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sandte aus Anlaß der glücklichen Rettung der „Helvetia" ein Telegramm an den Geheimrat Busley. Der Führer der „Helvetia", Oberst Schaeck, ist mit seinem Begleiter 72 Stunden in der Lust gewesen. Die von der KönigSgrube zu KönigShütte in Oberschlesien gemeldete Brandkatastrophe erweist sich in ihren Folgen nicht so verhängnisvoll, als die erste Meldung hierüber befürchten ließ. Laut einer späteren Nachricht hat sich die ganze gegen 100 Mann starke Belegschaft, von welcher es hieh, sie müsse als teilweise verloren gelten, noch recht zeitig durch Nebenschächte in Sicherheit bringen können. Tot sind ein Steiger und zwei Häuer, betäubt wurden etwa 20 Mann aus der Grube herausgeschafft. Balkanhalb'insel. Der Vorschlag einer neuen Konferenz scheint durch Rußlands Nachgeben in der Dardanellen frage nunmehr gesichert zu sein. Iswolski reist von London nach Paris und von dort nach Ber lin. In Belgrad haben sich zwar die Straßen kundgebungen wiederholt, aber die Stimmung beginnt ruhiger zu werden. Prügelszenen im böhmischen Landtage. Prag, 15. Oktober. Im böhmischenLand- tage wurde heute die deutsche Obstruk tion fortgesetzt. Zu Beginn der Sitzung sprach der Abgeordnete Wüst zwei Stunden lang in launiger Weise über ein Urlaubsgesuch des deut schen Abgeordneten Keller und beantragte schließ lich die Abweisung des Gesuches, namentliche Ab stimmung über seinen Antrag und eine 10-Mi- nutenpause. Der tschechische Abgeordnete Svehla ergeht sich in heftigen Ausfällen gegen den Ab geordneten Wüst und sagte, in nichtswürdigerer Weise sei die Obstruktion noch niemals miß braucht worden. Er wird von den deutschen Abge ordneten durch lebhafte Zwischenrufe unter brochen. Abgeordneter Glöckner ergreift eine Ab- ftimmungsurne, klopft unausgesetzt auf sie und ruft dabei: „Pont-a-Moussont!" Schließlich erschei nen mehrere Landtagsdiener im Saale und tragen die Urne hinaus. Die Tschechen rufen, auf den Abgeordneten Glöckner zeigend: „Einen Dop pelliter! Dummer Kerl!" Abgeord neter Bachmann meldet sich zu einem Antrag über die Art der Abstimmung zum Wort. Während dessen Ausführungen begibt sich der tschechische Abgeordnete Karta zum Platze des Abgeordneten Wolf und hält ihm ein Stück Zucker vors Gesicht. Darauf springt Wolf überaus erregt auf und schlägt ihm mit der Faust das Stück Zucker aus der Hand und schickt sich weiter an, den Abgeordneten Karta von seinem Sitze wegzu- ftoßen. Daraufhin eilen von allen Seiten tschechi- sche Abgeordnete herbei, und bald ist ein dichter Knäuel von Abgeordneten aneinander, der nicht mehr zu entwirren ist. Auf einmal sieht man ge ballte Fäuste, und die Drohungen werden in die Tat umgesetzt. EsgibtOhrfeigen, Püffe, Kopfstücke, Schläge ins Gesicht usw. Die Abgeordneten ziehen einander an den Röcken hin und her. Mehrere tschechische Abgeordnete steigen auf die Bänke der Deutschen und dringen von dort auf die deutschen Abgeordneten ein. Abgeordneter Mayr, ein Landwirt aus dem Eger- land, steigt über die Bänke und will mit seiner Hünengestalt die deutschen Kollegen schützen, er hält aber von einem tschechischen Abge ordneten einen Faust schlag ins Ge- sicht und der Tscheche Soyka packt ihn bei den Haaren. Abgeordneter Mayr setzt sich zur Wehr und teilt nach allen Seiten Ohrfeigen und Schläge nus. Auf einmal fliegen über die ringenden Gruppen von Abgeordneten von rückwärts Tin tenfässer. Bald zeigen sich bei verschiedenen Ab geordneten an Kleidern und Wäsche Tinten spuren. DerLärmwareinunbeschreib- licher. Im größten Trubel ergreift der Tscheche Dronscha einen Tisch und wirft ihn mit solcher Wucht zu Boden, so daß er in Splitter geht. Die Abgeordneten werfen unausgesetzt Druckschriften und kleine Eisenröhren in den Saal, die ein deutscher Abgeordneter mitgebracht hatte. Bei dem unheimlichen Lärm ist kein Wort zu ver stehen. Der Oberstlandmarschall unterbricht die „Sitzung". Der deutsche Abgeordnete Schreiner apostrophiert den ehemaligen Handelsminister Forscht mit folgenden Worten: „Das ist euer Werk, das ist ein Skandal, soweit habt ihr es ge bracht. Zum Teufel soll der Landtag gehen !" Man sieht nun im Saale eine große