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Dienstag, 4. Mai. -! 1SVS. Per sächW Lrzähler. Tageblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschaft, der Kgl. Schulinspe.ktion und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. Erscheint jede« Werktag abends für den folgenden Tag und kästet einschließlich der Mittwoch» und Sonnabends erlebet» MNden.Belletristischen Beilage" bei Abholung viertel jährlich 1 50 «i, bei Zustellung ins Hau» 1 70 «t, bei allen Postanstalten I 50 «t exklusive Bestellgeld. Einzelne Nummern kosten 10 Nummer der ZettungSpretSlistr 6587. Kernsprechftev- Nr. SS. Bestellungen werden bei allen Postanstalrrn des deutschm Reicher, für BifchosSwerda und Umgegend bei unseren ZeitungSboten, sowie in der Geschäftsstelle dieses Blattes angenommen. Schluß der Geschäftsstelle Abends 8 Uhr. Drei«ridsechzigster Jahrgang. Inserate, welche in diesem Blatte die weiteste Verbreitung finden, werden bis vorm. 10 Uhr angenommen, größer« und komplizierte Anzeigen tags vorher, und kostet di« viergespaltrne KorpuSzeile 12 «>, die Reklamezeile 30 Geringster Jnseratenbetrag 40 «l. Für Rückerstattung eingesandter Manuskripte usw. keine Gewähr. Ein Blick auf die Weltlage. Die jüngste Orientkrisis kann wohl mit dem Siege der Jungtürken und der Proklamierung des neuen Sultans Mohammed V. als wenigstens für Europa abgeschlossen gelten. Es steht kaum zu befürchten, daß die Ereignisse am Bosporus noch eine ungünstige Einwirkung auf den europäischen Frieden ausüben werden, wenngleich sie allerdings im Osmanenreiche selber vielleicht noch einige Zeit nachzittern dürften. Da ferner schon vorher die Streitaffäre zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien-Montenegro ihre Beilegung erfahren hatte, und da endlich auch die türkisch-bulgarische Streit frage mit der erfolgten Anerkennung des unab hängigen Königreiches Bulgarien ihre Erledigung gefunden hat, so können die Balkanwirren der neuesten Zeit als für Europa wieder abgetan be trachtet werden. Der verhältnismäßigen friedlichen Wendung der Dinge im orientalischen Hexenkessel entspricht auch die sonstige Gestaltung der Weltlage, die bis auf weiteres eine ruhige Entwicklung zu nehmen verspricht. Als ein hierauf hindeutendes Zeichen kann zunächst die in Bajae bei Neapel stattge- sundene Zusammenkunft der Könige von England und von Italien angenommen werden, denn in ihrem gesamten Verlauf kann man sie als ein neues Friedenssymptom auffassen. Das Ereignis hat die hundertjährige Freundschaft zwischen Eng land und Italien abermals hervortreten lassen, ohne daß doch zugleich zu Bajae irgendwelche be- sondere Abmachungen getroffen worden wären; solche würden sich ja auch mit der Rolle Italiens im Dreibunde nur schwer in Einklang bringen lassen. Wichtiger aber sind noch vor der Tür stehende weitere Monarchenbegegnungen, die für den 12. Mai in Brindisi signalisierte Zusammen kunft Kaiser Wilhelms gelegentlich seiner Rückreise von Korfu mit dem Könige Viktor Emanuel von Italien und der wenige Tage darauf nachfolgende Besuch des deutschen Herrschers beim Kaiser Franz Josef in Wien, resp. Schloß Schönbrunn. Die Entrevue von Brindisi dokumentiert in klarer Weise das fernere Verbleiben des Apenninenkönig reiches in der mitteleuropäischen Allianz, welches in Anbetracht der mancherlei Schwankungen der auswärtigen italienischen Politik einigermaßen in Frage gestellt zu sein schien. Das in der letzten Orientkrisis hervorgetretene Uebergewicht der starken Machtstellung der zwei zentraleuropäischen Kaiserreiche hat aber den Dreibundgedanken wenigstens in den maßgebenden