Volltext Seite (XML)
Mr» sächsische Erzähler. Bette » Deutsches Reich. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen am Mittwoch im Achilleion auf Korfu den Besuch des Herzog- und der Herzogin von Connaught, welche zu diesem Zwecke auf dem Kreuzer .Aboukir" von Malta herübergekommen waren. Später begaben sich die Maieftäten, begleitet Königldrück. Der hiesige Ratsregistrator Böttcher wurde zum Bürgermeister in Hohn« stein (Sächsische Schweiz) gewählt. Dresden. 23. April. In der Sitzung des sächsischen Gesamtministeriums, die am gestrigen Mittwoch unter dem Borsitz de» Königs Friedrich August stattfand, hat die sächsische Wahlrechts vorlage nicht auf der Tagesordnung gestanden. Indessen ist e» naheliegend, daß eine Besprechung darüber gepflogen worden ist; ein Beschluß wurde jedoch nicht gefaßt. Dagegen hat die Regierung zur Vertagung des Landtags Stellung genommen und wird heute oder morgen in Gemeinschaft mit den Präsidien der beiden Kammern darüber Beschluß fassen, wann und auf welche Zeitdauer die Vertagung erfolgen soll. Dresden. Hauptversammlung des Kantoren- und Organisten-Veretn» der Kreishauptmannschaften Dresden und Bautzen. Rach einer Begrüßung der Ver sammlung am Mittwoch in den Drei Raben durch den Borfitzenden de» Vereins, Herrn Kantor Gurke (KStzschendroda), hielt Herr Seminaroberlehrer GrundmanN einen Vortrag über da» Thema: „Zur Neuordnung de» Musik unterricht» im Seminar'. Der Herr Vortragende verlas zunächst die ministerielle Verordnung vdM 30. -Januar 1907 und besprach im Anschluß hieran die einzelnen Musikfächer, dabei da» Jetzt mit dem Früheren vergleichend, Und kam zu dem Schlüsse, daß die Neuregelung einen großen Fortschritt im Seminarmusikunterricht bedeutet, sowohl was die musikalische Fachbildung de» Schüler» anbelangt, al» auch in bezug auf dessen musikalische Allgemeinbildung. Der Vortragende ging hierauf auf die einzelnen Fächer de» Musik unterricht» näher ein. Der Gesangunterricht wird zum Hauptsache erhoben und die technische und methodische Ausbildung de» einzelnen in den Vordergrund gestellt. Da der Unterricht im Violinspiel in Wegfall kommt und das Harmonium al» Ersatzinstrument ungeeignet ist. so kann nur da- Klavier in Frage kommen. Die Pianofvrte- fabrik August Förster in Löbau hatte zwei kleine SchulpianoS, davon das eine in Kathederform, der Versammlung zur Verfügung gestellt. Nach dem der Herr Vortragende äusserlich über die Neuordnung deS Unterrichts im Klavierspiel, Harmonielehre und Mustklehre sich verbreitet und al» Haupttreffer der neuen Bestimmungen die Einführung der Musikgeschichte in den Lehrplan bezeichnet hatte, schloß er mit dem Wunsche, daß nie die Zeit kommen möge, wo der Lehrer stand seine führende Stellung in der Pflege der Musik verlieren müßte zum Schaden deS deut schen Volkes, da» in der ganzen Welt al» dq» musikalischste gilt und seit zwei Jahrhunderten die Vorherrschaft im Reiche der Tonkunst hat. Bon einer Besprechung des hochinteressanten Vortrag würde abgesehen, da die Leitsätze von den ein zelnen Gruppe« beraten werden sollen. Hierauf gaben die Mitglieder deS Vorstand» ihre Berichte, man gedachte der verstorbenen Mitglieder und ehrte die drei Jubilar« de» Verein» durch Ueber- reichung je einer goldnen Veretn»nadel. Bei den folgenden Wahlen wurden die auSschetden- den Vorstandsmitglieder einstimmig wiederge wählt. Nachdem noch beschlossen worden war, den VeretnStag mit Rücksicht auf die sächsische Lehrerversammlung zu Michaelis «»»fallen zu lassen, wurde die gut besuchte Hauptversamm lung geschlossen. 