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konnte nicht viel mehr erkennen, als die auf die Straße gehenden Fenster, durch die noch eine kleine Dämmerung fiel, weil der Sichelmond am dichtbewölkten Him mel stand. Er rufte zwar einmal nach Rosinen, die ihm billig hätte Licht brin gen sollen, da sie aber nicht hörte, weil sie des Morgens um Ein Uhr den Back ofen hatte fegen müssen, und daher, nach verrieaelter Hausthüre und im Vertrauen auf die Anwesenheit und Wachsamkeit dtS Gastes, sich in ihrer Hofkammer ein wenig aufs Bett gelegt hatte; so stopfte er sich seine Pfeife im Dunkeln wieder, und schickte sich eben an, Schwammfeuer anzuschlagen, als er wahrnahm, daß Jemand auswen dig am Fenster sich zu schaffen machte, und ohne sonderliches Geräusch eine Scheibe zerdrückte. Kusch! sagte er leise zu dem aufwachenden Hunde, und wenn er das einmal gesagt hatte, so konnte er auch dar auf rechnen, daß der Schwarze sich nicht eher rührte, bis das Verbot wieder auf gehoben war. Inzwischen hatte der Je mand den Flügel geöffnet, den Kopf her, eingesteckt, und unfehlbar den dunkelbrau nen Fleischer in dem dunkelbraunen Sor genstuhle eben so wenig wahrgenommen, als den schwarzen Hund zu dessen Füßen: denn er stieg gar behende herein, ging nach der Stubenthür, schob den Nachtrie gel vor, machte sich hierauf an Meister- Rein ho lds Geldschrank, dessen Stellung er sehr gut zu kennen schien, öffnete ihn, mit einem ^Diebsschlüssel, langte die ob gedachten Semmelzeilen heraus, steckte sie in die Schubsäcke, und wollte wieder hin wo er hergekommen war. Aber, „Hussa Packan!" rief der Fleischer, und im Nu hatte der Hund auch den Dieb bei der Brust gefaßt, und zu Boden geworfen. „Laß ab!" sagte er nun zum Hunde, und zum Diebe sprach er: „Steh auf, Spitzbube, stell dich da in die Ecke, und rühre dich nicht. Wenn ich den Hund. noch einmal Hetze, so hast du am längsten eine Gurgel gehabt." Hierauf rief er mit posaunenmäßiger Stimme: „Rosine, fix" daß die Schläferin auffuhr, und so geschwind, als es sich im Dunkeln thun ließ, hecbeieilte. „Was giebl'S denn, Meister Verrhcld? Ach! er hat noch kein Licht." — „Brauch auch keine," sagte der Fleischer. „Lauf zum Herrn Frie drich, und sage Deinem Herrn, er möchte gleich mal Heimkommen, es wär'n Dieb im Hause." — „Ach, Herr Jesus, 'n Dieb!" kreischte die Magd. „Schweig, du dummes Ding!" zürnte Meister Bert- - hold, „wollt ich Lärm auf der Straße, so hätt ich ihn selber machen können. Den Kerl hab ich scsi, schaff du nur Meister Reinholden her." Die Magd riegelte das Haus auf und rannte wie toll davon. Meister Berthold aber setzte sich gelassen nieder in den Lehnstuhl, und that, was er hatte thun wollen, als der Dieb kam; er zün dete die Pfeife an. Der Dieb fing nun an zu kapituliren, mit anscheinlich ver stellter Stimme. Er offerirte Heraus gabe des Gestohlnen nebst einem Lösegelde von 3 Dukaten die' er bei sich habe. „Meister Reinholds Sache!" brummte der Fleischer, „weiß ich wie viel du ge stohlen hast?" Und so oft auch der An trag und die kläglichsten Bitten um Ent lassung wiederholt wurden, Meister Bert hold antwortete entweder gar nicht, oder sagte, „Meister Reinholds Sache!" Endlich erhellteLaternerschein die Stra- ße. Die akhemlose Rosine hatte die