Volltext Seite (XML)
Vermischtes. — Berlin, ll. April. Der Chefredakteur de» »Berliner Tageblatt-' Arthur Levysohn ist in Meran gestorben. — Wie erklärt man sich da-? Au- Jena wird geschrieben: Sin Brauereibrsitzer de- Bierdörfchen- Ziegenhain verkaufte dieser Tage seinen Jagdhund nach Moßbach bet Auma. Der Hund war mit der Bahn dahin verladen worden und hatte ein« Nacht bet seinem neuen Herrn zugebracht. Al» dieser ihn früh 7 Uhr frei ließ, sprang der Hund sofort davon. Bier Stunden später langt« da- treue Tier freudig schwänzelnd und tänzelnd bei seinem alten Herrn in Ziegenhain an. Wie erklärt man sich da- Zurechtfinden de- Hunde-? Ziegenhain liegt von Moßbach in der Luftlinie etwa 45 icw Meitage zu Ar. 44 des sächstschen Erzählers d« 14. Mpr« 1S08. wett entfernt Infolgedessen ist auch die Stellung de- soeben von seinem Urlaub zurückgekehrten Staat-mintster« Grafen Hobenthal wiederum stark erschüttert. Die von nattpnalliberaler Seite unternommenen Versuche, den Hohenthalschen Wahlrecht-entwurf wenigsten- in einigen wesent lichen Teilen zu retten, find al- gescheitert an zusehen. Da- Schicksal der Regierungsvorlage ist bestegelt und damit dürfte auch de- Grafen Hohenthal» Ministertätigkeit bald ihr End« er reicht haben. G- ist nämlich nicht anzunehmrn, daß der König trotz Hohenthal- Befürwortung zu einer Auflösung der Zweiten Ständekammer verschreiten wird. In parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß Graf Hohenthal unmittel bar nach Ostern von der politischen Bildfläche verschwinden wird. 82L. Dresden, IS. April. Unglaub licher Humbug. In dem kleinen sächsischen Städtchen Hohenstein-Ernstthal ist man einem haarsträubenden Fall von Kurpfuscherei auf die Spur gekommen. Die Wunderdoktorin heißt Marie Buschmann. Sie wurde von weit und breit von Kranken aller Art besucht und machte die glänzendsten Geschäfte. Die Hilfesuchenden erhielten al- Heilmittel meist kleine, mit allerlei Hieroglyphen bedeckte Zettelchen, die in Säckchen ttogenäht waren. Hatten bisher die Sprech stunden der Kurpfuscherin fast ausschließlich da weibliche Geschlecht angelockt, so nahm «unmehr auch «ine männliche Person Veranlassung, sich unter die erwartung-volle Schar der Patienten zu mischen. Die Polizei hotte nämlich von dem Schwindel Kenntnis erhalten und entsandte einen Wachtmeister, der sich, in Zivil gekleidet, eben falls al- Hilfesuchender an die Schwindlerin wandte. Dieser wohnte einer »Sprechstunde' bei und stellte folgende» fest: Der erste Krank heitsfall betraf ein Kind, da- an Schwindelan- fällen us». litt; al- Therapie wurde eine» jener heilkräftigen Zettelchen, auf die Herzgrube zu legen, »verordnet'. Dieser Fall genügte dem Polizeibeamten; er schritt sofort gegen den Schwindel rin und hob kurzerhand die Sprech stunde auf. Bei der Kurpfuscherin wurden etwa «0 der erwähnten, in Säckchen eingenähten Zettel, ferner an Medikamenten 16 Büchsen mit .Neroenfittbt' und 7 Düren mit verschiedenen Leesorten vorgefunden und beschlagnahmt. Da gleiche geschah mit ihrem Notizbuch« in dem 43 .Patienten' verzeichnet standen. Während der. Anwesenheit d«S Polizeibeamten harrten über 40 Personen im »Wartezimmer'. Auf welchen geistigen Tiefstand die Frau bei ihrer Kundschaft rechnete, geht au- dem haarsträubenden Blöd, sinn auf den Zetteln hervor, auf denen einem in unmöglicher Orthographie folgende- verzeich net stand: ,Ehrtstu- zu Bethlehem, Christus zu Jerusalem, getauft im Jordan so gewiß mir der Kopf steht. Mutter hechte, Mutter lechte, leg ihn an dieselbe Wand, wo dich Gott hat htngewandt. Kopf und Magen, Schnupfen und Lagen. Frost und Hitze müssen sich miteinander vertrauen. E» saßen 3 Weiber im Sand. Die batten de» Menschen Gedärm in der Hand. Die erste regt, die zweite legt, die dritte legt e- ganz zurecht. Amen! In Gotte- Namen!' Annaberg. Die Frage der Errichtung eine städtischen Elektrizitätswerke- ist gelöst worden, indem beschlossen wurde, auf dem Grundstücke der zu Frohnau gehörigen, in da- Eigentum der Stadt übergegangenen Hüttenmühle al-bald ein Elektrizitätswerk zu errichten. Die zur Deckung der Kosten aufzunehmende Anleihe