82L. Dresden, 24. April. Der Arzt und sein Erpresser. Ein aufsehenerregender Er- pressungSprozeß beschäftigte heute die 6. Graf kammer de» Dresdner' Landgerichts. Der 27 Jahre alte aus Wiesbaden gebürtige Kontorist Karl Ludwig Wagner war längere Zeit, nachdem er das Gymnasium in Heilbronn absolviert hatte, in einer Radebeuler Fabrik in Stellung. Er bezog 1Ü00 Mk. JahreSgehalt, kam aber mit diesem Gelds nicht au», weil ihn da» .ewig weibliche' in Gestalt einer Weinkelnerin an- und auSzog. Er geriet auf Abwege, eignete sich aus der ihm anvertrauten Portokasse 41 Mk. an, wurde infolgedessen entlassen und sann nun auf Mittel, sich und die Geliebte über Wasser zu halten. Vor einiger Zeit hatte nun der junge Mann von seiner Wirtin im Vertrauen erfahren, daß ein hiesiger hochangesehrner und viel in Anspruch genommener Arzt zu einer Verwandten der Wirtin in näheren vezlrhungen gestanden habe. Der Hintergangene Ehemann sei von wütender Eifersucht ergriffen und werd« den Arzt zur Rechenschaft ziehen usw: Obwohl diese Erzählung lediglich Klatsch war, beschloß Wagner, dennoch daraus Kapital zu schlagen. Am 18. März richtete er an den Arzt eine» Brief, behauptete darin, im Besitze des den Arzt schwer kompromittierenden Briefe» des .Hinter gangenen' Ehemannes zu sein und bestellte den Arzt zu einer gütlichen Auseinandersetzung nach dem Bismarckdenkmal an der Ringstraße. Al» der Arzt darauf nicht reagierte, ließ der Erpresser bald einen zweiten Brief folgen, drohte mit einxm Riesenskandalprozeß und forderte nochmals dringend eine Unterredung an derselben Stelle. AlS beiderseitige» Erkennungszeichen sollte ein in der Hand getragenes weißes Taschentuch gelten. Der Arzt benachrichtigte sofort die Kriminalpolizei, fand sich dann aber am Rendezvousplatze ein. Der Erpresser stellte mit ihm zunächst eine Art Verhör an und erklärte sich endlich bereit, den »Brief des betrogenen Gatten' gegen eine Entschädigung von 3000 Mark herauSzugeben. In diesem Augenblick zog der Arzt verabredeterweise den Hut vom Kopfe, ein Zeichen für den in der Nähe wartenden Kriminalbeamten und der Erpresser saß fest. Den angedeuteten Brief besaß er natürlich nicht. Das Gericht verurteilte ihn zu 6 Monaten 2 Wochen Gefängnis. Großenhain. Seinen eignen Bruder um die Ersparnisse betrogen hat im Laufe der letzten Jahr« ein hiesiger Einwohner. Der gutgläubige Bruder, ein biederer Handwerksgeselle, hatte ihm die sauer ersparten Groschen zweck» Einlieferung in die Sparkasse übergeben, aber anstatt den Auftrag auszuführen, verwendete der Bruder da» Geld in seinem eignen Nutzen. Als jetzt der Sparsame zwecks Gründung eines eignen Geschäfts sein Geld, das zirka 5000 Mk. betrug, haben wollte, wurde ihm die unangenehme Ueberraschung, daß keine Spargelder da waren. Grimma. Nach dem Genüsse eines aus Sauerkraut und Pökelknochen bestehenden Mittag essens erkrankten die sechs Kinder deS hier wohnhaften Monteurs Greümann unter Ver- giftungserscheinungen. Ein fünfjähriger Knabe