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für Freundedes Nützlichen und Angenehmen. Wo soll das hinführen? So sehr auch alle Gewerbe niehr oder weniger darnieder liegen, und so groß auch die Noth im Allgemeinen ist, so herrscht doch un ter gewissen Klassen, die auf nichts Rücksicht nehmen, sondern unbesonnen in den Tag hin- einleben, noch eine zügellose Genußsucht. Man veranstaltet häufig glänzende Bälle, prächtige Schauspiele, verschwenderische Schmausereien, praße und prunkt, erfüllt weder eine Pflicht gegen die Menschheit, noch gegen den Staat, sondern lebt, «iS ob es kein Morgen gebe. Oer -eichtsinn und die Gewissenlosigkeit neh men auf diese Art immer mehr überhand; man hält kein Versprechen mehr und scheut sich vor keinem Eide; Betrug wird Klugheit ge scholten und Uebcrlistung nennt man Menschen kenntnis So. eilt ein großer Tbeil der Men. scheu einem moralischen Verderben entgegen, das in Zukunft Handlungen veranlassen w>rd, vor denen die Menschheit schaudernd zurück- fährt. Alle moralischen Bande find gesprengt, man entschuldigt alles mit der Noth und er laubt sich alles, weil es sich Andere erlauben, und da man vor dem Herrn der Welt keine Scheu m, Busen trägt, 'so verengt ein eiökal- ter Egoismus hw Herze? vieler Menschen, die gefühllos das Elend mit ansehen, das die Zei- ten auf unsere Tage gehäuft haben, ohne zu helfen, ob es ihnen schon noch nicht an Mit teln dazu fehlt. Dadurch wird das moralische Elend unserer Tage immer größer, und ohne Barmherzigkeit mordet man die Unschuld, wie man ohne Mitleid zahllose Unglückliche zu Grunde gehen sieht. Die Verbrechen mehren sich;'der Leicht' finn und die Genußsucht erzeugen sie und die Noth will sie entschuldigen. Hmr stiehlt man Kaffee, dort die Milch und die Sahne, die da zu erforderlich sind; den Holzdiebstahl, der jetzt so ungescheuct betrieben wird, und der so viel Unheil anrichtet, hält man kaum noch für ein Verbrechen. Wo soll das hinführen? Was soll aus der Menschheit werden? Wer die Gesetze vergißt, der muß mit Gewalt daran erinnert werden. Jeder Uebertretung eines Gesetzes muß die Strafe auf dem Fuße nach folgen, aber diese muß gerecht und zweckmäßig seyn. Ohne Ansehen der Person muß dasUr- rheil ausfallcn; wie die That, so der Lohn. Nur auf diese Art kann man dem Uebcrhand- nrhmen der Verbrechen Vorbeugen. Diese ver hindert keine Belehrung, kein leeres Drohen, sondern nur eine schnelle und gerechte Strafe. Allein hierin versehen cs die meisten unserer Staaten, und unsere peinlichen Gesetzbücher sind eben so unvollständig und zwecklos einge richtet, als man mit der Vollstreckung der Strafen zaudert und das Andenken an das begangene Verbrechen durch die Zeit verwischen laßt. Man sey gerecht und schnell in der Aus- theilung dieser Gerechtigkeit, und die meisten Verbrechen werden unter die Fabeln gehören. Der Mensch hat eine Ehrfurcht vor der Ge rechtigkeit» welche ihn unwiderstehlich Gu ten hintreibt und das Böse wuchert nirgends üppiger, als wo ohne Schaan, und Scheu Un gerechtigkeiten im Großen verübt werden. Die politische Welt liegt im Argen, die moralische auch, und wenn alles so forkgeht, so kann blos der jüngste Tag den Freveln und ^>erbre- chen rin Ende machen, welche man so unge« scheuet auf einander thürmt. Meißner Calender E