politischen Kreisen Italiens zweifellos wieder zum siegreichen Durch bruch Verholfen, und in diesem Zeichen wird sicher lich das herangenahte neueste Rendez-vous Kaiser Wilhelms und König Viktor Emanuels stehen. Die sich fast unmittelbar anschließende Begegnung Kaiser Wilhelms mit seinem greisen kaiserlichen Freund und Verbündeten Franz Josef wird sich dann auch ihrerseits zu einer erneuten Bekräftigung des Dreibundes, im speziellen jedoch zu einer abermaligen Betonung des unerschütterlichen Bündnisverhältnisses gestalten, welches Deutschland und die habsburgische Monarchie nun schon seit dreißig Jahren fest umschlingt, und das sich soeben erst bei der Verwicklung Oesterreich-Ungarns in die Balkanwirren der letzten Zeit wiederum vor aller Welt bewährt hat. Der bevorstehende Be such des deutschen Kaisers beim Kaiser Franz Josef wird darum das treue Zusammenstehen ihrer Reiche wiederum deutlich vor Augen führen und sich hiermit unstreitig zu einem neuen Friedenspfande gestalten. Angesichts der zu ge wärtigenden Konsolidierung der internationalen Lage können auch die persischen Wirren, die jetzt zur Besetzung der persischen Provinzialhauptstadt Täbris durch russische Truppen führten, keine sonderliche Beunruhigung Hervorrufen. Ebensowenig steht zu befürchten, daß die neuen revolutionären Vorgänge in Marokko, wo sich Sultan Mulay Hasid durch die Truppen des Thronprätendenten El Hoghi und durch feindliche Berberstämme ernst lich bedroht sieht, internationale Schwierigkeiten zeitigen werden. sH Deutsches Reich. Der Kaiser hat, wie aus Korfu gemeldet wird, dem Prinzen Andreas von Griechenland den Schwarzen Adlerorden verliehen. Prinz Oskar von Preußen, welcher bekanntlich seine kaiser lichen Eltern nach Korfu begleitet hatte, ist von dort an Bord des Depeschenbootes „Sleipner" am Sonnabend früh nach Brindisi abgereist. Zum angesagten Besuche Kaiser Wilhelms beim Kaiser Franz Josef werden jetzt nähere Einzelhei ten bekannt. Kaiser Wilhelm trifft, begleitet von der Kaiserin, mittels Hofsonderzuges am 14. Mai vormittags auf dem Südbahnhofe , in Wien ein; daselbst findet großer Empfang statt. Am 15. Mai mittags erfolgt die Wiederabreise des Kai serpaares. Der Reichskanzler Fürst Bülow beglück wünschte den König Ferdinand von Bulgarien und seine Gemahlin telegraphisch zur Erlangung der Königswürde, hierbei wünschend, daß dem bulgarischen Herrscher auch als König eine ruhm reiche Regierung zum Heile des Landes beschie- den sein möge. Der König betonte in seiner Dank depesche, daß ihm die erhebenden Segenswünsche des Reichskanzlers zur besonderen Freude ge reichten. Die vorläufige Entscheidung in der Finanz kommission des Reichstages in der Angelegenheit des Projektes der Wertzuwachssteuer, die am Sonnabend fiel, bedeutet weiter keine Ueber- raschung, denn die betreffenden Abstimmungen entsprachen den hierüber schon gehegten Erwar tungen. Die wichtigste der vorgenommenen Ab stimmungen war natürlich jene über den konser vativen Antrag Dietrich auf Einführung einer Reichswertzuwachssteuer auf Immobilien und Wertpapiere als Ersatz für die Erbanfallsteuer; er wurde mit 14 Stimmen der Konservativen, des Zentrums und der Polen gegen 14 Stimmen der übrigen Parteien abgelehnt. Auch fast alle übrigen Anträge wurden abgelehnt, nur der Eventualantrag der Wirtschaftlichen Vereinigung wegen unverzüglicher Ausarbeitung eines Gesetz- entwurfes betreffs der Wertzuwachssteuer auf Immobilien und wegen Prüfung des Pro- jektes einer Wertzuwachssteuer auf beweg liches Kapitalvermögen seitens der Regierung fand Annahme, der erste Teil des Antrages ein