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Anlage zu Ar. 168 des sächsischen Erzählers. Vischof-wertz«, tze« S. Nsvember 1V08. Die neue Wintersesfion des Reichstages. An diesem Mittwoch tritt der deutsche Reichs tag wiederum zusammen, nachdem er am 7. Mai d. I. seine letzte Sitzung abgehalten hatte. Da er also jetzt an seine im Frühjahr abgebrochene Tätigkeit einfach wieder anknüpft, so entfallen auch alle sonst beim Wiederbeginne der Reichs tagsverhandlungen üblichen Förmlichkeiten, wie namentlich die Thronrede. Trotzdem ist eS im Grunde eine ganz neue und selbständige Session, die am 4. November beginnt, Henn eS erwarten den Reichstag diesmal besonder« zahlreiche und dabei teilweise recht bedeutsame gesetzgeberische Aufgaben, welche an die Arbeitskraft, den Fleiß und nicht zum wenigsten auch an das Verständ nis dm: Reichsboten für die zu bewältigenden mancherlei schwierigen Materien sehr erhebliche Anforderungen stellen werden. Den Kern- und Mittelpunkt der gesamten neuen Sitzungsperiode des Reichsparlamentes bilden natürlich die finanz- und steuerpolitischen Gesetzentwürfe, welche sich zusammen auf die Reform der Reichsfinanzen beziehen. Die Beratung hierüber wird sich zum Mittel- und Kristallisationspunkt des ganzen neu- anhebenden Tätigkeitsabschnittes des Reichstages gestalten, wenn auch die Finanzreformvorlage nach der Generaldebatte hierüber für geraume Zeit in der Kommission verschwinden dürfte. Der AuSgang der Reichstagsverhandlungen über dies große und schwierige Reformwerk wird von tief- greifender Bedeutung für das Reich und für die Ejnzelstaaten sein, man kann darum nur lebhaft wünschen, daß besonders diese Debatten unter einem günstigen Stern stehen möchten. Neben der alles Andere überragenden Reichs- finanzreform sind jedoch vom Reichstage noch zahl- reiche andere gesetzgeberische Aufgaben zu lösen, die in ihrer Art teilweise auch mehr oder minder wichtig find. Von ihnen seien erwähnt die Fest stellung deS ReichShauShaltSetats für 1909/10, die angekündigten Entwürfe über die Reform, resp. BereinfachWg der .Dbeiterversicherungsgesetze nebst dem zur Krönung der sozialpolitisch«» Ge setzgebung bestimmten Entwürfe einer Arbeiter- Witwen- und Waisenversorgung, die Vorlagen über die Aufbesserung der Gehälter der Reichs beamten, der Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, die Novelle zur Strafprozeßordnung, außerdem die noch aus her Frühjahrstagung restierenden mancherlei Mate rien, wie die Novellen zur Reichsgewerbeordnung (Regelung der Rechtsverhältnisse der Werkmeister und Techniker, der Maximalarbeitszeit der Fabrikarbeiterinnen und dergl.), zum Vieh- seuchengesch, zur Zivilprozeßordnung, zum Wech selstempelsteuergesetz und zum Maischbottichsteuer gesetz, die Vorlagen über das Hilfskassengesetz und über die Sicherung der Forderungen der Bau handwerker.'Hechnet man hierzu noch die zu er- wartenden Interpellationen und Initiativan träge , fernH Rechenschaftsberichte, Petitionen u. s. w., so ergibt sich aus alledem ein ungemein reichhaltige» MerytungSprogramm für die Reichs- boten; daß ßß bis zum Schlüsse oder aber bis zur abermaligen Vertagung des Hauses im nächsten Frühjahre pollständig aufgearbeitet sein sollte, dies kann Mn wohl schon jetzt bezweifeln. Jedenfalls stehen aber im Reichstage erneut sehr intereüaüjs und hochwichtige Debatten be vor, die NM nur das weite Feld der inneren An gelegenheiten de» Reiches, sondern auch seine Aus lands- und Weltpolitik berühren werden; kann man doch >. B. in letzterer Hinsicht noch im vor- weihnachtlfKen Dägungsabschnitte mannigfachen bedeutsamen Erklärungen des Reichskanzlers und des Stkatifiekretärs des Auswärtigen entgegen sehen. AW Pie herangenahte jüngste Sitzungs- Periode dff» Reichsparlamentes wird deshalb sicherlich hie lebhafte Aufmerksamkeit weiter Schichten tzpS deutschen Volkes fesseln — wünschen und hoffen svir, daß die beginnenden Beratungen der deutschen Volksvertretung nur zum Heil und Segen deS deutschen Vaterlandes dienen. > Sachsen. -L-. Bischofswerda, 2.Nov. Der K. S. Militär- Verein 4. Infanterie-Regiment