ist an den Folgen bereits gestorben. Die ein geleitete Untersuchung dürste Aufschluß über die Ursachen der Erkrankung bringen. Lauter, 23: April. Tod eines Veteranen. Gestern nacht verstarb der älteste Einwohner unsrer Stadt, der Privatier Gottlob Thümmler, im Alter von 91 Jahren. .Vater Thümmler', wie er hier allgemein genannt wurde, war längere Zeit besonders tätig für den hiesigen Mitttärverein, dessen ältestes Mitglied er war. Vom Landtag. Dresden, 23. April. Beide Ständekammern nahmen heute ihre Tätigkeit nach der Oster« pause wieder auf. Die Erste Kammer erledigte von dem Etat Kap. »6a, Oberverwaltungsgericht, Kap. 55, Veterinärwesen, und Kap. 64, Gewerbe- und Dampfkesselaufstcht, und beschloß, die Petition deS Stadtrat» zu Freiberg um Erbauung einer Normalspurigen Eisenbahn von GroßhartmannS- darf nach Eppendorf auf sich beruhen zu lassen, aber soweit sich das Gesuch des Gemeinderats von Großwoltersdorf auf Fortsetzung der Schmal- spurbahn Hetzdorf - Eppendorf bis nach Groß« walter-dorf bezieht, dasselbe der Staatsregierung zur Kenntnisnahme zu überweisen. Weiter ließ die Kammer die Petition um Gewährung eine» unverzinslichen Staatszuschusses zur Erbauung einer Straßenbahn von Pillnitz nach Pirna, so wie die Petition der Rechtskonsulenteninnung um Abänderung der Bekanntmachung deS Justiz ministeriums vom 26. Juni 1906, die Gebühren der Prozeßagenten betreffend, auf sich beruhen. Die Zweite Kammer befaßte sich mit Eisen bahnpetitionen und beschloß, die Petition des Gemeinderats zu Zschorlau bei Aue um Her stellung einer Bahnlinie von Aue über Auer- Hammer, Zschorlau nach Auerbach i. V., sowie die Petitionen um Fortsetzung der Wolkenstein- Jöhstädter Eisenbahnlinie bi» zur LandeSgrenze bez. Sonnrbera-Preßnitz oder Christophhammer- Preßnitz in Böhmen auf sich beruhen zu lassen, dagegen die Petitionen deS StadtratS zu Leipzig und mehrerer dortiger Vereine um Errichtung einer Haltestelle für Personen« und Güterverkehr in Leipzig-Volkmarsdorf oder Leipztg-Sellerhausen der Regierung zur Kenntnisnahme zu überweisen, insoweit sie auf Errichtung eine» Personenhalte punkte» gerichtet find. «X»8 von der Prinzessin Viktoria Luise, an Bord des .Aboukir' zum Frühstück beim Herzog und der Herzogin von Connaught; auch der König von Griechenland hatte sich mit seiner Familie auf dem .Aboukir' eingefunden. An der abends im Achilleion beim Kaiserpaare stattgefundenen Tafel nahmen der Herzog und die Herzogin von Connaught teil. Tags zuvor hatte Kaiser Wilhelm eine zu seiner Begrüßung vom tür kischen Sultan nach Korfu entsandte Spezial mission unter Turkhan Pascha im Achilleion empfangen. In der freisinnigen Vereinigung ist die längst erwartete Spaltung nunmehr eingetreten. Die soeben in Frankfurt a. M. stattgefundene Delegiertenversammlung der freisinnigen Ver einigung hat die Entscheidung gebracht, die ra dikalen Elemente unter der Führung der Herrn vr. Barth, v. Gerlach und Breitscheid find feier- lichst aus der Partei ausgetreten, weil sie die Blockpolitik derselben nicht... mehr mitmachen wollen. Die Verhandlungen und Abstimmungen deS Frankfurter Delegiertentages zeigten, daß die große Mehrheit der freisinnigen Vereinigung auch fernerhin im Verbände der Blockparteien deS Reichstages verbleiben