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Eie konnten vor Entsetzen kein Wort red n; denn die Leiche lag da im grünen Schlafrocke, mit der Nachtmütze auf dem Kopfe, Pantof feln an den Füßen, ganz schwarzblau im Gesich te, und starrte sie mit gebrochenen Augen an. AlS sie sich etwas erholt hatten, sagte Liese: „Hier kann er nicht bleiben! Fort mit ihm! Eile! Wo sollen wir ihn hintragen?" — „Wir wollen ihn an die Tbüre des franzö sischen Perückenmachers hinstellen!" meinte Jahn Pfeiffer; „der ist so mein guter Freund nicht, er fällt mir immer in mein Privilegium, und barbiert die Leute, wenn er ihnen nur die Haare kräuseln sollte/' — Eie sputeten sich jetzt und trugen die Leiche zur Tbüre des Pe- rückenmachcrs. Jahn Pfeiffer stellte Herrn Harpix aufrecht an die Wand. Liese lief nach Hause, Jahn aber, der neugieriger Natur war, verbarg sich etwas entfernt in einen Winkel, um den Ausgang der Sache zu sehen. Der Perückenmacher, Monsieur Narciff, war diesen Abend, auch in Gesellschaft gewe sen, und hatte auch einen Haarbeutel bekom men. Ec war ein hagerer, fchwarzbrauncr, ält licher Franzose, der viele Jahre als Soldat gedient, und nach dem Frieden sich hier in die sem Städtchen niedergelassen hatte, wo er das Friscurhandwerk trieb, und ein junges, hüb- sches, wohlhabendes Mädchen geheirarhet hat- le, die ihn, — mit oder ohne Grund — sehr eifersüchtig machte. Als nun Monsieur Narciß mit seinem koa- Nischen Rohr^ in der Hand so zierlich, als es ihm sein Rausch erlaubte, über die gror.cn Steine des schlechten Pflasters hüpfte, um nicht seine weißen Strümpfe schmutzig zu machen, und als er Herrn Harpix bei der Thür im Negligee aufgestellt sah, glaubte er, es sey ein beglückter Liebhaber, der seine Abwesenheit bei der Frau benutzt-habe. Das Champaqnerblut kochte ihm schon in allen Adern, er stieß das Wort aus, dessen sich ungezogene Franzosen qe- wöhnlich bei solchen Gelegenheiten bedienen und <itf: „O Suzon ! Du elendes Geschöpf! hast Du nicht mehr Geschmack, um ein solches Unge- Heuer einem Manne vorzuziehcn, der Dein Ge mahl ist? Aber warte, alte Buhlschwesicr, ich werde Dich bezahlen!" Und ohne dem Galan Zeit zur Flucht ,u lassen, fiel er über ihn her, wie der Falk über die Taube» und prügelte ihn, bis der Leichnam vor seine Füße hinficl, Kaum hatte Monsieur Narciß entdeckt, daß der Mann todt war, als! er so tvciß im Gesicht, wie sein eigner Rock wurde, weil er glaubte, daß er ihn ermordet habe. Er stand lange unschlüssig, kratzte sich mit dm, Kamm in den Kopf und wiederholte: /H?" Weil er aber, wie alle Franzosen /rrrt hatte, so nahm er schnell die Leiche auf den Rücken, und schleppte sie hin ins Beinhaus der alten gothischcn Kirche, die ziemlich weit entfernt lag. Drauf eilte er zn aller Schnelle nach Hause, entkleidete sich, und legte sich sei ner F'au, die im tiefen Schlummer lag, jur Seite. Nun traf cs sich in selbiger Nacht, daß die Zigeunerbande, nut der sich Herrn Harpi- xcns Bruder Ulrich verbunden hatte, eben in der Nähe im Walde hauste. Ulrich war Zigeu nerhäuptling geworden. Sie waren in Deutsch land, Ungarn und Italien weit umher gewe- wesen; allein derT-ürb, seinen Geburtsort wie der zu sehen, wirkt auch auf ein vcrdorbncs Gemüth; und was noch starker war: die Lust, sich an seinem unbarmherzigen Bruder zu rä chen, trieb Ulrich, nach mehrjähriger Abwesen heit, nach seiner Heimalh zurück. Er war jetzt ein vollkommener Zigeuner geworden, hatte Ge legenheit gehabt, Math und Tapferkeit zu zei gen, war von seinen Leuten, die ihm blind ge horchten, angcbctet, und zwei der schönsten Mädchen deS Haufens waren feine Weiber. Die Zigeuner hatten einige Katzen gefan gen, welche sie im Walde brieten, und sich da mit, bei einigen Flaschen Branntewcin, güt lich thaten. Als sie alle "lustig geworden wa ren, rief Ulrich: „Wohlan, Kameraden! jetzt laßt UNS nach meines Bruders Haus gehen, und so stark an die Thüre klopfen, daß es ihm schwarz vor den Aagen wird. Nehmt Feuer stahl, Schwamm und Schwefelfaken mit, und laßt den rotben Hahn, eh der Tag graut, auf des DösewichtS Dache krähen." Ein einstimmiges Zeter mordjo! bezeugte, daß alle deS Häuptlings Wunsch beifielen, E *