Nr. 103 zu Bischofswerda und Umgegend hielt am Reformationsfeste, den 31. Oktober d. I., im Ver einslokale „Deutscher Krug" seine diesjährige recht gut besuchte Hauptversammlung ab. Nach herzlicher Begrüßung der Kameraden, ins besondere der erstmalig anwesenden, eröffnete Kamerad-Vorsteher Hennig die Versammlung. Es wurde hierauf in. die Tagesordnung eingetreten. Kamerad-Vorsteher Hennig brachte zunächst den Jahresbericht zum Vortrag. Als ganz außerge wöhnliches Ereignis auch für den Verein bezeich nete er die Ernennung <Ä. Kgl. Hoheit des Groß herzogs. Friedrich von Baden zum Chef des 4. Jnfautsie-RtgimentS Nr. 103. Der Verein könnte ber dieser hoh«^ mikitärifchom Feirr sich. nicht direkt beteiligen. Seine Freude über die Auszeichnung seines Stammregiments brachte der Verein zum Ausdruck durch Absendung nach stehenden Begrüßungstelegramms an den neuen Regimentschef: „Königliche Hoheit Großherzog Friedrich von Baden. Karlsruhe. Der ehrfurchts- vollst unterzeichnete Verein erlaubt sich, seiner großen Freude darüber Ausdruck zu verleihen, daß Euere Königliche Hoheit die Gnade gehabt haben, eine Chefstelle bei unserem lieben Stamm- regimente anzunehmen. Wir hegen einmütig den innigsten Wunsch: Die göttliche Vorsehung möge Euere Königliche Hoheit dem Regiment recht viele Jahre erhalten. In tiefster Ehrfurcht Kgl. Gächs. Militärverein 4. Jnf.-Regt. Nr 103 zu Bischofs werda. Hennig." Noch selbigen TagS traf das folgende Antworttelegramm ein: „Herrn Hennig, Vorstand des sächsischen Militär-VereinS 4. Jnf.- Regt. Nr. 103 Bischofswerda. Se. König!. Hoheit der Großherzog haben sich über die Begrüßung des Vereins anläßlich Höchstseiner Ernennung zum Chef des 4. Infanterie-Regiments sehr gefreut und lassen Ihnen und den Vereinsmitgliedern hierfür den herzlichsten Dank aussprechen. Generalmajor und Generaladjutant. Dürr." Kamerad Hennig schloß seine Ausführungen mit einem begeistert aufgenommenen Hurra auf Se. Königliche Hoheit den Großherzog Friedrich von Baden und Se. Maj. König Friedrich August. Aus dem Jahresbericht war zu entnehmen, daß der Verein im 2. Jahre seines Bestehens recht gute Fortschritte gemacht hat. Er verfügt über eine Unterstützungskasse und zahlt seinen Mitglie dern beim Ableben ein Begräbnisgeld. Auch ist schon eine Bücherei angelegt worden. Der Ver- sammlungsbesuch war ein reger, könnte aber immer noch besser sein. Der Kassenbericht, durch den Kassierer Kamerad Löscher vorgetragen, wies zur Freude der Kameraden schon ein recht ansehn liches Vereinsvermögen auf. Eine beantragte Satzungsänderung konnte nicht beschlossen werden, »veil die hierzu erforderliche Anwesenheit von der Mitglieder nicht erzielt worden war. Diese Angelegenheit soll nunmehr in einer im Dezember einzuberufenden außerordentlichen Hauptver sammlung vorgelegt werden. Hierauf wurde zur Vorstandswahl geschritten. Von den ausscheiden den Vorstandsmitgliedern wurde zum Vorstand Kamerad Hennig einstimmig wiedergewählt. An Stelle des ausscheidenden stellvertretenden Kas sierers Kamerad Gnauck, der eine Wiederwahl infolge starker beruflicher Inanspruchnahme ab lehnte, wählte man einstimmig Kamerad Weidner. AIS Beisitzer wurden wieder bezw. neu gewählt Kameraden Schlenkrich- Kynitzsch und Wagner -Geißmannsdorf. Hierauf beschäftigte man sich mit dem letzten Punkte der Tagesordnung, -dem Stiftungsfeste. Dasselbe soll am 2L"Novemb« d. I. im Schützen hause abgehalten werden. Mit einem Hoch auf das fernere Blühen und Gedeihen des Vereins wurde die Versammlung geschlossen. Gar lange noch blieben die Kameraden vereint und auch manch trefflich Wort wurde dabei gesprochen. -I. Demitz - Thumitz, 2. Nov. Wie man hier die Schule und treue Lehrerarbeit zu schätzen weiß, zeigt die neue Staffel der Lehrergehalte, die den 1. Januar 1909 in Kraft tritt und die mit einem Anfangsgehalte von 1600 Mark außer freier Wohnung beginnt und mit dem Höchstgehalte von 3400 Mark endigt. Ehre solch opferwilliger Ge meinde! Der Lump. AuS dem Ungarischen von Martin Zöldi. (Fortsetzung und Schluß aus Nr. 166.) Eine Woche später wurde er zum KomitatS- schreiber