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Deutsche» Reich. Uebrr da» Befinden Kaiser Wilhelm» ll. Die ,,Dre»dn. Nachr? veröffentlichen folgende» sen sationelle Telegramm ausBerlin, da» wir nur mit größtem Vorbehalt wiedergeben möchten: In hiesigen dem kaiserlichen Hause nahestehenden Kreisen kann man sich dem starken Eindruck nicht entziehen, der sich in einer auffälligen Depression in der Gemütsstimmung de» Kaiser» äußert. Wie berichtet, bringt der Kaiser auch während de» Ta ge» mehrere Stunden im Bett zu, und zwar ist die» nicht durch körperliche» Kranksein bestimmt. Die für da» Frühjahr in» Luge gefaßte Mittel meerfahrt wird voraussichtlich nicht stattfinden. Die Gemütsstimmung des Kaiser» äußert sich auch in einer stärker noch al» sonst hervortretenden Re ligiosität. (Wir wiederholen, daß wir'die Verant wortung für die Richtigkeit dieser Nachricht, die wir trotz allem Bemühen nicht feststellen konnten, die aber alle ernsten Patrioten mit schwerster Sorge zu erfüllen geeignet Ware, durchaus den „Dresdn. Nachr." überlassen müssen.) Der Kaiser empfing am Dienstag im Neuen Palais den von seinem Posten abberufenen bis herigen Gesandten Chinas am Berliner Hofe, Sung Pao-Ki, in Abschiedsaudienz. Bald darauf erteilte er dem neuen brasilianischen Gesandten, vr. Jtiberö da Cunha, die herkömmliche Antritt»- audienz. Die-ReichStagSrede des Fürsten Bülow über die auswärtige Politik hat wegen der sie durch wehenden friedlichen Tendenzen nicht nur im In lands, sondern auch vielfach im Auslands, einen günstigen Eindruck gemacht. Die vorliegenden Preßäutzerungen aus Wien, Paris, London und Rom zu dieser jüngsten rednerischen Kundgebung de» leitenden deutschen Staatsmannes beurteilen dieselbe im allgemeinen recht freundlich. Bon ihnen sei speziell der Kommentar des Pariser „Temps", also eines französischen Regierungs blattes, zu der genannten ReichStagSrede deS Fürsten Bülow erwähnt. Der „Temps" hebt hierin die Klarheit und den beruhigenden Ton in den Auslassungen des Reichskanzlers hervor. Selbst wenn man die Zuversicht Bülows nicht teile - meint das Pariser Regierungsorgan — müsse man sich freuen, daß er derselben Ausdruck gegeben habe. Dies gestatte jedenfalls die wert volle Hoffnung, daß man im Hinblick auf künftige Schwierigkeiten auf den guten Willen Deutsch lands rechnet könne: Das „JournaldesDebats" Jun-gesekenfreudr«. Eine lustige Weihnachtsgeschichte von Paul Blitz. Herr Doktor Lastmann Hatzte die Feste im all gemeinen, das Weihnachtsfest aber im besonderen, weil es ein Fest für die Familie, nicht aber für Junggesellenist. Und Herr Doktor Lastmann war Junggeselle. Es war heiliger Abend, und er hatte noch eine Unmenge von Besorgungen zu machen. Ach, er war wütend! . ' Nun stand er da und starrte den langen Zettel an, denn er wußte nicht, wo er mit den Einkäufen beginnen sollte; zwar lag diese Aufzeichnung schon seit acht Tagen,auf seinem Schreibtisch; aber wie gewöhnlich hatte er es bis zur letzten Minute aufgeschoben, und deshalb war ihm jetzt die ganze Geschichte um so unbehaglicher. Wütend durchlas er die Reihen — da standen in bunter Folge: ein Kaufladen, ein Paar Stiefel, eine - Torte, ein Schaukelpferd, eine Kiste Zi garren, ein Sonnenschirm, Schlittschuhe, Tusch kasten, Zinnsoldaten, Rotwein, drei Stollen, Strümpfe, Bilderbuch und zuletzt gar noch eine Puppenstube. Verärgert lachte er auf. Das waren nun Junggesellenfreuden; die ganze Verwandtschaft muhte er beschenken, denn allen war er so halb und halb verpfliMet, bei allen war er zu Gast gewesen und hatM Gefälligkeiten von ihnen ge nossen, und nun muhte er sich dafür revanchieren. „Na!" — er tat einen tiefen Seufzer, raffte sich auf und machte sich endlich auf den Weg; na türlich ging er in eins der modernen Warenhäu ser, in denen man sich ja vom Kopf bis zur Zehe equipieren kann. Aber ehe er dieses Warenhaus erreichte, muhte er einen weiten Weg machen, denn er wohnte in einem stillen, vornehmen Viertel, und da mutzte sich der geplagte, verärgerte Mann durch endlose Stratzen hindurchdrängen, um Weihnachtsein- käufe zu machen. So stieb und rannte er alle Augenblicke gegen einen mit Paketen beladenen Passanten an, wodurch natürlich seine Laune nicht besser wurde. Endlich