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Anlage zu Ar. 155 des sächsischen Lrzählers Vischof-werda, de« 17. Oktober 1V08. Verstimmungen. Der FriedenStraum, in welchem sich noch vor vierzehn Tage Europa wiegte, hat -war keinen bedingungslosen Kriegsbefürchtungen den Platz einräumen müssen, aber die ganze politische und auch die wirtschaftliche Welt der Gegenwart leidet schwer unter ärgerlichen Verstimmungen. Die Orientkrisis hat nicht nur den Berliner Vertrag zu einem wertlosen Stück Papier gemacht, son dern sie hat auch die guten Beziehungen der Großmächte und der kleineren Staaten in Europa zu einander wesentlich beeinträchtigt. Man braucht gar nicht erst auszuführen, daß die Besitzergrei fung Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich und die Unabhängigkeitserklärung Bulgariens in rillen Hauptstädten Europas stark verschnupft hat, weil diese Ereignisse Ueber- raschungen waren, und weil sie in Szene gesetzt wurden, ohne vorher gewisse Einverständnisse er zielt zu haben. Aber nicht nur im Wirtschafts- leben, sondern auch in der hohen Politik gelten Schillers Worte: „Vom Nutzen wird die Welt regiert I", und die meisten Mächte suchen danach nun bei der Gelegenheit der Revision des Ber liner Vertrages Nutzen für sich herauszuschlagen. Rußland will sicher die freie Durchfahrt durch die Dardanellen und wird wahrscheinlich von die ser Konzession seine Beteiligung an der Konferenz zur Regelung der orientalischen Streitfragen abhängig machen. England und Frankreich haben in bezug auf den Orient, zu dem ja auch Asien und Afrika gerechnet werden können, sicher eben falls einige Wünsche, zumal der Sultan der Tür kei ja auch noch der nominelle Oberherr über Aegypten und Tripolis ist, und als das geistliche Oberhaupt aller Mohammedaner gilt. Griechen land, Serbien und Montenegro möchten natürlich auch etwas Wegschnappen, und in Rom hofft man auch auf irgend eine Konzession in Afrika oder gar auf der Balkanhalbinsel. Da solcherlei begehrlichen Wünschen aber allerlei Schwierig keiten gegenüberstehen, so herrscht natürlicher weise in Len zunächst beteiligten politischen Krei sen Aerger und Verstimmung und man darf vor allen Dingen darauf gespannt sein, was der rus- stsche Minister Iswolski in London ausgerichtet hat. Fast scheint eS ja sogar, als ob Rußland die Berufung einer Konferenz der Großmächte zur Regelung der Streitigkeiten am meisten betreibe, denn -er Minister Iswolski wird auch in Berlin und wahrscheinlich auch in Wien eintreffen. Auch Deutschland ist an der Verstimmung beteiligt, denn die bekannten Vorgänge im Orient und die von Oesterreich geschaffene veränderte Lage hat sicher nicht dazu beigetragen, das Bündnis Deutschlands mit Oesterreich und Italien zu be festigen. Aber es Ware auch übereilt, wenn man annehmen wollte, daß der Dreibund nicht auch die orientalische Krisis und den Tanz Oesterreichs außerhalb der Reihe auf einige Zeit ertragen könnte, denn ein ehrliches Bündnis muß sich ge rade in bedenklichen Lagen bewähren. So leidet jetzt die ganze politische Welt an einem Alpdruck, der natürlicherweise auch den Unternehmungs-, geist und den Kreditverkehr auf dem weiten wirt schaftlichen Gebiete