be trägt 500 000 Mk. Sachsen. Bischofswerda, 13. April 1S0S. — Großreinmachen! Zum Osterfest« muß MeS blitzen und blinken. So steigen denn wieder einmal di« Dünste von Scheuer, und Waschfaß auf. Die Besen fegen über sämtliche Dielen. Sofa, Tische, Spiegel, Kommoden, alles »a« nicht 'gerade niet- und nagelfest ist, «S kommt in Bewegung. Bestürzt bleibt der zu so unge legener Zeit zufällig erscheinend« Gast an der Korridortür stehen, um bald wieder Kehrt zu machen DaS steht ja wie «in Chaos aus! Natürlich brummt auch d« Hausherr sein Teil. Wo ist die Gemütlichkeit geblieben? Und zu. mijttaa findet er kaum die notdürftigste Arme- leute-Mahlzett vor. Scheußlich! Doch diesmal duldet die sanfte Gattin «st recht keinen Wider- spruch. Da» geht nicht ander» ! Oder: da» verstehst du nicht! So klingt» dem Fragenden und Klagenden mehr od« wenig« laut in die Ohren. Zum Beweise, und damit «'S doch ein bißchen begreife, wird ihm am Ende gar ein schmutzstarrendes Wischtuch unt« di« Nase ge halten. Ja, unsre Frauen haben schop ihre aulen Gründe. Ein Spaß ist'» auch ihnen nicht, so «in paar Tage, wie ein Aschenbrödel, durch all» Stuben hemmzuwirtschaften. Aber sie haben recht. DaS muß sein! Man will sich doch nicht nachsagen lassen, daß man alle» im Schmutze verkommen ließe. Na, und schließlich, wenn alle» vorbei ist, da setzt auch d« Gatte wird« «ine heitere Miene auf. Donnerwetter, da» macht fich ja alles noch mal so nett! Da» muß « einfmh zugestehen. Und wenn - nm ein Buch wäre, va- mau grade vom Regal nähme; da greift man doch nicht mehr in fingerdicken Staub. Ob dann Besuch zu Ostern sich einstellt oder nicht, «S ist doch zu hübsch, wenn die ganze Häuslichkeit schon durch ihre anmutige Sauber keit einen festlichen Charakter trägt. Man merkt'» dann erst recht: daheim bleibt daheim! .... Schandau. Die Bootsfahrten auf d« oberen Schleuse bet Hinterhermrdorf finden während d« Osterfeiertage, sowie an den darauf folgenden 3 Sonntagen, am 26. April, 3. und 10. Mai erstmalig in diesem Jahre statte Der ständige tägliche Betrieb für da» kommende Sommrrhaldjahr wird am Sonntag, den 17. Mai, eröffnet. 8. Dresden, 12. April. Der Herzog Heinrich Borwin von Mecklenburg in Dre-den. Die Affäre d«S Herzogs Heinrich Borwin von Mecklenburg, der bet den Zieten- Husaren al» Leutnant diente und kürzlich seinen Abschied nehmen mußte, hat jetzt eine andere Wendung genommen. Der Herzog hat Dre-deN, ha« ihm von früher her sehr am Herzen liegt, al« vorläufigen Aufenthaltsort gewählt, um hi« längere Zelt in still« Zurückgezogenheit zu leben, bi» seine Angehörigen die etwa« ver wickelten VermögenSverbültniffe geregelt haben, um dann eine längere Auslandsreise anzutreten. Dieser Tage weilte der Vater de« jungen Her zog«, d« bekanntlich -auch allerdings gegen den Willen seine« damaligen Kommandeur«, an der Herkomerfahrt, deren Start in Druden erfolgte, teilnahm, in Berlin und Dre-den, um zunächst eine Regelung der finanziellen Verhältnisse de» Herzog- hnbeizuführen. Die bisherige Apanage de» Herzog- Borwin betrug bislang 30000 Mk., die ab« jetzt noch wesentlich herabgesetzt wttden wird. D« Herzog hat bereit« seine Pferde und Equipagen und auch seine beiden kostbaren Auto- verkauft und dafür «in« Mietequipage genommen. Am sächsischen Hofe erfreute sich der Herzog allgemeiner Beliebtheit und war stet« dabei, wenn e» «ine Fröhlichkeit gab. Noch jüngst wohnte « der Tauf« de» Ballon- de« Sächsischen Verein« für Luftschiffahrt bei. Dem Vernehmen nach wird sich der Herzog später der Landwirtschaft widmen. * S2LDr«»d«n, 12. April Wahlrechtsreform. Der sächsische Landtag ist heute in die Oster ferien gegangen und die vom Volke gehegte Er mattung, daß inbezug auf die Wahlrechtsfrage eine positive Entscheidung getroffen werden würde, hat fich nicht erfüllt. Dahingegen ist nunmehr zwischen der konservativen und national liberalen Fraktion hinsichtlich der Gestaltung de« zukünftigen Wahlrecht« «in« Einigung «zielt und ein Kompromiß geschlossen worden, da» den Wünschen de« Volke« zwar etwa« näh« kommt, fich ab« von den Regierung-entwurfe himmel entfernt, und d« Hund hatte bisher