Menge von Abgeordnetenmitzerrisse nen Kleidern. Den Boden bedeckten Splitter von Augengläsern. Als der Oberstlandmarschall wieder in den Saal tritt und die Sitzung schließen will, bricht ihm von der Glocke der Griff ab. Er verkündet sodann bei einiger Ruhe, daß die „n ächste Sitzun g" morgen stattfindet. Die Er regung war eine derartig große, daß viele der jüngeren Abgeordneten von ihren älteren Kollegen förmlich aus dem Saale herausgeschleift werden mußten. — Infolge der kolossalen Erregung wur den sämtliche Kommissionssitzungen abgesagt. Sachsen. Dresden, 16. Oktbr. Se. Maj. der König wohnte gestern vormittag 11 Uhr dem feierlichen Jahresgedächtnis für weiland Se. Maj. den König Georg in der katholischen Hofkirche bei, kam hierauf zur Erledigung von Regierungsgeschäften in das Residenzschloß und empfing später die Hof departements zum Rapport. Nach 1 Uhr kehrte er nach Pillnitz zurück. Dresden, 15. Oktbr. Wie heute das „Dresd. Journ." mitteilt, hat der König von Spa nien dem Staats mini st er Graf von Hohenthal das Großkreuz des Ordens Karls III. verliehen. Bischofswerda, 16. Oktober. Wie schon in Nr. 149 dieses Blattes mitgeteilt, wird nächsten Sonntag, den 18. Oktober, nachm. '/,4 Uhr, Herr Kantor Wolf in Bühlau in der dorttgen Kirche eine geistliche Musikaufführung veran stalten, dessen Reinertrag dem Fonds für An schaffung eines Schulharmoniums zufließen soll. Diese Musikaufführung, in welcher in dankens werter Weise ausgezeichnete Kräfte mitwirken werden, wird folgendes Programm darbieten: 1) Fantasie und Fuge über „Ein' feste Burg" für Orgel, von C. August Fischer. 2) Hymne für eine/ Altstimme, von Gustav Merkel. 3) Andante religioso für Cello und Orgel, von Karl Meuter. 4) Duett aus dem „Lobgesang"- von F. Mendels sohn-Bartholdy. 5) Largo für Cello und Orgel, von Corelli. 6) Zwei geistliche Gesänge: a. Es geht nach Haus, d. Hast du mich lieb? von Erwin Wolf. 7) Adagio aus der 4. Sonate für Orgel, von Gustav Merkel. 8) Abendlied für Cello und Orgel, von Oskar Wermann. 9) Du, Herr, bist unser Vater. Geistl. Lied, von Albert Becker. 10) Introduktion und Allegro, 1. Satz aus der 1. Orgelsymphonie, von Alex. Guilmant. Frau Philipp singt u. ä. zwei geistliche Gesänge von Herrn Kantor Wolf-Bühlau, die kürzlich im Verlag des Herrn Bruno Grafe-Bischofswerda erschienen sind. Arbeit und Mühe sind nicht gescheut worden, um den Konzertbesuchern etwas Gediegenes zu bieten und ist des guten Zweckes wegen ein recht voller Besuch der Kirche zu wünschen. (Siehe Inserat.) Neukirch, 16. Oktbr. Verhaftet wurde gestern vormittag in Niederneukirch ein junger, gut gekleideter, 18jähriger Mensch, der aus Bern stadt sein soll. Derselbe hatte sich in die Wohnung der Witwe Hohlfeld (neben Sauers Gast wirtschaft), dessen Bewohner sich auf dem Felde befanden, eingeschlichen, was von dem Nachbar Gastwirt Sauer bemerkt worden war, der die Fest nahme veranlaßte und mit ausführte. Zuvor war derselbe in die Wohnung des Herrn Oberlehrer Schöne durch ein Fenster eingestiegen; hier ge lang es ihm, als die Pflegetochter des Herrn Oberlehrer dazu kam, die ihn für einen Herrn vom elektrischen Lichtwerk hielt, unter dem Vor wande, daß er nach der Zähler-Uhr habe sehen wollen, zu entkommen. Neusalza-Sprembe«, 15. Oktober. Ein großes Schadenfeuer entstand heute Donners tag, mittags gegen V«12 Uhr, in dem Hinteren Gebäude des Gasthofs „Zum Kronprinz" am Obermarkt, wodurch der Gasthof und ein neben stehendes, dem Böttcher Richter gehöriges Wohn haus vollständig eingeäschert wurden. Ein drittes Gebäude, dem Kürschnermeister Scheumann gehörig, das ebenfalls Feuer fing, konnte durch tatkräftiges Eingreifen der Feuerwehren gerettet werden. Man vermutet Brandstiftung. Die beiden abgebrannten Gebäude bestanden aus je zwei Stockwerken. Pirna, 14. Oktober. Die hiesige Herberge zur Heimat beging jetzt das Jubiläum ihres 25- jährigen Bestehens. Es sind in diesem Zeitraum etwa 160 000 Nachtquartiere gewährt worden. Vermischtes. — Münstereichel. EinqualvollerTod. Im Forsthaus Scheuerhack blies die Ehefrau des Försters Damman die Petroleumlampe aus, wobei dieselbe explodierte. Der Inhalt des Behälters ergoß sich über die