beeinträchtigt, und es ist nur zu wünschen, daß vor allen Dingen die Konfe renz der Großmächte recht bald zu Stande kommt, damit der gefährliche Zustand der Unklarheit, der Befürchtungen und der Zwischenfälle auf- hört. Wird doch auch schon in der Diskussion über die orientalische Frage öffentlich mit sehr scharfen Worten gekämpft, zumal in der rufst- schen, französischen und serbischen Presse, wo dem österreichischen Minister v. Aehrenthal und dem russischen Minister Iswolski solche schlimme Spitznamen angehängt werden, daß man sie nicht gut nachdrucken kann. Ein Wunsch besteht aber wohl auch in Deutschland allgemein, daß Oester reich bald Gelegenheit nehme, seine Politik im Orient noch mehr zu rechtfertigen, als es bisher geschehen ist, denn in diesem Mangel liegt mit ein Hauptgrund der bedenklichen Verstimmungen. , - , . Sachsen. ' Bischofswerda, 16. Oktober. — Ueber die jungtürkische Bewegung im Lichte des Evangeliums macht der bekannte Mohamme danermissionar k. Johannes Aweteranian im Septemberhefte des „Christlichen Orient" höchst beachtenswerte und hoffnungerweckende Mittei lungen. Er schreibt: u. a.: „Gott hat in unseren Tagen Großes getan. Die eisernen Türen der Türkei, welche bisher der Verkündigung des Evangeliums verschlossen waren, stehen jetzt offen. Ich, der ich vor 30 Jahren meine Heimat verlassen habe, hatte nicht gedacht, daß es mir in meinem Leben möglich sein würde, meine Heimat wiederzusehen und dort von der Liebe Christi Zeugnis abzulogen. Doch der Herr hat alles möglich gemacht. Jetzt kann ich dorthin wie über all in der Türkei reisen und mündlich und schrift lich die gute Botschaft verkündigen. — In der Türkei herrscht Freiheit und Gleichheit wie in anderen Ländern, auch Preßfreiheit und Lehrfrei heit. Wenn ich über diese Ereignisse nachdenke, so finde ich, daß sie nichts anderes bedeuten, als einen Sieg des christlichen Rechts über das des Islam.— Die Kraft des Is lam besteht in drei Dingen: erstens Gewalt, zwei tens Stolz, drittens Fanatismus. Durch die Verfassung sind diese drei Dinge gebrochen. In mohammedanischen Gesetzbüchern steht geschrie ben, daß das Haus eines Christen nicht gleiche Höhe mit dem seines mohammedanischen Nach barn haben darf. Will der Christ sein Haus er höhen, so muß er warten, bis auch der Nachbar Muslim in der Lage ist, das seine zu erhöhen. Vor Gericht darf der Christ dem Mohammedaner nicht gleich "gestellt werden u. dergl. mehr. Die Verfassung macht nun dem allen ein Ende. Jetzt hat der Christ die gleichen Rechte und dieselbe Freiheit wie der Mohammedaner." — Besondere Hoffnungen setzt ?. Aweteranian in die Verblei- tung christlicher Schriften unter den Mohamme danern. Diese waren bisher ebenso wie die jung türkischen Zeitungen zumeist durch die strenge Zensur verboten — dies Verbot ist aber auch aufgehoben worden. — Wie sehr möchte man es im eigensten Interesse der Türken wünschen, daß sich alle diese Hoffnungen erfüllten. Vorläufig kann man sich allerdings der Sorge nicht entschla- gen, daß über Nacht einmal ein Rückschlag ein treten könnte und daß das Urteil k. Aweterani- ans: „Der Islam ist hinfort keine religiöse Macht mehr, er kann höchstens eine politische Macht wer