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zu dämmern anfing, -rachen beide auf, nm nach Hause zu gehen. Der Geliebte ging so rasch, daß das Mädchen kaum folgen konnte. Sie gingen und gingen, und kamen noch immer nicht in die Stadt. Christel bemerkte, daß ihr die Gegend ganz fremd sey. Fritz entgegnete ihr, sie wollten einen kleinen Umweg machen, dec Abend sey so schön. Sie waren vier Stunden gewandert, auf einsamen Fußsteigen; kein Dorf, kein Haus hatten sie gesehen. Da entsann sich Christel seiner Rede. Sie schmiegte sich auf einmal an den Geliebten, und sagte ihm leise; „Fritz, ich gehe mit Dir über die Grenze. Gott wird weiter helfen, aber mache mich nicht unglücklich." Er drückte dem treuen Mädchen die Hand. Sprechen konnte er nicht. Sie eilten weiter. „Sind wir denn aber auch auf richtigem Wege?" frug die sorgsame Christel nach einer langen Weile. „Als wir aus der Stadt ka men, hatten wir den Wind hinter uns, jetzt rechts. Haben wir uns nicht zu sehr rechts gehalten?"- „Ach Gott, Mädel, ich glaube auch, wir sind irre. Zurück kann ich schon nicht mehr, ich komme nach dem Zapfenstreich. Ich bin schon vermißt. In zwei Stunden können die Nachsetzenden uns erreicht haben. Liebe Christel, wir wollen nach dem Winde ge rade aus gehen. Wir müssen in einer kleinen Stunde über die Grenze seyn." Nach einer starken Stunde erblickten sie ein Dorf, sie mußten wissen, wo sie waren. Die Namen der Grenzdörfer auf beiden Seiten kannte der Corpora! genau. Er unterrichtete die Christel, wie und auf welche Art sie Erkun digung einziehen sollte, und schickte sie an das erste Haus. Das Mädchen that, wie ihr be fohlen war. Sie klopfte an das Fenster. Oie Leute saßen noch am schwachen Kanünfeuer. Sie ftug zuvörderst nach dem Wege zur Stadt; der dienstfertige HauSwirth kam heraus, um sie zurecht zu weisen. Er rietb ihr, da er sie allein erblickte, bei ihr den Morgen abzuwar- ten. Natürlich ließ sie sich dazu nicht bereden. Unglücklicher Weise war der Schulze auch jn jener Stube zugegen. Dieser fand sich auch herbei, und das Vorgeben des Mädchens kam ihm verdächtig vor. Er fing an, ste zu rxa- miniren. Darauf war die Erschrockene nicht ( 0 ) gefaßt. Ihren Fritz verrieth die treue Seele nicht. Als sie sah, daß ihre in der Geschwin- digkeit zusammen gerafften Lügen nicht durch- halfen, fing sic ganz offenherzig an: „ich will es Euch nur gestehn, ich bin gus der Stadt, und habe eine so böse Herrschaft, daß ich nicht bei ihr aushalten konnte. Da machte ich mich auf den Weg, und wollte über die Grenze. Laßt mich in Gortes Namen hinüber; ich bin ein ehrliches armes Mädchen. Ich will meine Taschen vor Euch umwendcn. Ich habe Nie manden auch nur das mindeste entwendet. Bringt Ihr mich zurück, so schlägt mich meine Herrschaft halb todt, und jagt mich dann doch fort. Was hilft es Euch, baß Ihr mich un glücklich macht? Die Frauen und Mädchen des Hauses hatten Mitleid mit der Zitternden. „Laßt sie ziehen, Schulze," baten sic gemeinschaftlich. Aber der Schulze sagte mit wichtiger Amts miene: „Nein!" Da nahm weinend die Geäng. stete Schnupftuch und Halsband, und gab es dem Unerbittlichen. „Weiter habe ich nichts, was ich missen kann," sagte sie flehend; „Gott bindet ja keinem Vogel die Flügel." — „Nicht raisonmrt, Mensch," schnauzte sie der Schulze an, „Marsch zu mir nach Hause! Morgen früh wirst Du in die Stadt transportier." In diesem Augenblick schlug der dumpfe Donner der ferne« Larmkanonen an die Fenster der klei nen Hütte. „Nun hat der Teufel wieder ei nen geholt," brummte der Schulze, und „glück- liche Reise, glückliche Reise," setzten die Wei ber und Mädchen scherzend hinzu. Der Gefangenen starrte das Blut in den Adern. Das galt ihrem. Fritz. Sie dachte nicht mehr an^ sich, nur für ihn bebte das za gende Herz. Schweigend folgte sie dem pflicht strengen Schulzen in dessen Wohnung. Er wies ehr einen Platz hinter dem Ofen an und bestellte zwei Wächter. Er selbst berief ein halbes Dutzend Bauern zusammen, um dem Deserteur aufzupasscn. Dqs Mädchen holte vor Angst kaum Athem. Heiliger Gott, wenn sie ihn fingen und ihn hier hereinbrachten! Unter diesen stillen Seufzern rang sie die Hän de. Sie mußte sich aufschnüren, die Brust wollte ihr vor Angst zerspringen.