aber erreichte er sein Ziel. Doch, o erklärt, Fürst Bülow habe als Staatsmann ge sprochen, welchem e» am Herzen liege, die Inter- essen und das Ansehen seine» Lande» zu vertei digen, die Treue gegen den Bundesgenossen zu bekunden und die Empfindlichkeit der anderen Staaten zu schonen. Allerdings fehlt eS ander seits nicht an Stimmen, welche die Kanzlerrede abfällig glossieren und ihr Mißtrauen zu den FriedenSverficheruugen de» Fürsten Bülow zu er kennen geben. Pun, die Hauptsache bleibt jeden falls, daß die allgemeine politische Lage in ihrer weiteren Entwicklung der vom deutschen Kanzler bekundeten optimistisches Auftastung entsprechen wird; vorerst präsentiert sich der internationale politische Horizont, mindesten», wa» den Süd osten Europa» anbelangt, freilich noch lange nicht in der wünschenswerten Reinheit. Der bekannte Berliner.Schriftsteller Maximi lian Harden hielt am DienStäg abend im dicht- gefüllten; Saale de» Zentraltheater» zu Leipzig einen interessanten Vortrag über, den Kaiser. Die Versammlung spendete den temperamentvollen und geistreichen Ausführungen Harden» am Schlüsse lebhaften Beifall. Bischof Benzser von Metz wurde vyM Schöffen gericht Diedenhofen wegen BeleidiguHj des Pri vatgeistlichen Thilmont in Nieder-Ginningen in Lothringen zu 20 Mark Geldstrafe oder zwei Tagen Gefängnis verurteilt. Prinz Heinrich von Sachsen wurde am Mitt woch anläßlich der Vollendung seine» 12. Lebens jahres als Leutnant jn das Leibgrenadier-Regi ment Nr. 1OY feierlich eingestellt. Der Fei« wohnten der König, die beiden Brüder de» Pein- zen Ernst Heinrich, Prinz Johann Georg und eine Anzahl höherer Militärs bei. Für daS Schiedsgericht in der Casablancafrage hat die deutsche Regierung den Wirklichen Ge heimen Legationsrat und Justizrat im Auswär tigen Amte, vr. Kriege, und den italienischen StaatSrat Fusinato zu Schiedsrichtern gewählt. Die von der deutschen und die von der französi schen Regierung^ gewählten Schiedsrichter wer den gemäß Artrrel 2 des Schiedsvertrages vom 24. November d. I. nunmehr einen Obmann zu wählen haben. . O e st e r r e i ch - U n g a r n. Kaiser Franz Josef empfing am Dienstag den in Wien eingetroffenen ungarischen Ministerprä sidenten Wekerle'in längerer Audienz; In ihr wurdytz wie verlautet,«die inneren politischen An ¬ weh! Als er nun das Warenhaus betrat, drängte sich ihm eine solche Flut von Menschen entgegen, daß er gleich wieder uMkehren wolltet allein er besann sich sofort/ eines besseren, indem er sich sagte, daß es am heiligen Abend sicher in anderen Geschäften ebenso voll wäre, und weil er doch nun einmal kaufen mutzte, drängte er sich also wütend, aber tapfer durch. > Als er nun sd hilflos dastand, bald seinen lan gen Zettel und bald die aufgestellten Waren an sah, bemerkte er, wie eine Dame, die ihm bekannt vorkam, ihn beobachtete und sich über seine Hilf losigkeit zu amüsieren schien. Natürlich ärgerte ihn das von neuem, und so kehrte er sich wütend um und ging weiter, zu einer anderen Verkaufsabteilung. Als er sich so eine halbe Stunde hatte schieben, drängen und stoßen lassen, waren endlich seine Käufe erledigt, und nun steuerte er- beladen mit Paketen und gefolgt von zwei beladenen Dienern, dem Ausgang zu, um eine Droschke zu ergattern. Da er aber die Augen immer auf die Tür gerich tet hatte, sah er nicht, was vor ihm geschah, und so rannte er plötzlich so heftig gegen jemand an, daß einige seiner Pakete fielen und deren Inhalt total zerbrach. Und siehe da, wieder war es jene Dame, die ihn vorher geärgert hatte — auch diesmal lächelte sie ihn wieder an —, und da er nicht um Entschul digung bat, so tat sie dies. Er war so in Ekstase, daß er in der Tat nichts sagen konnte — und al» er wieder zu sich kam, war sie längst fort. Nun fluchte er natürlich wieder, mutzte aber dennoch die zerbrochenen Gegenstände noch einmal kaufen, sich noch einmal drängen, schieben und stoßen lassen; und als er dann* endlich glücklich fast zugedeckt von Paketen, in seinem Wagen satz, da war er wirklich halb krank vor Aufregung und Aerger. Und natürlich entlud sich sein Groll nun wieder auf daS Weihnachtsfest. Um sieben Uhr am heiligen Abend hatte er glücklich alle seine Geschenke an die richtigen Adressen