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( o ) Das heimliche Gericht der Galeerensklaven. (Beschluß.) Ju einer der engen Straßen, die zu dem Hafen von Toulon führen, stießen zwei Män ner auf einander, von denen der eine den an dern plötzlich anhielt, und mit rauhem Tone die Frage an ihn stellte, wie er heiße, woher er komme, wohin er gehe. Ruhig entgegnete ihm der Gefragte: „Ich heiße Mathieu Ver. nou, hier ist meine Marschroute, denn ich ge höre zu den Rekruten dcS neuen afrikanischen Jägerregiments." Der Erstere durchflog mit geübtem Auge den Paß, und entgegnete: „Das Papier ist in der Ordnung, aber ich bemerke mit Vergnügen, daß mein Scharfblick mich nicht tauschte- -"r haben uns vor mehreren Jahren gekannt." "Wahrhaftig, und wenn cs in dem Bagno zu Brest gewesen wäre, alter Freund Gigot." Gigot errötheke ein wenig, zuckte die Ach seln und versetzte: „Selbst der Gerechte fällt sieben Mal in einem Tage; jene Zeit soll uns keinen Kummer machen. Sind wir dech recht- schaffene Leute geworden Du ein Soldat, und ich ein Adjutant bei der Chiournie." „Ich gratulire. Wir sahen uns schon lange nicht; seit dem Jahre, wo du dich dazu hergabst, das Beil auf den Hals des armen Oliviers fallen zu lassen. Sage mir nur, wie Du's über's Herz bringen konntest?' — - „Je nun, lieber Mathieu, was thut man nicht um der Freiheit? Man versprach, meine Kerken zu lösen, und ich hatte nicht Lust, einen neuen Canieradcn zu bekommen, nachdem Bapti- sie des Todes verblichen. Meine Hand zit terte freilich, mein Herz bebte; Olivier'S blas« sesHaupt jst mir seither hundertmal imTraume erschienen, ... aber die Freiheit, lieber Al- t«r - ' Freiheit ist doch der größte Schatz. Und der Herr Intendant Hal Wort gehalten, hat mich schleunigst nach Paris ge schickt, wo ich unter der Sicherheitsbriqade einen herrlichen Platz fand, bald meine völlige Lossprechung und Rehabilitation erlangte, bis man mich vor Kurzem hierher in die Chiourme versetzte." „Du hast wohl gethan, Dich dazumal von Brest eiligst davon zu machen. Ich versichere Dir, Deine Hcnkerverrichtuug hätte Dir un fehlbar das Leben gekostet. Vater Guillotine hielt ein strenges Gericht über Dich, worinnen Du fast einstimmig zum Tod« verurtheilt wur, dest." „Ich weiß es, guter Mathieu." „Es wurde dazumal auch der Vollstrecker des Urtheils ernannt: Richard, der Soldat, bot sich selbst dazu an, um Olivier's Tod zu rachen. Nimm dich vor dem Menschen in Acht, Freund Gigot; Du weißt, daß die Urtheile der Galeeren-Sclaven sich nie verjähren." „Das alles ist mir wohl bekannt, und längst traf ich meine Maßregeln. In Paris war ich allen Gaunern auf der Spur, führte ein genaues Register über diejenigen, die in mei nem Saale zu Brest gefangen saßen, und machte namentlich den gefährlichen Richard unschäd lich !" „Bravo! wie fingst Du es an?" „Er hatte seine Strafe ausgehalten, war mit dem gelben Laufpaß nach seiner Heimath zuruckgekehrt, sollte daselbst unter Polizeiauf sicht verbleiben.^ Natürlich fand er dort nur Schmach und Verachtung, Hunger und Kum- mcr, aber kernen Erwerb für sich und ferne alte Mutter. Da brach er, wie so Viele thun, seinen Bann, kam nach Paris, um in den gro. ßcn Strudel unerkannt zu leben. Sein Un- glück führte ihn unter meine Augen, unsicht- bar folgte ich seinen Schritten; ich hätte ihn anzeigen, auf einige Jahre in das Gcfangniß bringen können .... aber mir war« damit nicht geholfen gewesen. Einst wäre er den noch frei geworden, und mir .gefährlich geblie ben. Ich mischte daher die Karten sorgfälti ger, entzog ihm nach und nach durch geschickte Neuer Calender. F