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ker geht auf den Ball oder in die Salpe- triere*), die Civilisation geht seinen Gang und die Medizin gewinnt neue Aufschlüsse. Fast drei Fünftheile der Findlinge kommen in dem ersten Jahre ihres Alters ums Leben. Don den Neugcbornen stirbt der vierte Lheil in den ersten vier Lagen, und mehr als zwei Drittlhcile nach dem ersten Monat. Fünf Jah re nach deut Tage, wo acht Findlinge mit ein ander der Anstalt übergeben werden, würden nur noch drei am Leben seyn. Noch zwölf Jahr hinzugcthan und man wird nur noch ei nen einzigen übrig haben! Allein man muß zu- geben, daß Kunst und Verwaltung nicht hin reichen, diesen schrecklichen Verheerungen ent gegen zu wirken, diese hängen von tausend lo- kalcn und gesundheitlichen Ursachen ab, die au ßer ihrem Bereiche liegen, klebriges kann man die tröstliche Gewißheit hinzukügen, das die Zahl dieser Sterblichkeit von Tag zu Lag ab- nimmt, und die bis auf diese Stunde erzielten Resultate haben dem Wesen der Anstalt, wie sie vor vierzig Jahren bestand, durchaus ein verändertes Ansehn gegeben.» Gegenwärtig brin gen bequeme Wagen die Saugammcn vom In- nern des Landes nach Paris, und jedes De partement besitzt eine Filialanstalt des Findel hauses, wo die Neugcbornen ausgenommen wer den, bevor man sie nach der Hauptstadt füh ren laßt. Sollte man wohl glauben, daß vor der Revolution die Anstalt der Hauptstadt für ganz Frankreich ausrrichcn mußte, und daß aus allen Theilen des Königreichs die Kinder nach diesem Centralburcau geschleppt wurden, um sich ein Lebensbillet zu lösen, was nicht selten eine Eintrittskarte in die andere Welt wurde? Ein Mann, ein Lastträger, durchwanderte zu Fuß die Provinzen mit einem Korb auf dem Rücken, worin sich ein ausgepolstcries Schub- fach befand, groß genug um drei neugeborne Kinder'zu fassen. Dieser Mensch nun wanderte durch Staub, Koth und Sonnenhitze -der Heer- straßen, durch den Lärm der Fuhrmannsknei- pen, getrosten Muthes auf Paris los. Die Kinder erhielten in ihrem Korbfachr von oben herab die Luft. Von Zeit zu Zeit hielt der Mann an, um seine Mahlzeit einzunehmen, und dann ließ er seine kleinen Reisegefährten Eia Gefängnis fü» liederlich« Weibspersonen. ein wenig Milch trinken. Wenn er seinen Korb öffnete, fand er fast stets einen derselben todt. Dann warf er ohne viel Federlesens die Leiche heraus, stopfte den leer gewordenen Raum zur Zeit wieder mit einem neuen Passagier aus und kam mit dem Rest seines Ballastes endlich an Ort und Stelle an. Hier erhielt er eine Be scheinigung der gelieferten Ladung; für Scha den an der transportirten Waare während der Reise stand er nicht gut. Man muß erblassen bei dem Anblicke, bei dem Gemälde jener andern Pest, mit der die Ausschweifung unaufhörlich die Kindheit ver giftet und im Herzen des Staates Aussatz und Siechthum fortpflanzt. Die Feder verweigert cs, diesen schmutzigen Pfuhl auszumalen; man schaudert, wenn man in den abgesonderten Saal tritt, wo weiße und grüne Körbe unter ihren Vorhängen eine doppelte Misscthatwiegen, wo die Neugcbornen ihren schuldlosen Schlaf aus einer giftigen Natter verträumen, entstellt von jenem scheußlichen Aussätze, womit das Laster sich selbst-straft. Hier liegen d e unglücklichen Geschöpfe und erhellen mit ihren Engelslächeln ' die teuflische Maske, die die Verworfenheit ih rer Eltern ihnen aufgcdrückt; jene von Schmerz ergriffen, haben stets den Mund offen, als woll ten sie die Seele aushauchen, die schon auf ihren Lippen schwebt; andere blicken den Be schauer starr mit großen blauen Augen an, die von so lebhaftem Glanze strahlen, daß man sich gerührt über «hre Wieg« beuat — cs sind Leichen. An der Mauer hin gereiht liegen diese kleinen Schläfer, um nie wieder zu erwachen. Wenn man di« Sorgfalt sicht, mit der die Schwestern des St. VinzcrU de Paula um diese armen Wesen beschäftigt sind, so erra'th man, daß sie das würdigste Werk ihres christlichen Berufes in der Pflege dieser unglücklichen Ge schöpfe finden. Sobald eines derselben gestor ben ist, wird auf d e kleine Leiche ein Kreuz ge legt, man laßt die Vorhänge nieder und legt zu seinem Kopfe eine kleine Krone von Maß lieben und Immortellen. So bleibt es einige Stunden unter seinen llnglücksgefäkrten liegen, und vielleicht verwünscht noch die Mutter den Neugeborncn, der für sic bereits jenseits um Gnade fleht.