den" — doch zu optimistisch ist. d. Bautzen, 16. Oktober. Nunmehr ist auch der zweite Bogen der Spreetalbrücke geschlos- sen. Gegenwärtig ist man bei diesem Brücken bogen mit dem Einsetzen der Schlußsteine be- schäftigt, die beide zusammen ein Gewicht von 600 Zentner haben. In diese Demitzer Granitblöcke kommen das sächsische und das Stadtwappen: die Ausführung dieser Steinbildhauerarbeiten ist dem Hofbildhauer Schreiber in Dresden über tragen worden. — Vorgestern weilten Finanz minister vr. v. Rüger und Ministerialdirektor Geh. Rat von Seydewitz nebst einigen Herren aus dem Finanzministerium hier und besichtigten den Spreetalbrückenbau. d. Hochkirch, 15. Oktober. Zur 150jährigen Wiederkehr des Tages der Schlacht bei Hochkirch fand gestern hier in der althistorischen Kirche ein Gedächtnisgottesdienst statt. An der Feier nahmen teil Abordnungen vom Regiment „Marschall Reith" in Gleiwitz (O.-Schl.) und dem Infanterie-Regiment „Coubiere" Nr. 19 in Görlitz, welche Kränze an den Denkmälern nieder legten. Der Männergesangverein Hochkirch und der Chor deS Kgl. Seminars Löbau verschönten die Feier durch Gesänge. Zittau, 15. Oktober. Die Arbeiten am hiesigen Krematorium sind derartig gefördert worden, daß gegenwärtig bereits mit dem Einbau des Verbrennungsofens begonnen wird. Ende No vember dürfte der Bau, der im ganzen 103 500 kostet, vollendet sein. Ostritz. Im Klosterwald, unweit der Neißtalbaude, entstand am Mittwoch nachmittag gegen 2 Uhr ein Waldbrand, dem in kurzer Zeit ca. ein halber Scheffel 20jähriger Fichtenbe- stand zum Opfer fiel. Rasch herbeigeeilten Mann schaften der Marienthaler Feuerwehr ist eS zu danken, daß das Feuer keine größere Ausdehnung angenommen hat. Die Entstehungsursache konnte noch nicht ermittelt werden. Roßwein. Eine Panikglücklichvermie- den wurde am Sonntag bei einer Theater vorstellung in einem hiesigen Vergnügungs- Etablissement. Etwa 400 Kinder füllten den Theatersaal, den Beginn der Vorstellung erwar tend. Plötzlich erscholl der Ruf „FeuerI" Auf der Bühne war auf bisher unermittelte Weise Feuer ausgebrochen. ES gelang jedoch, die Kinder zu beruhigen, die in Ordnung den Saal verließen. Die Bühne ist vollständig ausgebrannt. Leipzig, 15. Oktbr. Bei einem Dachstuhlbrand, I der am 19. August in einem Hotel ausgebrochen war, hatten zwei junge Dienstmädchen, die in dem Hause bedienstet waren, den Erstickungstod ge funden. Den Brand hatte der 15jährige Kellner lehrling Peterhänsel aus Plauen verschuldet. Er hatte nachts spät im Bett gelesen und dabei das Licht umgeworfen. Wegen fahrlässiger Brand stiftung, wodurch der Tod von Menschen herbeige führt worden war, verurteilte ihn heute die Strafkammer zu vier Monaten Gefängnis. Vermischtes. — Hamburg, 15. Oktbr. Seit gestern abend halb 8 Uhr hat kein Seeschiff wegen des herr schenden Nebels den Hafen erreichen können. Die in See gehenden Schiffe mußten bald vor Anker gehen. Auf der Strecke Finkenwerder—Schulau lagen heute Donnerstag früh etwa 35 Dampfer, die wegen des Nebels weder vorwärts noch rück wärts konnten. Der von der Delagoabai ankom- mende Dampfer „Gertrud Wörmann" ist bei Nienstedten gestern abend auf Grund gelaufen und sitzen geblieben. — Darmstadt, 