem Bezirksgericht in Dux einzuliefern. Während die tschechischen Blätter fortgesetzt von der angeblichen „Bedrückung der tschechischen Mi noritäten" schreiben, sind ihre Landsleute in den deutsch-böhmischen Gebieten, ganz besonders aber in den wehr und mehr tschechisierten Kohlenge- bieten, durch ihre ungeheuere Roheit geradezu eine öffentliche Gefahr. Oesterreich-Ungarn. Zwischen Oesterreich-Ungarn und England war anläßlich der etwas verschiedenen Stellungnihme der beiden Mächte zur Orientkrisis eine leichte Verstimmung eingetreten. Im Anschlüsse hieran waren Gerüchte aufgetaucht, daß König Eduard diesmal dem Kaiser Franz Josef nicht den üblich gewordenen sommerlichen Besuch in Ischl abstatten werde. Letztere Gerüchte bestätigen sich indessen nicht, vielmehr wird der englische Monarch auch diesmal nach der Sommerresidenz Kaiser Franz Josefs kommen, sogar begleitet vom Minister des Auswärtigen, Grey, der mit seinem österreichischen Kollegen, Freiherrn v. Aehrenthal, angeblich eine Zusammenkunft in Ischl haben wird. Es soll der Wunsch des Kaisers Franz Josef sein, die österreichisch - englischen Beziehungen wieder in normale Bahnen zu lenken. In der ungarischen Kabinettskrisis ist endlich eine kleine Vorwärtsbewegung zu erkennen. Laut einer Meldung des „Pester Lloyd" beauftragte Kaiser Franz Josef den bisherigen Ministerprä sidenten vr. Weckerle, vorbereitende Schritte zur Bildung des neuen Kabinetts zu unternehmen, Frankreich. Der Poststreik in Paris flaut allmählich ab, so daß man in den Pariser politischen Krisen mit der baldigen Beendigung des Streikes rechnet. Die Clemenceausche Regierung könnte mit einem solchen Ausgange der postalischen Streikbewegung zweifellos einen namhaften Erfolg verzeichnen. Den streikenden Postbeamten in Paris wol len jetzt die dortigen Bauarbeiter zu Hilfe kom men. Sie beschlossen in einer Versammlung, auS Solidaritätsgefühl mit den Postbeamten den Generalstreik zu erklären. Hiermit dürfte indes- sen dem als verloren geltenden Poststreik schwer- lich eine erfolgverheißende Wendung verliehen werden. Italien. In der Besprechung der Kaiserzusammenkunfk in Wien weist die „Tribuna" auf die Bedeutung der Trinksprüche Kaiser Franz Josefs und Kaiser Wilhelms, sowie des Tepeschenwechsels mit König