will, ungeachtet aller Bedenken, welche auch in ihren Reihen gegen ein weiteres Zusammengehen der freisinnigen Vereinigung vor allem mit den Parteien der Rechten herrschen. Die eigentliche Entscheidung brachte eine Resolution Brabant, welche die Stellung der liberalen Fraktionsgemeinschaft zu 8 7 des ReichsvereinSgesetzeS bedauert, aber gleichzeitig die Motive für diese Stellungnahme anerkennt. Die Resolution wurde mit 315 gegen 98 Stimmen bei 18 Stimmenthaltungen al» Mißtrauensvotum gegen die freisinnigen ReichStagsfraklionen abgelehnt, worauf die Re präsentanten der unterlegenen Minderheit ihren Austritt auS der freisinnigen Vereinigung er klärten. Schließlich genehmigte die Delegierten versammlung eine Resolution, welche sich für die Aufrechterhaltung der linksliberalen Frak tionsgemeinschaft ausspricht, mit 371 gegen 33 Stimmen bei 12 Stimmenthaltungen. — Die „reinliche Scheidung" im Lager der am weitesten links stehenden liberalen Parteigruppe ist also vollzogene Tatsache und letztere ist ihre mit der Sozialdemokratie liebäugelnden Dränger und Stürmer losgeworden, schwerlich zum Schaden der weiteren Entwicklung der Partei! Die Affäre Eulenburg-Harden mit allem, was drum und dran hängt, macht durch den soeben in München.stattgefundenen Prozeß wieder einmal von sich reden. Das Schöffen gericht München I hat den von Harden ver klagten Redakteur der „Neuen Freien Volks zeitung", Staedele, wegen der Behauptung in seinem Blatte, Harden habe vom Fürsten Eulen burg eine Million Mark Schweigegeld empfangen, zu 100 Mark Geldstrafe und Tragung der Kosten verurteilt. Der eigentliche Schuldigge sprochene in diesem Prozesse ist aber Fürst Eulenburg, denn die Zeugenaussagen in der Verhandlung vor dem Münchener Schöffen gericht belasten den ehemaligen Botschafter de» Reiches am Wiener Hofe, sie zeigen ihn im Lichte schmutzigster sexueller Verfehlungen. Ver mutlich ist diese Sache mit dem Spruche deS Münchener Gerichtshofes noch nicht zu Ende Der Führer der badischen Konservativen,. Graf Douglas, ehemaliger ReichStagSabgeordneter für Sinsheim-Bretten, ist auf Schloß Gondels heim im Alter von 60 Jahren gestorben. Der Oberprästdent der Provinz Posen, der Regierungspräsident und der Versitzende der AnstedlungSkommission sollen eine Reihe Droh briefe in polnischer Sprache erhalten haben, in denen ihnen da» Schicksal de» Statthalters von Galizien wegen brutaler Unterdrückung der polnischen Nation angedroht wurde. Die be drohten Beamten sollen unter polizeilichen Schutz gestellt worden sein. Die Drohbriefe wurden in Posen und Gnesen zur Post gegeben. Berliner Takt. Drei deutschen Annäherungs vereinen an Frankreich steht — kein französischer an Deutschland zurzeit noch gegenüber. Einer der ersteren, die deutsch-französische Gesellschaft, hat 30 junge Franzosen nach Berlin eingeladen, um dort deutsche Verhältnisse kennen zu lernen. Sie find am Mittwoch in der Metropole an gekommen und haben Aufnahme in Familien- Quartieren gefunden. DaS ist alles schön und aut. Wa» soll man nun aber zu den heillosen Ueberschwänglichkeiten sagen, deren sich der deutsche Lakatengetst de» Berlinertum» diesen jungen Leuten gegenüber dabei schuldig zu machen im Begriffe steht? Man höre, welchen Empfang man diesen 30 jungen Leuten bereitet!