15. Okt. Ein vertrauens- seligerBürgermeister. Vor dem Verwal tungsgerichtshof in Darmstadt stand die Diszi- plinarstrafsache gegen den Bürgermeister Knaf in Büdingen zur Verhandlung. Dem Ange klagten wurde grobe Verletzung seiner Amts pflichten zur Last gelegt, die darin gefunden wurde, daß er dem Bankier Rothschild die Schlüssel zu einer Kassette, in der der Wertpapier bestand der Stadt Büdingen aufbewahrt wurde, überließ, um Coupons abzuschneiden und ausge loste Papiere gegen andere gute Wertpapiere um zutauschen. Rothschild hatte diese Gelegenheit be- nutzt, die guten Papiere der Kassette zu entneh men und fast wertlose einzufügen. Die Stadt Büdingen ist durch diese Manipulationen um 73 000 -F geschädigt worden. Das Gericht ver urteilte den Angeklagten zur Dienstentlassung und Tragung der Kosten des Verfahrens. — Wien, 15. Oktbr. JnSerajewo wur- den durch einen aus unbekannter Ursache ausge- brcchenen Riesenbrand heute Donnerstag 30 Geschäftshäuser mit 56 Kaufläden und 4 Wohnhäuser vernichtet. Der Brand dauerte am Nachmittag fort. (Es liegt vielleicht Brandstif tung vor aus Haß gegen die Oesterreicher.) — Hongkong. Die Bezirke Hsinhsing und Kai- ping sind überschwemmt. Verschiedene Städte stehen unter Wasser. Hunderte von Men schen sind obdachlos. Von Kanton und Hongkong wurde Hilfe abgesandt. — Kirchltche Nachricht«, von Soldbach 18. Sonntag nach Trinitatis. Norm. » Ukr LesegoNeSdienst im Schulgebäude. Kirchliche Nachricht«, von Kraateathal. 18. Sonntag nach Trinitatis. Bonn. V Uhr: PredigtgotteSdienst. Rachm. '/,2 Uhr: EinsuhrungSgotteSdienst für die Kon firmanden. Betraut: Alwin Bruno Koch, Telegraphenarbriter in Frankenthal, und Olga Frida Leuner, Mrischastsgehilfin in Frankenthal. Kirchliche Nachricht«» von Sroßharthm». 18. Sonntag nach Trinitatis. Borm. S Uhr: Gottesdienst mit Predigt. Rach Schluß deS Gottesdienste» Anmeldung der Konfir manden durch die ElNrn resp. Pfleger. Beerdigt: Ed, totgeb. Mädchen deS Fabrikarb. Martin Haufe hier mit Segen in der Stille; Frau Johanne Christiane Salome verw. Lehmann, HauSauSzüglerin i« Alter von 74 Jahren mit Predigt; Elsa Gertrud, Tochter des Fabrikarb. Hermann Steglich mit Kollekte und Segen. Kirchliche Nachrichten vo« N««a«ta« 18. Sonntag nach Trinitatis. Bonn. S Uhr: PredigtgotteSdienst. Montag, IS. Oktober, Kirchweihfest. Bonn. S Uhr: FestgotteSdienst. Getauft: Willi Han» Kluge, Sohn de» Friedrich Hermann Max Kluge, WirtschaftSbesitzer hier. Getraut: Johann Georg Lenk, Privatu» mit Putzgeschäst- inhaberin Emilie Clara Lehmann in Bischofswerda. KirchNche Nachricht« aa» «chachll». 18. Sonntag nach Trinitatis. Norm. S Uhr: Beichte und heil. Abendmahl. Borm. « Uhr: PredigtgottrSdienst. Rachm. 3 Uhr: EinleitunglgotteSdienst für dir diesjährigen Konfirmanden und deren Angehörige. Rachm. ü Uhr: Jünglingsvenin, Slosterberg. Getauft:'lt. Okt. Ida Elisabeth Edith Pfaff; Karl Willi Preller; Bernhard Paul May, Schmölln. Beerdigt: v. Okt. Ewald Johanne», rhl. Sohn de« Stein metz August Paul Käppler und der Anna Frida Gnauck» Wölkau, l Jahr alt; ,0. Ott. Lhristiane Wilhelmine S«b...«M«i'"SchmSlln, 4» I. tt M. Tage kalter, ehl. Lohn de» Stelnarh. Johann S gaR alt" «ohark-Demitz-Thumitz,