ernannt. Don nun an saß er von früh bis spät im Bureau, und Trunk und Spiel exi stierten nicht mehr für ihn. Selbst am Namens tage seines Paten trank er nicht mehr als ein GlaS Wein. In der ersten Zeit wurde man nicht müde, den Kopf über ihn zu schütteln. Eine derartige Um wandlung hatte niemand für möglich gehalten. ES gab auch manchen, der ihn mit heimlichem Mißtrauen betrachtete und sich den Schädel zer brach, waS Terge wohl im Schilde führen möge. Einem so berüchtigten Verschwender traute man alles zu, nur nichts Gutes. Auch der alte Lazar setzte seine Brille auf, wenn Terge, der sein Nachbar geworden war, an seinem Gewölbe vorüberging. Er wußte auch nicht recht, was er denken sollte, und versuchte öf ters, ein Gespräch anzuknüpfen. „Belieben Sie nicht auf die Jagd zu gehen? Ich habe einige sehr schöne Gewehre..." „Danke, Lazar, ich habe keine Zeit!" Allmählich beruhigten sich die erstaunten Ge müter, und schließlich einigte man sich dahin, daß W* „Lump" Michael Terge definitiv tüt und nur der tüchtige, talentvolle Mann zurückgeblieben sei, der eS noch zu Gott weiß was bringen könne. Man sprach sogar darüber, daß er schon bei der nächsten Vakanz Stuhlrichter werden dürfe. Ver stand hatte er, wie jeder zugab, noch einmal soviel, als dazu erforderlich war. In einer Sonntagsfrühe, als Terge eben das Haus verlassen wollte, wurde seine Tür plötzlich jäh aufgerissen, und sein Nachbar, der alte Lazar, stürzte ins Zimmer. „Gnädiger Herr", schrie er kreischend und außer Atem, „ich bin ein Bettler. Beraubt, aus geplündert hat man mich heut' nacht! Die Wirt schafterin, meine Tochter, mich, den Kommis, den Kuhknecht, alle haben die Betyaren gebunden. Dann sind sie in den Keller eingebrochen und haben meine Dukaten gestohlen. Alles gute, kai serliche Dukaten, ein ganzes Maß voll, gnädiger Herr!" . „Dukaten?" fragte Terge mit gerunzelter Stirn. Es fiel ihm ein, daß man schon einmal darüber mit ihm geredet hatte. „Ja, gnädiger Herr! Ein ganzes Maß, wie ich von meinem Vater geerbt habe." „Warten Sie, Lazar, haben Sie einen bestimm ten Verdacht?" „Auf keinen und auf alle. Was weiß ich? Fünf oder sechs waren es, in bunte Tücher ge- mummt... ich erkannte sie nicht. Ich bin ein Bettler!" Terge dachte eine Weile nach. Eine fast seit- same Idee setzte sich in seinem Kopfe fest. „Können Sie mir dreihundert Gulden borgen, Lazar?" Der Rumäne macht ein verdutztes Gesicht. „Dreitausend auch!" sagte er dann schnell. „Gottlob, mir blieb noch genug, um die Stadt zu kaufen. Ich weiß, daß der gnädige Herr ein Ehrenmann ist. Aber wenn Sie wüßten, wa» ich reden gehört habe..." „Daß ich Sie ausgeplündert habe?" fragte Terge ruhig. „Ja! Die Esel, die Dummköpfe! Wenn ich der gnädige Herr wäre..." „Lassen Sie nur", erwiderte Terge finster. „Die Leute meinen nur, daß aus einem Lumpen alles werden kann — und ein Lump war ich ja." „Fürs Gewesene geb ich nichts! Ich weiß, daß der gnädige Herr ein Ehrenmann sind. Hier sind die dreihundert Gulden!" Der alte Lazar, der sich vor fünf Minuten noch als Bettler deklariert hatte, holte aus einer sehr wohlgespickten Brieftasche drei Hunderter vor und legte sie auf den Tisch. „Ich gebe Ihnen einen Schuldschein Lazar. Jeden Monat zahle ich zehn Gulden zurück." Als der Rumäne sich entfernt hqtte, begab sich Terge in das Amt, wo er zwei Stünden mit dem Gendarmerieführer verhandelte. .Atü Abend ging er, nach drei Jahren zum erstenmal- wieder in das Wirtshaus und setzte sich auf seinen alten Platz. Er ließ sich Wein bringen, und die Zigeuner muß ten ihm seine alten Lieder in das Ohr geigen. Nach neun Uhr betrat Percy Lokay die Kneipe. „Nanu, Miklos, wie kommst du hierher?" „Hab' geerbt, Freundchen! Nur ein paar tau send Gulden, aber ein Fäßchen laß ich anzapfen I" „Holla, daS ist gescheit!" Bis um Mitternacht tranken sie zusammen. Terge beklagte sich, daß er nichts mehr vertragen könne. „Dieser Teufelswein bringt mich um. ES wird besser sein, wenn ich nach Hause gehe." Percy, der den ganzen Abend über unruhig und mitunter seltsam zerstreut war, redete ihm aber wieder zu. Percy war auch viel weniger hei-