den Weg niemals passiert. — Aus dem »StmplieissimüS': Frau Kommerzienrat Ueberreich leidet seit Jahren an teils mehr, teil« weniger eingebildeten nervösen Störungen. Für ihren Hausarzt ist sie eine, wenn auch lukrative, so doch nicht- weniger al- angenehm» Patientin. Da das gesundheits bringende Frühjahr i« Anzuae ist, beschließen die Angehörigen ein« Kur in einem fashionablen Badeort. Keine lange Verzögerung! Frau Kommerzienrat reist ab, wohlauSgqMet mit einem Schreiben ihre« Arzte« an den Geheimen Medizinalrat vr. Jmmerhelf, dem die Kur in dem gewählten Bade anvertraut werden soll. E« läßt sich nicht sagen, was schuld war, ob die lange Reise, ob Wissensdrang od« ob Unkenntnis d« Gesetzesparagraphen über da« Briefgeheimnis — plötzlich ist der anvertraute Brief geöffnet, und pfeilgeschwind fliegen die kommerzienrätlichen Augen über die schlecht leserlichen Zeilen. Doch kaum ist der erste Satz de» Schreiben» entziffert, fällt«« zu Boden; die Mitreisenden müffen sich ein« Ohnmächtigen annehmen. Der Brief be gann: »Sehr geehrter Herr Kollege! Beifolgend sende ich Ihnen eine fette Gan-, die ich gehörig zu rupfen bitte'. — Da» Zölibat der Professoren. Im März dieses Jahre- ist ein Jahrhundert verflossen seit dem Lage, da Napoleon den französischen UmverfitätSprofessoren «ine besondere Gunst er wies, um die sie jahrhundertelang ringen mußten; sie dursten heiraten! Zweieinhalb Jahrhunderte lang war leidenschaftlich um die wichtige Frage gestritten und disputiert worden, ob für den Universitätslehrer die Ehe die schlimmste aller Ausschweifungen sei Und ob ein Gelehrter es mit der Würde seine» Stande» vereinigen könne, diese schlimmste menschliche Schwäche zu begehen. Noch im Jahre 1452 erklärte die medizinische Fakultät, daß man die Bahnen de» Zölibats nicht verlassen könne, ohne eine gemeine Gesinnung an den Tag zu legen. Die juristische Fakultät kämpfte 150 Jahre lang um da» Recht auf die Ehe und «st im Jahre 1600 «rang sie für ihre Angehörigen diese Vergünstigung. Allein die Sprachforscher, die Humanisten und die Logiker mußten sich auch weiterhin, so erzählen die DSbatS, wohl oder übel mit ihr« Einsamkeit abfinden. Zum Tröste hielt man ihnen den Aphorismus CiceroS vor, wonach ein Mann nicht zu gleicher Zeit seiner Frau und d« Wissenschaft ängehören könne; und mit ironischem Lächeln verwies man die Unzufriedenen auf die beklagenswerte Geschichte von Abelard und Heloise. Ab« der Heroismus und das Märtyrer tum übten auf die Gelehrten eine seltsame An- ziehungSkrast: Im sechzehnten Jahrhundert er- lebte man da» Unerhörte, daß zwei Literatur professoren sich regelrecht verheirateten. Umsonst bemühten sie sich, den Zorn und die Entrüstung der Mitwelt über diesen Mangel an wissenschaft licher Gesinnung zu beschwichtigen. Aber weder ihr Mut noch ihre Arbeiten noch ihr Talent wurden anerkannt; was sie auch taten, die all gemeine Empörung verfolgte sie auf Schritt und Tritt und nicht» vermochte das Kainsmal de» Verheirateten von ihrer Stirn zu wischen. Erst al» Napoleon kam, dämmerte den Professoren ein neuer Hoffnungsschimmer. Aber noch in dem Erlasse vom März 1808 wurden die Direk- toren und Zensoren der kaiserlichen Lyceen und die Direktoren und Lehrer der Gymnasien er barmungslos zum Zölibat verdammt. Nur durch ttne besondere Erlaubnis konnten die Professoren da» Recht erlangen, in den Ehestand zu treten, und wenn ihre Bitten genehmigt wurden, so geschah e» stet» au» »allerhöchster Gnade'. — Tourcotng, 12. April. (Frankreich.) Heute nacht explodierte im Eingang zu dem Gebäude de» Polizeikommtffariat» de» dritten Arrondissement» eine Bombe, die auf die Schwelle gelegt worden war. Ein Chauffeur, der den Zünder der Bombe hatte auslöschen wollen, wurde sehr schwer im Gesicht verwundet. Im Kommissariat und den benachbarten Gebäuden zersprangen sämtliche Fensterscheiben. Ein au« Belgien stammender Anarchist wurde verhaftet. — Oporto, 12. April. Durch «ine Feuers brunst ist da« Theater Saint Jean vollständig zerstört worden. Verluste an Menschenleben sind nicht zu beklagen, da der Brand zu einer Zeit ausbrach, wo keine Vorstellung war.