gebracht, war ein halbe» Dutzend Mal dafür umhalst und ebenso oft abgekützt worden, doch den Feierlichkeiten hatte er sich, wie gewöhn lich, schnell entzogen; — nein, er wollte keinen gelegenheiten Ungarn», vorneh «glich die Trage de» Budget», besprochen. Hierauf halt». Wekerle eine Konferenz mit dem gemeinsaiqen Minister de» Aeußern, v. Lehrenthal, mit dem gemeinsa men Kriegsminister v. Schönaich Und mitdem österreichischen Ministerpräsidenten v. Vieperth. Die Konferenzen galten nicht der Beratung der auswärtigen Lage. ' Holland. Zu dem Konflikt -wischen Holland und Vene- zoela liegt nach längerer Pause wieder eivMal eine Nachricht vor, die etwa» kriegerisch klingt. Sie kömmt au» Willemstadt (Holläüdische Insel Curapao), ihr zufolge hat man dort erfahren, daß da» Kabinett in Caracas vergangene Woche über das gegen die holländischen Kriegsschiffe M be obachtende Verfahren beraten hat, "und sich schlüssig geworden sei, auf da» erste Schiff, das eine unfreundliche Handlung begehen sollte, zu feuern. Da» LinienschiffHeemSkerk habeWilliam- stadt Montag nacht» verlassen und kreuze an der venezoelaischen Küste. Der Kreuzer Frie»land ankere in der Bucht von Maracaibo in Sichtweite vom Fort San Carlos. Frankreich. Am Dienstag mutzte da» Ministerium Cle- menceau in der fränHischen Deputiertenkammer wegen der Aufsehen erregenden Enthebung de» Befehlshaber» de» französischen Mittelmeer- geschwaderS, Admirals Verminet, von feinem Posten Rede stehen. Diese Maßregelung de» Ad miral» erfolgte bekanntlich wegen seiner RyS- plaudereien über die mangelhaften Munition»- Vorräte der französischen Flotte. Admiral Bien- aimö interpellierte nun die Regierung wegen ihres scharfen Vorgehens gegen Germinet und nahm ihn lebhaft in Schuß Auch der DeppHerfe Michel trat entschieden für Germinet.äßf- Ministerpräsident ClSmenceau,,' MarineminiDrr Picard und besten AmtSvorgänger Lhömsen such ten nach Kräften die Bestrafung des plauderhaf- ten Admirals als iin Jntereste-der Aufrechterhal tung btt Disziplin erfolgt, zu rechtfertigen. Jhte Darlegungen blieben in der Tat nicht ohste Ein druck auf die Kamwer. Denn sie nahm schließlich die vom Ministerpräsidenten genehmigte Tages ordnung des Deputierten GroSdidier mft 285 gegen 142 Stimmen an, in der der Regierung das Vertrauen ausgesprochen wird, in de? IWyk- -eugung, daß sie die Tatkraft besitze, die Marstü- ausgeschmückten brennenden WeihnachtSbautn sehen und den Kinderjubel nicht hören! — DaS war etwas für Familienväter, aber nicht für Junggesellen! — und deshalb hatte er hei. allen Verwandten nur seine Geschenke pflichtschuldigst abgegeben; sowie aber die Feier der Bescherung begann, machte er sich aus tzem Staube, um nicht sentimental zu werden. Üwd nun war er alle seine Gaben los und wie der frei und ledig, — ach, er atmete ordentlich und glücklich auf! ES war ein Viertel nach Sieben, und er lief schnell daraufloS, um nach Hause in sein Zimmer zu kommen, denn es war bitterkalt draußen, und ein scharfer Wind wehte den Schnee von den Dächern. . Aber als er endlich daheim sein Zimmer be trat, wurde er wiederum wütend — es war kalt dadrinnen! Bitterkalt! — Sofort ließ er da» Mädchen kommen. ' ' „Warum ist hier nicht nachgelegt worden? Es ist ja kalt wie ein Hundestall I" fuhr er da» Mäd chen wütend an. , Und zitternd antwortete die Kleine: „Wir dachten eben, der Herr Doktor würden doch heute am Heiligabend nicht zu Hause bleiben." „Dachten! — dachten! Wenn Weiber schon denken, gibt» allemal Dummheit! — Wo ist Frau Müller?" „Die Madame ist fortgegangen, zur Bescherung natürlich! Wer bleibt denn heute auch allein zu Hause?" Wütend blickte er sie an, dann schrie er: „ES ist gut, Sie können gehen!" Achselzuckend ging da» Mädchen hinüu». Er aber lief grollend umher. Seine Stim mung war verdorben. Wa» sollte er jetzt allein hier? Wenn er noch Heizen ließ, würde eine Stunde vergehen, ehe e» warm wäre, und inzwi schen hätte er sich krank geärgert — nein, lieber hinaus, ganz gleich wohin. Und so nahm er denn Hut und Mantel und lief wieder davon. Als er auf die Strotze trat, leuchtete ihm von drüben her ein Helle» Licht entgegen — die La terne einer kleinen Konditorei, der einzigen diese» stillen Stadtviertel». (Schluß folgt.)