bedauernswerte Frau, die sofort in Hellen Flammen stand und furchtbare Verletzungen davontrug. Sie wurde in die Klinik nach Bonn gebracht, wo sie nach qualvollem Leiden gestorben ist. 8 Kinder beweinen den Tod ihrer Mutter. — Orenburg. Auf dem Wege zur Bahnstation wurde eine Post überfallen; 40 000 Rubel wurden geraubt. Drahtnachrichten und letzte Meldungen. Dresden, 18. Oktober. Der Großherzog und die Großherzogin von Baden sind heute vor mittag 10 Uhr 27 Miu. mit Gefolge auf dem hie- sigen Hauptbahnhofe riugetroffea, woselbst gro ßer Empfang stattfand. Se. Maj. König Friedrich August, sowie Prinz und Prinzessin Johann Georg von Sachsen begrüßten die hohen Gaste auf das Herzlichste und begaben sich mit denselben nach Vorstellung des beiderseitigen Gefolges durch das Fürstenzimmer des BahuhofeS auf de» Wiener Platz, den eine zahlreiche Menschenmenge erwartungsvoll umsäumte. Rach dem Abschreiteu der vom 177, Infanterie-Regiment gestellte» Ehrenkompagnie bestiegen die Allerhöchste« und höchsten Herrschaften dir bereitstehendeu Wa ge« und führe« unter lebhaften Ovationen des Publikums durch die am Eingänge der Pra gerstraße errichtete, im Tannengrü« und Fahnen schmuck prangendt Ehrenpforte und die festlich geschmückten Straßen nach dem Residenzschtoffe, woselbst der Grotzherzog und die Großherzogin von den übrigen Mitglieder« der königlichen Familie und den Oberhofchargen begrüßt wur den. Darauf fand Familien- und Marschalls- Frühstück statt. Berlin, 16. Oktober. Die Stadtverord neten bewilligten für die Ausschmückung der Lin den bei dem Einzug der Prinzessin-Braut 20 000 Mark. Die sozialdemokratischen Stadtverordneten stimmten dagegen. Berlin, 16. Oktober. Bei dem schweren Automobilunfall, der gestern abend Ecke Köpe- nicker- und Adalbert-Straße durch den Zusam- menstoß einer Automobildroschke und eines Straßenbahnwagens erfolgte, wurde der Insasse der Droschke durch deren Vorderfenster auf den Kutscherbock geschleudert, blieb da besinnungslos liegen und mußte wegen schwerer innerer Ver letzungen in das Krankenhaus geschafft werden. Düsseldorf- 16. Oktober. Amtliche Mel dung. Heute früh 1 Uhr 30 Min. entgleiste der V-Zng Nr. 44 auf der Strecke Küppersteg—Mühl heim a. Rh. mit Lokomotive und 4 V-Wagen. Die Entgleisung war dadurch erfolgt, daß eine Schiene von ruchloser Hand auf daS Gleis gelegt worden war. Eine Person ist anscheinend leicht verletzt. Die Strecke ist voraussichtlich bis heute abend ge sperrt. Der Verkehr von Düsseldorf bis Küpper steg wird durch Pendelzüge aufrecht erhalten. Die nach Köln bestimmten Schnellzüge fahren über Opladen. Bern, 15. Oktober. Die Feier der 200. Wiederkehr des Geburtstages Albrecht v. Haller, verbunden mit der Enthüllung eines Hallerdenk- mal-, nahm heute ihren Anfang. 41 Abord nungen von Akademien, Universitäten und wissen- schaftlichen Gesellschaften waren erschienen. Grimsby, 15. Oktober. Am 15. d. M. langte hier der Fischdampfer „Virolia" mit dem Ballon „St. Louis" an Bord an, der von ihm in der Nordsee aufgefischt worden ist. Wien, 15. Oktober. Der böhmische Landtag ist vertagt worden. Saloniki, 15. Oktober. DaS 3. türkische Armeekorps in Monastir, Janina und Skutari wurde mobilisiert. Beirut, 15. Oktober. Der Ausschiffung der am 15. d. M. mit dem österreichischen Lloyd- Kämpfer von Port Said eingetroffenen Pafla- giere wurden ernste Schwierigkeiten bereitet. Die Währung gegen Oesterreich steigt bedenklich. Paris, 15. Oktober. Der deutsche Botschaf ter Fürst Radolin kehrte heute abend vom Ur laub zurück. Paris, 15. Oktober. Frankreich, England und Rußland sollen folgende Punkte der Konfe renz angenommen haben: 1) Anerkennung der Unabhängigkeit Bulgariens und Festsetzung seiner finanziellen Verpflichtung gegenüber der Tür- kei, vielleicht auch die Regelung der Frage der beschlagnahmten Eisenbahn; 2) Konstatierung der Angliederung Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich; 3) Rückgabe des Sandschak Novibazar an die Türkei; 4) Anerkennung der Angliederung Kretas an Griechenland mit der Festsetzung der finanziellen Verpflichtung« Griechenlands gegenüber der Türkei und der Er- klärung, daß die Festsetzungen des Art. 23 de».