stimmig, der zweite Teil gegen die Stimmen der Freisinnigen. Dies Ergebnis der vorgenom menen Abstimmungen wird dahin gedeutet, daß eine Wertzuwachssteuer auf Immobilien, der sich ja auch die Regierung geneigt zeigt, Chancen be sitzt, und daß die Erbanfallsteuer schließlich Ge nehmigung finden dürfte. In ihrer, am 4. Mai stättfindenden nächsten Sitzung fährt die Finanz kommission in der Beratung der Branntwein steuer-Vorlage fort. Der weitere Vorstand der konservativen Partei verteidigt in einer veröffentlichten längeren Kundgebung die Haltung der Konservativen in der Frage der Reichsfinanzreform. In der am Sonnabend fortgesetzten Beratung des Kultusetats im preußischen Abgeordneten hause entwickelte sich eine lebhafte Debatte über den bekannten Fall Kuhlebeck und über das Schmiergelderwesen im Aerztestand. Das preußische Herrenhaus genehmigte am Sonnabend die Vorlagen betr. das Wohnungs geldzuschußgesetz für die Beamten, die noch rück ständigen Paragraphen des Lehrerbesoldungsge setzes, sowie noch mehrere kleinere Gesetzentwürfe. Alsdann vertagte sich das Haus auf unbestimmte Zeit. Der Bundesrat hat der Vorlage über die Prägung von 25 Pfennigstücken seine Zustimmung erteilt. Auch hinsichtlich der ge planten Ausführung, die soviel Widerspruch her vorgerufen? In Berlin steht ein neuer Skandalprozeß in Aussicht. Der Strafsenat des Berliner Kammer gerichts beschloß, gegen den Wirk!. Geh. Lega tionsrat l?r. Hammann vom Auswärtigen Amt die öffentliche Anklage wegen Eidesverletzung zu er heben. l>r. Hammann soll in dem Ehescheidungs prozeß, d.m Professor Bruno Schmitz gegen seine Frau führte, einen Meineid geleistet haben. Der Angeschuldigte hat infolgedessen zunächst seine Be urlaubung unter Süspendierung vom Amte er beten und erhalten. Der Friedberg-Prozeß vor dem Berliner Land gericht gelangte am Sonnabend nach fünfwöchiger Dauer zum Abschluß. Der Gerichtshof verurteilte den Bankier Friedberg wegen einfachen Bankrotts und Vergehens gegen das Handelsgesetz zu zwei Jahren Gefängnis und 9000 Geldstrafe. Sein Mitschuldiger Bohn wurde wegen schwerer Ur kundenfälschung und Betrugs zu 1^ Jahren Ge fängnis verurteilt; außerdem erkannte der Ge richtshof gegen beide Verurteilte auf je zwei Jahre Ehrverlust. Der Gerichtshof beschloß, Friedberg gegen eine Kaution von 60 000 auf freien Fuß zu belassen. Der populäre und hochverdiente Pastor 0. von Bodelschwingh hat laut „Tägl. Rundsch." einen leichten Schlaganfall erlitten, den er, wie gehofft wird, ohne Folgen überwinden wird. Jedenfalls erfordert sein Zustand jetzt die größte Schonung und Fürsorge. Am 1. Mai ist wiederum der internationale „Weltfeiertag" der Arbeiterschaft abgehalten wor den. In Deutschland ist die sozialdemokratische Maifeier, soweit sich die hierüber vorliegenden Nachrichten übersehen lassen, im allgemeinen ruhig verlaufen. Die Beteiligung an der Mai feier scheint diesmal vielfach geringer gewesen zu sein, als in früheren Jahren. Ausgewicsen aus dem Deutschen Reiche wur den im ersten Vierteljahr 1909 157 männliche und 12 weibliche, insgesamt 169 Personen, als lästige Ausländer, und aus einzelnen Bundesstaaten, bezw. aus dem Deutschen Reich 17 Personen, die sich als Anarchisten verdächtig gemacht hatten. In unserem ostasiatischen Pachtgebiet Kiaut- <chau — Deutschland hat es bekanntermaßen zu nächst auf 99 Jahre von China gepachtet — ist bisher die Verwaltung von der Marine, dem Ad- miral Truppe! geführt worden, und niemand bestrei tet, daß das Territorium einen gewaltigen Auf schwung genommen hat. Es wird nun aber doch die Heranziehung von bürgerlichen Verwaltungs-